Ärmelschoner verhindern angemessene Bürger- und Stadtratsinfo

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Warum soll in Geisenfeld öffentlich gesagtes geheim bleiben?

Wenn´s passt jazzt man im Rathaus Geisenfelder Allerweltsereignisse zu landkreisweiter Einzigartigkeit empor. Nur zu oft möchte man als Vorreiterkommune oder zumindest irgendwie innovativ gelten. Merkwürdigerweise gilt dies nicht für Bürgerinformationen und transparentes Ratsinformationsmanagement.

Hierbei scheint besonders der Bürgermeister dem Traum einer verstaubten Amtsstube aus dem 19. Jahrhundert nachzuhängen, in dem Inhalte aus öffentlichen Stadtratssitzungen als Herrschaftswissen zu behandeln sind, das den Bürger unter Strafandrohung nie zugänglich gemacht werden darf.

Die letzte Stadtratssitzung vom November bot dazu ein aufschlussreiches Beispiel.

In der November-Stadtratssitzung wurden neben dem einige Tage vorher von „Bürgersicht“ öffentlich gemachten Protokollfehler weitere Tagesordnungspunkte abgearbeitet. (Wobei der Protokollfehler von der Heimatzeitung nach der Stadtratssitzung unnötig skandalisiert und gleich wieder revidiert wurde: „Protokoll Affäre war gar keine“)

Von der Planung für einen möglichen Drogeriemarkt auf einem Teil des ALDI-Parkplatzes im Norden Geisenfelds (wurde beschlossen) und der dadurch -nach REWE Andeutungen- fast zwangsläufig damit ausgelösten endgültigen REWE Abwanderung, über die Nutzung der Anton-Wolf-Halle durch die Geisenfelder Faschingsgesellschaft (dürfen die Halle nun nutzen, wobei schon seit Tagen und Wochen die Karten dafür schon zu haben waren) wurde auch über einen Antrag der Fraktion der Freien Wähler (FW) abgestimmt.

govapps_teaser3Freie Wähler möchten Protokolle länger lesen dürfen

Der FW-Antrag griff den peinlichen Umstand auf, dass oben angeführtes Protokoll weder vom Bürgermeister (von ihm zwar unterschrieben doch eingestandenermaßen nur oberflächlich gelesen) noch von einem der Stadträte rechtzeitig vor der letzten Sitzung gelesen wurde.

Um es auf den Punkt zu bringen: Die schriftliche Nacherzählung einer Stadtratssitzung (Niederschrift) wurde ungelesen genehmigt, vorher durch Unterschrift von Protokollführerin und Bürgermeister zur Urkunde und durch automatische Genehmigung beweisfest und nicht mehr anzweifelbar. (Vergleichbar mit der Tatsachenentscheidung eines Schiedsrichters beim Fußball, der ein Tor pfeift, obwohl die Zuschauer sahen, wie der Ball vom Außennetz über ein Loch im Netz ins Torinnere gelangte)

Mit einer schnelleren, bereits 14 Tage nach Stadtratssitzung fertiggestellten und an die Stadträte versandten Niederschrift wolle man den Zeitraum um eine Woche verlängern, in dem man das Protokoll zukünftig auf Richtigkeit prüfen könne.

Der Beschluss dazu sollte aber am Ende noch einen Schritt weiter gehen.

Er habe nichts dagegen, gab sich der Bürgermeister ungewohnt aufgeschlossen, die Protokolle zukünftig nicht nur eine Woche früher als bisher sondern auch per E-Mail verschicken zu lassen.
Diese Protokolle, bestehend aus der Niederschrift einer öffentlichen Stadtratssitzung sollen den Stadträten zukünftig nicht erst mit der Tagesordnung und den dazugehörenden Unterlagen wie Anträgen und Beschlussvorlagen 7 Tage vor einer Sitzung, sondern bereits 14 Tage vorher zugestellt werden. Jetzt auch per E-Mail.

Doch in der Wahrnehmung des Bürgermeisters (und später auch bei einigen Stadträten) müssen diese Veränderungen zu Maßstabsverschiebungen in der Bewertung von öffentlichen Unterlagen geführt haben, die nur schwer nachvollziehbar erscheinen.

Bürgermeister legt sich in´s Zeug

Der Bedeutung des auf die Einleitung des Tagesordnungspunktes folgenden Hinweises angemessenen und mit dementsprechender Wichtigkeit in der Stimme, verkündete der Bürgermeister :
In diese vom Stadtrat nicht genehmigte Protokollfassung dürfen weder dritte Personen Einsicht nehmen noch darf sie ihnen überlassen werden.

Diese Fassung sei nur für die Mitglieder des Stadtrates zur genauen Kenntnisnahme“ des Inhaltes der zurückliegenden Sitzung und der damit verbundenen Genehmigung in der darauf folgenden Stadtratssitzung bestimmt.

Bedauerlich das man so einen Hinweis hier ausdrücklich nochmal bekannt geben muss“ schulmeisterte Bürgermeister Staudter -völlig anlasslos- in die Runde der Stadträte hinein.

Es sind diese Augenblicke die einen als Beobachter staunen lassen: Was veranlasst den Mann zu solch unnötigen, an der Grenze zur Beleidigung balancierenden „Hinweisen“?

comheim2Öffentlich gesagtes und geschriebenes kann nicht geheim sein

Nur weil Protokolle nun eine Woche länger von den Stadträten gegengelesen und per E-mail verteilt werden, ist plötzlich eine Geheimhaltungspflicht längst öffentlich bekannter Inhalte ausgebrochen.
Jeder Bürger, Journalist oder Blogger der in besagter Stadtratssitzung als Zuschauer dabei war, kennt den Ablauf der Sitzung und hat ihn bereits am Stammtisch oder in einem Artikel weiterverbreitet.

In diesen Stadtratsprotokollen finden sich also keinerlei Inhalte, die nicht bereits auf der Stadtratssitzung oder anderweitig öffentlich gemacht wurden oder datenschutzrechtlich schützenswert wären.
Hier wird mit dem Denken von gestern versucht, einen etwas komfortableren Protokollversandt unnötig zu reglementieren.

Obwohl die Bayerische Gemeindeordnung nicht explizit auf diese kurze Phase des in der Regel als Marginalie einzustufenden Genehmigungsverfahrens eingeht, kann nach Ansicht von Rechtsberatern jede Kommune in ihrer Geschäftsordnung darauf verweisen, dass es sich während dieser Tage um Protokolle handelt, die vom Stadtrat noch nicht genehmigt sind.

Damit hat es sich dann aber auch!

War die Geheimhaltung schon unmittelbar nach der Sitzung nicht gegeben -das Protokoll war da noch nicht mal geschrieben- ist kein Protokoll aus einer öffentlichen Stadtratssitzung, besonders nach der meist stillschweigend und somit automatisch erfolgten Genehmigung in irgendeiner Art geheim!

Das 5 Tage nach einer Stadtratssitzung das Protokoll der vorletzten Stadtratssitzung auf die Homepage der Stadt gestellt wird ist nichts Neues und von den Stadträten im März 2010 auf Antrag von „Bürgersicht“ bereits beschlossen worden. Neu ist dabei nur, dass man bei dieser Stadtratssitzung nun einen zeitlich fixen Rahmen von 5 Tagen für die Veröffentlichung beschloss.

Mit diesen auf der städtischen Homepage eingestellten Bürger-Versionen, eine bis auf die getroffenen Beschlüsse abgespeckte und nach Lesart des Bürgermeisters eine Protokollfassung, aus der man sich nur ungenau informieren kann, muss sich der Bürger begnügen. (nur der Stadtrat bekommt eine Fassung zur „genauen Kenntnisnahme“)

Bürger werden völlig intransparent abgespeist

Aus der Protokollfassung für Stadträte, in der Regel finden sich darin nicht nur die Beschlüsse zu den einzelnen Tagesordnungspunkten, erfährt man auch durch die darin dokumentierten Wortmeldungen der einzelnen Stadtratsmitglieder deren Standpunkte. (Das Abstimmungsverhalten der jeweiligen Ratsmitglieder wird durch die reine Wiedergabe der Dafür/Dagegen -Zahlen in allen Protokollfassungen nicht erfasst).

Passau-Ratsinfosys

Wie soll ein Bürger eine Wahlentscheidung bei der nächsten Kommunalwahl treffen, wenn er das Wirken und das Abstimmungsverhalten „seiner“ Kandidaten nicht nachvollziehen kann? Durch die Meldungen über die üblichen Verdächtigen, die wenigen die es -mehr oder minder- regelmäßig in die Meldungen der Heimatzeitung schaffen, wird die Meinungsbildung über Stadträte nicht objektiver.

Ein Rats-Informations-System bei dem mancher im Rathaus Pickel bekäme

Außerhalb Geisenfelds befindet man sich diesbezüglich bereits im 21. Jahrhundert. Dort können sowohl Stadträte als auch Bürger aktuell auf die für sie bestimmten Unterlagen aus dem Rathaus zugreifen.
Unredigiert, aktuell und komfortabel. Alles in allem genau die Informationen, wegen denen so mancher im Geisenfelder Rathaus Pickel bekommen würde, müsste er sie den Bürgern zur Verfügung stellen!

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Eine „Bürger-APP“ für Transparenz

Die BürgerApp bietet dem politisch interessierten Bürger die Möglichkeit, öffentliche Sitzungsdaten einschließlich der dazugehörenden Einladungen, Vorlagen, Anlagen, Protokolle und Beschlussblätter anzuzeigen und auf sein Smartphone zu laden.
Die Vorteile: stets aktuelle öffentliche Informationen, alle Unterlagen überall dabei, Ideen und Notizen aufzeichnen und speichern, lokal recherchieren.

Unendliche Weiten, fremde Informationsfelder.
Das Raumschiff Bürgerbeteiligung dringt in Transparenzgalaxien vor,
die von einem Geisenfelder noch nie erblickt wurden.

Wann wird sich die Geisenfelder Verwaltung auch auf den Weg ins 21. Jahrhundert machen?

[youtube]http://youtu.be/sIv5xQxtWhk[/youtube]

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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