Eine abgewählte Präsidentin mit kruden Sichtweisen als amtierende Präsidentin interviewt.
Zuerst ein Anschlag, und danach ein Schlag. Am 13. Februar fuhr in der Münchner Innenstadt ein Afghane mit seinem weißem Mini gezielt in eine Demonstration. (Stand 17.02.: 2 Tote, 37 Verletzte) Ermittler gehen von einem islamistischen Motiv des Autofahrers aus. Das war der Anschlag.
Am 14. Februar folgte dann der Schlag, als auf der „Münchener Sicherheitskonferenz“ (msc) der US-Vizepräsident J.D. Vance unbequeme Wahrheiten aussprach und damit Europas und Deutschlands politische Klasse in Panik versetzte.
Wäre man Österreicher, würde man sich mit „die Welt schaut auf München“ in der medialen Aufmerksamkeit suhlen. Realistisch gesehen müsste man diese Betrachtung mit „schaut mit Schrecken auf München“ ergänzen. Über beide Ereignisse wurde zwar breit berichtet. Doch in Dauerschleife nur über die „Münchener Sicherheitskonferenz“. Immerhin versammelte sich in und an diesem journalistisch ergiebigen Eldorado ja auch mächtig viel internationale Politprominenz. Wer hier nicht interviewt wurde oder interviewen konnte, war wohl nur einer von den unwichtigeren, aber trotzdem zahlreich anwesenden „Adabeis“.
In diesem journalistischen Garten Eden konnte man aus dem Vollen schöpfen. Wo man hinsah: Nachrichtenmaterial! Natürlich auch für den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Phoenix. Der eigenen Angaben zufolge der „Überparteilichkeit“ verpflichtete Sender, sieht seine Daseinsberechtigung in der Erbringung „qualifizierter Beiträge zur politischen Meinungs- und Willensbildung“.
Doch wie das nachfolgende Beispiel aus der aktuellen Berichterstattung des Senders zeigt, mit dieser „Überparteilichkeit“, im Kern gleichbedeutend mit Neutralität, Sachlichkeit und Objektivität, scheint man es dort mit Sachlichkeit und Objektivität nicht allzu ernst zu nehmen.
Als Journalist, oder als journalistischen Grundsätzen sich verpflichtet fühlender Publizist, würde man sich mittels Recherche sowohl auf die zu interviewende Person, als auch auf das im Interview zu behandelnde Thema eingehend vorbereiten. Würde eine Frage nur unzureichend oder offensichtlich widersprüchlich beantwortet, ermöglichte die Kenntnis der Fakten ein nachfragen oder nachhaken.
Will man dem Gegenüber jedoch ausschließlich nur Raum zur Verbreitung seiner Sichtweisen geben, schließt man mögliches Nachhaken wegen fehlender Sachkenntnis beim konzipieren des Interviews einfach aus, und legt sich im vollen Bewusstsein vorhandener Wissenslücken nur Fragen zurecht, die der Interviewte als geeignete Stichworte für seine eingeübten Antworten verwenden kann. (Es geht sogar noch interesannter: Vor einigen Tagen konnte man einem geleakten Video des „BR“ entnehmen, wie die Moderatorin einer Nachrichtensendung sogar ihre Fragen mit einer Ministerin vor der Aufzeichnung eines Interviews absprach)
Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn ich jetzt zu einem aktuellen Interview des Senders „Phoenix“ komme.
„Good evening Madam President“ begrüßte die Moderatorin Tina Dauster die abgewählte georgische Präsidentin Salome Surabischwili am Abend des 14. Februar in der Sendung „phoenix der Tag“ zu Beginn eines Interviews.
Ein Versprecher? Nein! Auch in der Bauchbinde unter dem Statement von Frau Surabischwili wurde die keinerlei Staatsämter mehr ausübende „Madam“ als „Staatspräsidentin Georgiens“ bezeichnet. (Das Interview wurde zwar in Englisch geführt, wobei die gewählte Anrede Madam dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass Salome Surabischwili gebürtige Französin ist)
Bei „Phoenix“ scheint man am Abend des 14. Feb. 2025 den aktuellen Präsidenten, den am 29. Dezember 2024 im georgischen Parlament als Präsident vereidigten Micheil Kawelaschwili nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Eventuell lag es daran, dass sich die prowestlich orientierte „Madam“ auch weiterhin als legitime Amtsinhaberin sieht, und das neu gewählte Staatsoberhaupt, Präsident Kawelaschwili, im Gegensatz zu „Madam“ im Westen als russlandfreundliche Marionette angesehen wird.
Warum man im ÖRR amtlich festgestellte Wahlergebnisse eines Landes ignoriert, und eigenwillige Sichtweisen über Fakten stellt, bleibt das Geheimnis eines offensichtlich trotzigen Journalismus.
Und diese Hinwendung des Senders „Phoenix“ zu alternativen Fakten sollte sich in dem per Schalte zur „Münchner Sicherheitskonferenz“ devot geführten Interview in den Aussagen von „Madam“ fortsetzen.
Über den Umweg der bekannten Sprechblase, dass es keinen gerechten und dauerhaften Frieden für die Ukraine geben kann, sofern Putin und Trump direkt, also ohne direkte Beteiligung des Landes verhandeln würden, in das einmarschiert und Gebiete besetzt wurden, kam „Madam“ auf das Jahr 2008 zu sprechen, in dem Georgien auch „unter russischer Aggression gelitten“ hatte. Da die Moderatorin nicht nachfragte, was genau „Madam“ mit „russischer Aggression gegen Georgien“ meinte, unterstelle ich jetzt, „Madam“ wollte hier ganz subtil -wie schon so oft zuvor- ein westliches Narrativ bedienen, nachdem Russland im Jahr 2008 Georgien überfallen habe.
Ein Narrativ, mag es von Politikern und uninformierten Journalisten auch noch so oft bemüht werden, das längst widerlegt ist. Die vom Europäischen Rat eingesetzte „Unabhängige Untersuchungskommission zum Konflikt in Georgien“ kam 2009 zu dem Schluss, Georgien hat den Kaukasus- Krieg gegen Russland begonnen. (Der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem „unverantwortlichen“ Vorgehen der georgischen Führung)
Voll im russophoben Fahrwasser befindlich, erklärte „Madam“ die letzte Parlamentswahl vom Oktober 2024 in Georgien als „gestohlene Wahl“, mit einer „Stellvertreter Regierung“ die Georgien jetzt in „die russische Einflusssphäre“ bringt. (Fun Fact: Georgien unterhält nicht einmal diplomatische Beziehungen zu Russland)
Hier sprudeln die alternativen Fakten gewaltig. Westlichen Regierungen gefiel das Ergebnis der Wahl zwar nicht, doch keine ließ sich dazu hinreißen von „gestohlener Wahl“ oder Wahlfälschung zu reden. Salome Surabischwilis Beurteilung, in Georgien sei jetzt eine „Stellvertreter Regierung“ an der Macht, dürfte von der Verbitterung über ihre Abwahl herrühren, die soweit ging, dass sie nur widerwillig den Präsidentenpalast räumte, aber ihre nicht mehr vorhandene „Legitimität mitnehmen“ wollte. (Ihre „Legitimität“ leitet sie von den Protesten über die Wahlresultate ab, die von der Opposition, politischen Aktivisten und unzufriedenen Bürgern nicht akzeptiert wurden)
Als „Madam“ danach gefragt wurde, welche Folgen es für Georgien hätte, wenn, wie aktuell befürchtet, die USA ihre Beschützerrolle gegenüber Osteuropa aufgeben würde, sah sie Europa in der Pflicht nun „eine echte Macht darstellen“ zu müssen, um gefährdete Demokratien, wie zum Beispiel Georgien zu unterstützen. Die Gefährdung Georgiens erklärte sie mit einem erneut unhaltbaren Narrativ, indem sie die russische Gefahr für ihr Land folgendermaßen beschrieb: In Georgien sei man „derzeit sehr eingeschränkt durch die neuen russischen Gesetze, die eingeführt werden um die ausländische Finanzierung der Zivilgesellschaft und der Medien zu verbieten“.
In dieser Einlassung gibt es nicht einen Fakt, den man unwidersprochen lassen könnte. Schon der Plural „Gesetze“ ist falsch. Bezüglich der „Einschränkung“ die „Madam“ hier beklagt, handelt es sich um ein einzelnes Gesetz. Und das, wie soll es in einem souveränen Land auch anders sein, ist nicht „russisch“. Dabei handelt es sich um das im Mai 2024 von der georgischen Regierung verabschiedete Gesetz „Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“, gemeinhin als Gesetz über ausländische Agenten bezeichnet, nachdem NGOs, Medien und Blogger, die 20 und mehr Prozent ihrer Einnahmen aus dem Ausland bekommen, verpflichtet sind, ihre Finanzen und die dahinterstehenden Interessen offenzulegen. Die Finanzierung aus dem Ausland ist in Georgien also nicht verboten, wie „Madam“ im Interview beklagt. Sie muss jedoch offengelegt werden! (Kanada hat bereits, und Frankreich wird demnächst ein vergleichbares Gesetz verabschieden)
Wobei dieses Gesetz ursprünglich aus den USA stammt. Dort wurde es 1938 unter dem Namen „FARA-Act“ (Foreign Agents Registration Act), als Gesetz zur Registrierung sogenannter „ausländischer Agenten“ eingeführt. Seither drohen jedem, der in den USA mit ausländischer Finanzierung politisch tätig wird und sich nicht als „ausländischer Agent“ registriert, Geld und/oder Gefängnisstrafen. Als Russland im Jahr 2012 ein annähernd gleichlautendes Gesetz für „vom Ausland unterstützte oder beeinflusste“ gesellschaftliche Organisationen (NGOs), und 2020 für politisch tätige Privatpersonen verabschiedete, war die Empörung darüber in der EU unüberhörbar. Seitdem hält sich die den europäischen Doppelstandards entsprechende Erzählung, dieses böse Gesetz sei ein russisches Gesetz.
Soweit die mit alternativen Fakten gespickten Einlassungen von „Madam“. Man kann es ja irgendwie verstehen, dass eine bis dato vom Westen gehätschelte, aber trotzdem abgewählte „Madam Präsident“ mit ihrem Schicksal hadert. Sah es doch zeitweise so aus, als könnte sich mittels „Farbrevolution“ ihr verbleib im Amt noch irgendwie bewerkstelligen lassen. Doch die Proteste gegen das Wahlergebnis flauten ab, und das von „Madam“ zwecks Annullierung der Wahl angerufene Verfassungsgericht bestätigte das für sie ungünstige Wahlergebnis. Und so kann sie jetzt nur noch vom Abstellgleis für ausgediente Politgrößen Interviews ohne Wahrheitswert geben, die willfährige Journalisten mit ihr führen wollen.
Was mich zum Abschluss dieser Betrachtung über ein im Sender „Phoenix“ geführtes Interview, zurück zur Einleitung bringt, die diesem Interview voran ging. Nicht ohne Grund möchte ich dazu erneut auf das Qualitätsversprechen des Senders hinweisen, der sich dazu verpflichtete, „qualifizierte Beiträge“ in sachlicher und objektiver Form abzuliefern.
Mit einer kurzen Zustandsbeschreibung zu Georgien bereitete die Moderatorin die Zuschauer auf das dann folgende Interview vor. Georgien erlebe, so die Moderatorin, zuletzt bei der „umstrittenen“ Parlamentswahl 2024, „massive Einflussnahme aus Russland“. Die Opposition und die „Georgische Präsidentin Salome Surabischwili“ werfen der Regierungspartei jedoch Wahlbetrug vor, und fordern Neuwahlen.
Bis auf den zweiten Satz, nachrichtentheoretisch zwar neutral gehalten, jedoch zum Zeitpunkt der Sendung eine bereits von den aktuellen Vorgängen überholte Nachricht, wurde bis dahin nur unsachliche „Meinung“ verbreitet. (Wir wissen ja bereits: Surabischwili ist nicht mehr „Präsidentin“, und „Wahlbetrug“ lag nach Auffassung des georgischen Verfassungsgerichts auch nicht vor)
Doch besonders der darauffolgende Satz der Phoenix-Moderatorin zeigt, wie man auch mit Fakten manipulieren kann.
„Das Land wehrt sich gegen eine Regierung, die die EU-Beitrittsverhandlungen bis 2028 aussetzen will“.
Ja, es entspricht der Realität, dass die georgische Regierung Ende November 2024 ankündigte, die EU-Beitrittsverhandlungen auszusetzen. Doch warum will sie das? Und vor allem was ging diesem Vorhaben voraus?
Zur Wahrheit gehört, und diese Klarstellung vermied die Moderatorin, dass die Europäische Union bereits einige Monate zuvor, im Juni 2024 ankündigte, „den Beitrittsprozess Georgiens vorerst nicht fortzusetzen“. (Auf Eis zu legen) Ein Grund dafür sei die Verabschiedung des Gesetzes über „ausländische Einflussnahme„. (siehe oben) Dieser Schritt bringe „die Beitrittsverhandlungen de facto zum Stillstand„.
Die Georgische Regierung fühlte sich daraufhin von der EU gegängelt, und beschloss nun ihrerseits und ganz konkret, die Beitrittsverhandlungen bis 2028 „auszusetzen“. ( Man wolle jedoch die für den Beitritt erforderlichen Reformen weiterhin umsetzen) Was wiederum die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock auf den Plan rief, um nach dem Motte „ihr kündigt uns nicht. Wenn hier einer kündigt sind wir das“, einen Monat nach der georgischen Ankündigung von der EU am 26. Dezember 2024 eine „förmliche Suspendierung des georgischen Beitrittsprozesses“ forderte. (Das mit dem „auf Eis legen“ war ihr offensichtlich zu unspezifisch)
Soweit die Betrachtung zur journalistischen Arbeit des ÖRR-Senders Phoenix.
Wobei ich jetzt noch eine Ungereimtheit bei den Protesten der „Zivilgesellschaft“ in Georgien ansprechen möchte. Wenn, und ich stelle das jetzt nicht infrage, die Bevölkerung so leidenschaftlich für eine Aufnahme in die EU votiert, warum protestierte man dann nicht bereits zu dem Zeitpunkt, als die EU ankündigte, die Beitrittsverhandlungen „auf Eis“ zu legen? Warum wartete man damit bis zur Wahl einer neuen Regierung? Es mag ja unlogisch erscheinen, aber im Zweifel würde wohl „der“ Westen auch das dem „russischen Einfluss“ zuschreiben.