Bürgerbeteiligung – Mitwirkung mit Wirkung

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Im Gegensatz zu ewig gestrigen Rathauschefs hat der bayerische Städtetag die Zeichen der Zeit erkannt. Die Vertreter von 270 Städten und Gemeinden diskutieren diese Woche auf ihrer Jahrestagung in Schweinfurt die Frage: „Bürgerbeteiligung zwischen Marktplatz und Internet„.

Die meisten bayerischen Gemeinden sind mit einer eigenen Internetseite im weltweiten Netz (www = world wide web) zu finden. Damit hat es sich aber auch schon. Die auf so mancher Kommunalseite suggerierte Bürgerinformation entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als schönfärberische Selbstdarstellungsplattform mit dem Informationsgehalt einer schlechten Bedienungsanleitung.

Hat man sich zum Beispiel in Geisenfeld an die rudimentäre Form von informeller Bürgerbeteiligung / Information gewöhnt, kann einen so schnell nichts mehr überraschen.

Hoch und heilig versprochene -und vom Stadtrat beschlossene –Niederschriften der Stadtratsprotokolle werden immer erst Monate nach der eigentlichen Sitzung veröffentlicht. Zu allem Überfluss werden die den Stadträten rechtzeitig vor der nächsten Sitzung übersandten Protokolle danach vom Bürgermeister auch noch überarbeitet, redigiert und erst danach auf der Website der Stadt eingestellt.

Wohl dem Verwaltungschef, der so wenig Arbeit hat, dass er sich dafür die Zeit nehmen kann.
Wenn überhaupt.

Holt man sich die Seite mit den Protokollen aktuell auf den Schirm (17.07.2012), darf man über den am Anfang der Seite prangenden Satz erst mal schmunzeln.

Hier finden Sie immer die aktuellsten Protokolle der öffentlichen Sitzungen des Stadtrates und des Bauausschusses“.

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Was man darunter findet, sind zwar die mehr oder minder aktuellen Protokolle der Bauausschusssitzung (sogar mit den verschiedenen Wortbeiträgen der Ausschussmitglieder) aber kein aktuelles Stadtratsprotokoll. Das letzte Protokoll stammt vom 22.März 2012. Die Protokolle der abgehaltenen Sitzungen vom April, Mai und Juni (2) sucht man dort vergebens.
Diese an sich selbst gestellte Hauptaufgabe wird von der Stadt also nicht erfüllt!

Was man stattdessen auf der Internetpräsenz der Stadt findet, ist Aktuelles zu „Kunst und Kultur“ und ganz aktuelle Nachberichterstattung zu städtischen Veranstaltungen. Diese Informationen hat der Bürger nie gefordert und sind auch nicht zwingender Bestandteil einer E-Government genannten Verwaltungsinformatik.

Wird aber „Bürgerbeteiligung“ im Internet von der Verwaltung in Geisenfeld versucht, zum Beispiel mit einer Abstimmung der Bürger über den Namen der „Neuen 3-fach-Turnhalle„, wird sie zur Farce, geht in die Hose und wird still und heimlich wieder aus dem Netz getilgt. Am Ende entschieden nicht die Bürger, sondern die Stadträte über die Namensgebung.

Dort wo Bürgerbeteiligung sinnvoll gewesen wäre, bei der Entscheidung über 1-2 Umgehungsstraßen für Geisenfeld, wurde sie vom Bürgermeister einfach nicht gesehen.

Das Ergebnis war die Gründung von „Bürgersicht“ und die aufgebrachte Stimmung auf diversen Bürgerversammlungen.

Ließ der Bürgermeister doch monatelang verkünden, niemand in Geisenfeld sei gegen eine Nord-Umgehung. Woher er das wusste? Er wusste es nicht! Er behauptete es einfach. Diese Behauptung ist mittlerweile Schnee von gestern. Waren es lange Zeit nur eine propagierte „Handvoll Idioten“ die gegen diese Umfahrung waren, sind es –seit „Bürgersicht“ für alle sichtbar- eine unübersehbare Anzahl von Umgehungsstraßengegnern. Mit anwaltlicher Unterstützung.

Mittlerweile glaubt selbst der Bürgermeister nicht mehr an eine schnelle Umsetzung dieser leidigen Angelegenheit. Das Planfeststellungsverfahren lässt auf sich warten, die dazugehörenden Grundstücksgeschäfte der Stadt entpuppten sich als unnötiger Schnellschuss. Als besonders aufschlussreich könnte hier ein Blick in den städtischen Haushalt gelten.

Für die nächsten 3 Jahre sind für die Umgehungsstraße keinerlei Ausgaben eingeplant. Still ruht der See!

Damit Beteiligungsprozesse zum Beispiel auch in Geisenfeld in Gang kommen, schlägt der bayerische Städtetag in einem Diskussionspapier folgendes vor:

Eine Beteiligung sollte frühzeitig erfolgen, bevor formelle Verfahren stattfinden und bevor Vorhaben so konkretisiert sind, dass Alternativen ausscheiden. Ein Beteiligungsprozess sollte lösungs- und nicht kritikorientiert sein.“

Eine „gute“ Bürgerbeteiligung“ sollte aber auch „die Arbeit der Stadt- und Gemeinderäte würdigen„.

Mit einer nicht zu überlesenden Einschränkung.
Sofern sich die dort „ehrenamtlich Tätigen sachkundig gemacht haben„.

Beobachtet man die Arbeit im Geisenfelder Stadtrat, kann man genau bei diesem Punkt „sachkundig“ so seine Zweifel haben!
Eventuell kommt der nötige Sachverstand doch nur aus den Reihen der Bürger.

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Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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