Bürgerversammlung: Die Nachbetrachtung

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Bevor Bürgermeister Christian Staudter mit Frau und Sohn gegen 18.30 Uhr die Aula der Geisenfelder Volksschule betrat, klopfte er zweimal triumphierend auf einen der am Eingang angebrachten Hinweiszettel. „Film- und Tonaufnahmen sind auf der Bürgerversammlung verboten“ stand darauf zu lesen. Das Anfertigung von Videoaufnahmen hatte er also nicht nur nicht erlaubt, nein, er hatte es gleich „verboten“! Eventuell lag ihm das Tage zurückliegende Interview der Ingolstädter „Teleschau“ noch im Magen, in dem er trotz Vorbereitung, eine sehr unglückliche, weil stotternde Figur abgab. (Link zu Video und Bericht auf Bürgersicht)

Solche Ausrutscher oder gar ungewollte Festlegungen sollten keinesfalls ohne seine Zustimmung/Einflussnahme auf einer der 4 anberaumten Bürgerversammlungen dokumentiert werden können. Und so eröffnete er gegen 19:00 Uhr die erste Bürgerversammlung seiner seit 2008 andauernden Amtszeit. „Ich stelle fest, die Einladung zur Bürgerversammlung ist form- und fristgerecht ergangen“, man könne also anfangen. Am Beginn seiner danach vorgetragenen Ausführungen versuchte er das „Drehverbot“ damit zu begründen, er möchte die hier anwesenden Bürgerinnen und Bürger schützen. Sofern sie sich in dieser Bürgerversammlung zu Wort meldeten, könnten sie durch später ins Internet (Bürgersicht.de) eingestellte Videoaufnahmen eventuell kompromittiert werden und zudem bei ihren Redebeiträgen ungewollt gehemmt sein. Auf dieses durchaus eingängige und nachvollziehbare Argument eingehend, kam bei der Nachfrage von „Bürgersicht“, man verspreche, während der ganzen Veranstaltung „nur IHN zu filmen“, der eigentliche Beweggrund des „Videoverbotes“ ans Licht. „Nein, das will ICH nicht“ entgegnete der Bürgermeister wie aus der Pistole geschossen. Um die Bürgerversammlung nicht unnötigerweise wegen eines an diesem Abend nicht zu lösenden Streitpunktes zu strapazieren, verzichte „Bürgersicht“ auf weitere diesbezügliche Diskussionen zur Durchsetzung eines nach Meinung von Verwaltungsrechtlern durchsetzbaren Rechtes auf Videoaufnahmen, filmte diese Veranstaltung nicht und überlässt es demnächst der kommunalen Rechtsaufsicht, in diesem Punkt für Rechtssicherheit zu sorgen.

Der mitprotokollierende Mitarbeiter der Verwaltung konnte nun den ersten Punkt der Tagesordnung, „Kurzbericht des Bürgermeisters“, mitnotieren. Ob die Bürgerinnen und Bürger Geisenfelds eine Niederschrift, oder eine anderweitige Dokumentation dieser oder noch folgender Bürgerversammlungen zu sehen bekommen, ging auch aus der Behandlung eines später auf dieser Bürgerversammlung genau diese „zu veröffentlichende Niederschrift“ fordernden Antrages nicht hervor und blieb somit im unklaren. Wie auch vieles andere am Ende dieser Bürgerversammlung im unklaren blieb.

Es ergibt nicht immer alles für jeden einen Sinn

Für einen nicht überhör- und übersehbaren, unschwer als Anhänger des Bürgermeisters auszumachenden Besucherblock ergab alles einen Sinn. Sofern es vom Bürgermeister Staudter ausgesprochen wurde. Für andere Besucher wiederum ergab so manche Vorgehensweise, Argumentation oder die ein oder andere Einlassung des Bürgermeisters keinen Sinn.

Worin lag zum Beispiel der Sinn, den Antrag eines Nöttingers auf dieser für nicht-Nöttiger vorgesehenen Bürgerversammlung zu behandeln, obwohl dieser Antragsteller nachweislich nicht anwesend war?

Macht es wirklich Sinn, so zu tun, als seien die auf der Bürgerversammlung rudimentär zitierten Zahlen des Haushaltes 2009 von endgültiger Aussagekraft, obwohl zum Beispiel die dabei angeführten Einnahmen nur eine vorläufige Aussagekraft besitzen.

Welche Sinnhaftigkeit steht hinter des Bürgermeisters Vorgehensweise, Investitionssummen möglichst klein zu reden, den Nutzen dieser Investitionsvorhaben dafür um so größer herauszustellen?

Welche Vorgehensweise ist bei der Behandlung von Bürgeranträgen die Richtige, wenn der Bürgermeister bei der sehr überschaubaren Anzahl von Anträgen über den einen Antrag auf der Bürgerversammlung abstimmen lässt, über einen weiteren nicht, oder gleich zwei unterschiedliche Anträge der gleichen Person zu einer Abstimmung zusammenfassen möchte? (um dabei bei unliebsamen Passagen etwas vom Mikrofon abzurücken um die Verständlichkeit im Saal zu erhöhen)

Was ist von der Ernsthaftigkeit seines andauernd, fast schon mantrahaft vorgetragenen Bekenntnis zur „Bürgerfreundlichkeit“ zu halten, wenn er auf das Ansinnen, die Protokolle der Stadtratssitzungen nicht nur als freiwilligen „Service der Stadt“, sondern verpflichtend auf der Homepage der Stadt einzustellen mit den Worten reagiert, er möchte nicht „das diese Niederschriften missbraucht werden„? (Was dem Bürger nicht zur Kenntnis gebracht wird, kann er nachher auch nicht kritisieren)

Neben diesen ärgerlichen Unzulänglichkeiten eines in weiten Teilen an den Erwartungen so manchen Bürgers vorbeiargumentierenden Bürgermeisters, gab es aber auch manch erfreulich Aufschlussreiches. So präsentierte der Bürgermeister in schonungsloser Offenheit die mangelnde Inanspruchnahme einzelner Bürgerbus-Linien. In den Ortsteilen mit gegen Null gehender Auslastung werde der Bürgerbus eingestellt, um dafür die Frequenz auf den nachgefragten Linien zu steigern. Das dazu eine Grafik gezeigt wurde, auf der als Überschrift der Bürgerbus als „Test“ ausgewiesen wurde, macht aber gleichzeitig deutlich:

Der Bürgermeister hat nicht den Mumm sich vor einen einstimmig gefassten Stadtratsbeschluss zu stellen.

Er sprach zwar die sehr schlechte Akzeptanz des Bürgerbusses an, versuchte aber gleichzeitig dieses als innerhalb einer Testphase standfindendes einzustufen. Als habe man der Sache von vornherein nicht so ganz getraut und habe das ja erst testen wollen.

Mitnichten Herr Bürgermeister! Die Einrichtung eines Bürgerbusses war von Anfang an als feste Einrichtung beschlossen worden. Auf der Stadtratssitzung vom 19. März 2009. Einstimmig. Der Bürgerbuss „eignet sich als sog. Leuchtturmprojekt“ so ein Stadtrat.

Unter Punkt 12 des Protokolls der Stadtratssitzung vom 19. März ist dazu folgender Beschluss zu lesen: (Eventuell befürchtete der Bürgermeister mit seinem -siehe oben- zitierten Ausspruch vom „Missbrauch“ der Stadtratsprotokolle genau so einen Fall.)

-Der Stadtrat beschließt, die Einrichtung des Bürgerbusses umzusetzen. Für die Realisierung ist es notwendig entsprechendes Personal einzustellen. Die Verwaltung wird beauftragt, geeignete Büroräume ausfindig zu machen. Eine geeignete Arbeitskraft, die halbtags beschäftigt werden soll, ist einzustellen.-

Wollen sie das Protokoll dieser Stadtratssitzung nachlesen? Da die Stadt es auf ihrer Homepage nicht zur Verfügung stellt, können sie es sich hier runterladen!

Und in der Presse (GZ-24.03.09) wurde das ganze von den Hauptinitiatoren bekräftigt.

-Ein Testlauf sei im Grunde nicht nötig, waren sich Edith Schultz (CSU) und Böhm einig. Schon bei einer Umfrage der Stadtmarketinggruppe „Mensch“ habe sich klar herausgestellt, dass ein Bedarf vorhanden ist. Zudem werde der Bedarf mit dem Angebot wachsen-

Einen regelmäßigen „Bürgersicht“-Leser , und davon outeten sich auf dieser Bürgerversammlung -auch unfreiwillig- viele, wird diese Vorgehensweise nicht überraschen. Einmal beschlossenes dauert entweder unendlich lange oder man rückt in kleinen, möglichst unauffälligen Schritten davon ab.

Die 3-fach-Sporthalle ist so ein Fall.

Auch dieses Thema sprach der Bürgermeister auf der Versammlung an. Ihm gehe es bei dieser Baumaßnahme in erster Linie um die Nutzung als Sporthalle und erst in zweiter Linie um die Nutzung als Mehrzweckhalle für 5-6 jährlich stattfindende Veranstaltungen. Ginge es dem Bürgermeister wirklich nur um die Nutzung als Sporthalle für die städtische Volks-und Hauptschule, so müsste er sein Vorhaben sofort begraben. Im Stadtrat wurde dazu bereits festgestellt: Geisenfeld benötigt keine weitere Sporthalle, da auf absehbare Zeit dafür kein Bedarf besteht. Bedarf bestehe nur für die Real- und Förderschule. Beide nicht in der Trägerschaft der Stadt Geisenfeld. Dem Bürgermeister geht es hier eindeutig nur um die Nutzung als Mehrzweckhalle.

Dazu heißt es in der Beschlussvorlage für die Stadtratssitzung vom 12.November 09:

-Es ist zu überlegen, ob sich auch die Stadt Geisenfeld an dem Bau der Turnhalle beteiligt und so eine 3-fach-Halle gebaut wird. Die Kosten würden sich für die Stadt auf ca. 1,5 –2 Mio. € belaufen. Entscheidet sich man sich für einen zusätzlichen Ausbau zur Mehrzweckhalle, fallen weitere etwa 200.000,–€ an. Steigt die Stadt Geisenfeld in den Bau der 3-fach-Turnhalle mit Mehrzweckhalle ein, würde sie zu einem sehr günstigen Preis eine Mehrzweckhalle bauen können. Die Mehrkosten für die Mehrzweckhalle müsste die Stadt Geisenfeld natürlich alleine tragen. Ob Förderungen beantragt werden können, steht noch nicht fest. Der Sportbedarf für die Volksschule ist abgedeckt, aber Ziel ist, andere Möglichkeiten auszuschöpfen.-

Wollen sie das Protokoll dieser Stadtratssitzung nachlesen? Da die Stadt es auf ihrer Homepage nicht zur Verfügung stellt, können sie es sich hier runterladen!

Man brauche sie zwar nicht, will sie aber trotzdem! Warum? Einige Stadträte begründeten ihre Zustimmung zum Bau mit zum Teil abenteuerlichen Einlassungen: dies sei eine einmalige Chance und früher wollte man doch auch schon eine Mehrzweckhalle.

(da war sie erneut, die etwas krude Logik die einem beim lesen von Stadtratsprotokollen auffällt)

Die „Freien Wähler“ sahen das Vorhaben etwas kritischer. Zum Beispiel Altbürgermeister Josef Alter:

-Hinsichtlich der Finanzierung ist zu bedenken, dass viele Projekte mit einer höheren Priorität anstehen. Wir sollten keine größere Verschuldung erzielen und unsere Prioritäten erhalten.-

Zumindest lässt der dazu mit 14 zu 5 Stimmen gefasste Beschlusse die Hoffnung auf Abkehr dieses sinnlosen und obendrein kostspieligen Unterfangens erwarten:

-Der Stadtrat beschließt, den Bau einer, auch als Mehrzweckhalle nutzbaren, 3-fach-Turnhalle in Zusammenarbeit mit der Förderschule und dem Landkreis Pfaffenhofen weiter zu verfolgen. Die Verwaltung wird beauftragt die weiteren Verhandlungen mit der Förderschule und dem Landkreis Pfaffenhofen zu führen. Die Ergebnisse werden dem Stadtrat zum Beschluss vorgelegt.-

Was gab es noch von der Bürgerversammlung zu berichten?

Ausführlich wurde das Thema „Umgehungsstraße“ behandelt. Die wir hier auf „Bürgersicht“ an anderer Stelle mehrmals ausführlich darüber berichteten, verweisen wir dazu auf die beiden -erneut- objektiv und ausführlich darauf eingehenden Artikel der Geisenfelder Zeitung vom Wochenende.

(Link zu „Kommt es zu einem Bürgerentscheid“) (Link zu „Für und Wider Strassenprojekt“)

Folgendes soll aber noch erwähnt werden. Das ein amtierender Bürgermeister die kritische Begleitung seiner Art der Amtsführung durch eine Internetplattform (Bürgersicht.de) als persönliche Beleidigung empfindet, dabei anonyme Kommentare absichtsvoll nicht als Beiwerk sondern als Hauptbestandteil dieser Seite sieht, mag seiner Art der Realitätswahrnehmung geschuldet sein.

Wenn er dann noch dem Betreiber dieser Seite bei einer Abstimmung auf dieser Bürgerversammlung die Frage stellt, ob der „IHM vertraue“ muss man, nicht nur angesichts des bis hierher geschilderten, diese Frage als „Bürgersichtler“ schlichtweg mit „NEIN“ beantworten. Wie solle man diese Frage auch mit ja beantworten können?

Hatte er doch auf dieser Bürgerversammlung eine Auflistung mit Zahlen der aktuell in Geisenfeld lebenden 9879 Einwohner präsentiert, um damit den über Jahre ungebrochenen stetigen Zuwachs zu dokumentieren. Dabei hatte er, fast genau ein Jahr zuvor, bereits über 10 Tsd. Einwohner gezählt. Zumindest behauptete er das in einem Grußwort eines regelmäßig erscheinenden Infoblattes. Zwischen den beiden Zeiträumen gab es aber keinen unerklärlichen Bevölkerungsschwund. Die Anfang des Jahres 2009 von ihm genannten Zahlen waren schlichtweg einfach nur falsch!

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Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sollte sich ihr Umgang mit Bürgerinformationen nicht dramatisch zum Besseren ändern, werde nicht nur ich, sondern zukünftig noch mehr Bürgerinnen und Bürger Geisenfelds auf die Frage, ob sie ihnen vertrauen, antworten: NEIN Herr Staudter, ich vertraue ihnen nicht!

gez. besch (Bernd M. Schuhböck)

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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