Märchen vom wichtigen Bürgerbus / Teil2

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Mangels Zuspruch verrostet

Ja, die Stadträte haben auf ihrer letzten Sitzung bei der Zustimmung zum Bürgerbus einiges übersehen. Krude Zahlen, Fehler in der Vergangenheit, fehlende kommunale Information und mangelnde Kenntnis über die in Deutschland übliche Subventionspraxis machten eine leichtfertige Zustimmung möglich. Eventuell auch die Angst, Wahlversprechen einzukassieren.

1. Widersprüchliche Zahlen

Auf Nachfrage von „Bürgersicht“ kristallisierte sich zumindest eines heraus: Dass sich die von der Verwaltung vorgelegten Zahlen innerhalb von nur zwei Seiten widersprachen, dürfte keinem der 20 „normalen“ Stadträte aufgefallen sein!

Auf Seite 1 vermerkt die Verwaltung eine Gesamtzahl von 418 Fahrgästen. Summiert man jedoch die Zahlen aus der Tabelle auf Seite 2, ergeben sich plötzlich 676 Fahrgäste (338 Fahrgäste werden ja wegen einer eventuellen Rückfahrt verdoppelt)

2. Fehlende Zustimmung in der Vergangenheit

Beschlossen wurde der Bürgerbus auf einer Ratssitzung im März letzten Jahres. „ Der Stadtrat beschließt, die Einrichtung des Bürgerbusses umzusetzenAlle Fraktionen hatten dies schließlich im Wahlkampf versprochen. Bei der Abfassung dieser „Willenserklärung“ dürfte den Stadträten jedoch entgangen sein, dass sie mit dieser „unscharfen“ Formulierung der Verwaltung einen Freibrief erteilten.

Dieser Verwaltung ging nämlich erst zwischen März und August ein für die Umsetzung notwendiges Licht auf. Ein „Bürgerbus“ braucht die Genehmigung der Regierung von Oberbayern. Als diese vorlag,(Probebetrieb für ein halbes Jahr) setzte man im November 2009 den „Bürgerbus“ auf 4 Linien in Marsch.

Weder Bürger noch Stadträte erfuhren offiziell etwas über die Hintergründe eines „Bürgerbus auf Probe“. Öffentlich wurde dieser Umstand erst, als der Bürgermeister auf den im Frühjahr 2010 abgehaltenen Bürgerversammlungen über die mäßige Akzeptanz einiger Bürgerbuslinien referierte. Die dazugehörige Vortragsfolie vermerkte, weitgehend unbeachtet, verschämt das Wort „Probebetrieb“.

Ein halbes Jahr Probebetrieb war vorbei, Linien wurden „optimiert“ (eingestellt oder anders getaktet) und so holte man sich erneut eine Genehmigung für ein weiteres halbes Jahr bei der Regierung von Oberbayern. Vom Stadtrat wurde dazu weder die Zustimmung eingeholt, noch wurde er über das Handeln der Verwaltung unterrichtet!

Als sich auch dieses weitere halbe Jahr dem Ende zuneigte, und danach keine halbjährige Verlängerung, sondern nur noch eine Genehmigung für gleich 2 Jahre zu bekommen war, wollte man sich diesen Zeitraum besser doch vom Stadtrat genehmigen lassen. Augenscheinlich wollten der Bürgermeister und seine Verwaltung soviel Unkosten nicht mehr eigenmächtig verantworten.

Dazu legte man den Stadträten das oben angeführte Zahlenmaterial vor. Nachrechnen wollte offensichtlich keiner -„man muss doch der Verwaltung trauen können„- und so geistern nun die Bürgerbusse weitere zwei Jahre durch die Geisenfelder Finanzen.

3. Gut geführte Städte und Gemeinden machen es verantwortungsvoller.

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151 Bürgerbusprojekte gibt es derzeit in Deutschland. 17 davon in Bayern. Überwiegend von Vereinen und privaten Initiativen geführt. Erfolgreiche Projekte laufen in Schrobenhausen, und bis Ende August drehte auch in Herrsching am Ammersee, einer Gemeinde mit vergleichbarer Einwohnerzahl (etwas über 10.000 Einwohner) ein Bürgerbus seine Runden.

Die Herrschinger Gemeinderäte schickten ihren Bus im Oktober 2009 erstmals in ihren Ortsteilen für ein halbes Jahr auf die Reise. Beobachteten dabei die Akzeptanz und beschlossen am 25. Januar, nach einer von der Verwaltung durchzuführenden Streckenoptimierung, den Probebetrieb für ein weiteres halbes Jahr zu verlängern. Nach der endgültigen Bewertung in der Stadtratssitzung vom 25. Juli stellte man, wegen mangelnder Akzeptanz, den Betrieb ein. Die Benutzerquote lag in Herrsching ähnlich niedrig wie in Geisenfeld, wobei die Fahrkartensubvention, auf Grund der unter der Woche täglich fahrenden Linien, über der von Geisenfeld lag (20,-€)

Der dortige Gemeinderat war der Meinung, viele kleine Ausgaben -zumal mit umstrittenen Nutzwert- ergeben am Ende einen zu großen, überflüssig ausgegebenen Gesamtbetrag.

4. Der Kostendeckungsgrad im „Öffentlichen Personen Nahverkehr“.

Wo hört der Spaß auf, und wo beginnt der Ernst, besser gesagt, die Ernsthaftigkeit vertretbarer Finanzierungsmöglichkeiten?

Der Kostendeckungsgrad für den ÖPNV liegt in Deutschland bei durchschnittlich 70%. Das heißt, die 30-prozentige Unterdeckung, also der Teil, der nicht durch den Fahrkartenverkauf erlöst werden kann, wird durch Zuschusse ausgeglichen.

Je weiter sich der Prozentsatz der Unterdeckung von den noch als „gesund“ zu betrachtenden 30 Prozent entfernt, desto unverantwortlicher erscheint das Aufrechterhalten dieser Fahrkartensubvention.

Setzt man nun die bisher aufgelaufenen Betriebskosten für den Geisenfelder Bürgerbus ins Verhältnis zu den Einnahmen, ergibt sich zwar nur ein -in absoluten Zahlen ausgewiesener- kleiner Unkostenbetrag von 6941 Euro, jedoch ein im Verhältnis zu den Einnahmen von 209 Euro stehender Kostendeckungsgrad von 3 Prozent. Das ist eine „Unterdeckung“ von 97 Prozent!

Das ist nicht nur „ungesund“, sondern im höchsten Maße unverantwortlich!

Verantwortungsvolle Stadträte sitzen nicht im Stadtrat, um unsinnige „Wahl-Geschenke“ einzulösen. Der Bürger erwartet, dass mit „seinem“ Geld verantwortungsvoll umgegangen wird und der Stadtrat seiner Aufsichtspflicht gegenüber der Verwaltung nachkommt. Noch ist Zeit, dieser Verantwortung nachzukommen.

Andernfalls wird der mündige Bürger die „zentralistischen“ Bestrebungen des Landtags unterstützen, wonach demnächst Stadt- und Gemeindeparlamente -mangels ausreichendem Sachverstand- nur noch für die Überwachung und Genehmigung von Hasenzüchtervereinen zuständig sein werden.

Unverantwortlich handelnde Bürgermeister und Stadträte sind eine Schande für die kommunale Selbstverwaltung und damit so überflüssig wie ein Kropf!

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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