Geisenfeld. Der andere Jahresrückblick 2010

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Die guten Zahlen. Von gestern.

Diese mageren Zahlen sollten die Bürger aktuell beruhigen, taten es jedoch im Vorfeld schon nicht. Könnten die Einnahmen oder Ausfälle bei Einkommens- und Gewerbesteuer noch einen Bezug zur aktuellen Steuersituation des ausklingenden Jahres 2010 haben (was sie aus vielerlei Gründen aber nicht haben können) so sind die Angaben zu Schulden und Rücklagen der alte Hut aus der statischen Festschreibung des im Frühjahr 2010 aufgestellten Haushalts.

Schon damals stand fest, dass die Rücklagen das Jahresende 2010 in dieser Höhe nicht erleben würden. Der Trick dabei, dem Bürger etwas vorzugaukeln, ist simpel.

Spricht man in der Kommune von „Rücklagen“, setzt der durchschnittlich haushaltende Bürger das mit seinem eigenen,“unverplanten Sparguthaben“ gleich. Sollte zum Beispiel bei ihm im Haushalt die Waschmaschine den Geist aufgeben, der Urlaub dieses Jahr etwas pompöser ausfallen oder das neue Handy doch ein Smartphone werden, so begleicht er dies aus seinen angesparten Rücklagen. Der Gewerbetreibende kennt Rücklagen eventuell aus seiner Bilanz und kommt damit der kommunalen Begrifflichkeit schon etwas näher. Er bildet Rücklagen für sich abzeichnende oder erwartete Risiken. Treten die nicht ein, kann er die Rücklagen auflösen, die Beträge also wieder für andere, neue Zwecke verwenden.

Doch in Kommunen steht der Begriff  „Rücklagen“  für überwiegend „verplantes Geld“, mit dem bereits geplante oder genehmigte Vorhaben finanziert werden müssen. Ersetzt man nun den vom Bürgermeister angeführten Begriff „Rücklagen“, durch das Wort „Augenwischerei“, ist man ein gutes Stück näher an der Wahrheit des kommunalen Haushalts.

Aus den oben angeführten Rücklagen in Höhe von 5,1 Millionen Euro (genauer 5,064 Millionen) waren im laufenden Jahr Entnahmen von 3,717 Millionen vorgesehen. Der voraussichtliche Stand der Rücklagen wurde für Ende 2010 mit 1.346.821,- Euro im städtischen Haushalt bilanziert.

(Sollten die für das Jahr 2010 geplanten Ausgaben z. B. wegen Bauverzögerungen noch nicht anfallen, so werden sie die Rücklagen eben erst im nächsten Jahr durch Entnahmen belasten. Da man verplantes Geld nur einmal ausgeben kann, steht es in Wirklichkeit für andere Projekte nicht mehr zur Verfügung. Es wird sogar viel weniger.

Beispiel Baumaßnahme „Gadener Straße“:

Solange man die „Gadener Straße“ nicht fertig baut, solange bleibt das dafür vorgesehenes Geld in den Rücklagen zwar als „Haben“ ausgewiesen. Jedoch mit zwei bösen, gerne verschwiegenen Nebeneffekten. Erstens: Einem ungeschriebenen Gesetz zufolge, werden Straßen zwischen Planung und Bauausführung im monatlichen Rhythmus teurer. Jede Verzögerung schlägt mit erhöhten Kosten in der Schlussrechnung durch. Zweitens: Bekommt man für den Bau der „Gadener Straße“ einen zeitlich befristeten Zuschuss, so wurde der zwar Anfangs als Kostenmindern in voller Höhe einplant, wird aber wegen der Bauverzögerung in dieser Höhe nicht mehr an die Stadt gezahlt werden. Der Zuschuss wird demnächst komplett verfallen.

Was vordergründig als schöne Zahl bei den „Rücklagen“ wirken soll, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als „Potemkinsches Dorf„. In Wahrheit verbirgt sich hinter einer imposant wirkenden großen Zahl eine mickerige)


Ein enormer Unterschied zu den 5,1 Millionen Euro, die der Bürgermeister am Jahresende „seinen“ schlecht unterrichteten Bürgern verkündete. Diese Diskrepanz kann man auch nicht als „prosoziale Lüge“ abtun. Statt wohlmeinender Flunkerei wird hier aus Bequemlichkeit und taktischem Kalkül den Gemeindebürgern etwas vorgemacht.

Solange in Geisenfeld Haushaltszahlen wie Herrschaftswissen behandelt werden, solange Haushalt und Haushaltssatzung der Gemeinschaft vorenthalten, also nicht veröffentlicht werden, solange kann der Bürger davon ausgehen, vom Bürgermeister mit ihm genehmen Zahlen abgespeist zu werden. Zur Erinnerung: Bei dem Geld, mit dem im Rathaus hantiert wird, handelt es sich um Eigentum der Geisenfelder Bürger.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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