Geisenfeld. Der andere Jahresrückblick 2010

Lesedauer 28 Minuten

Lebens(t)raum Geisenfeld oder die familienfreundliche Stadt

Jede Kommune muss bestimmte Aufgaben erledigen. Im Gegensatz zu freiwilligen Leistungen, bei der sie beispielsweise allein entscheiden kann ob sie Sportplätze, Gewerbeansiedlungen oder ein Theater baut, hat sie keinerlei Wahlfreiheit bei staatlich vorgegebenen Aufgaben. Kinderkrippen, Kindergärten und Horte gehören in diese Kategorie.

Sogenannte „pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben“ passen jedoch nicht so gut in das Bild eines agilen Bürgermeisters einer kommunalen Selbstverwaltung. Das „Selbst“ sollte schon im Vordergrund stehen. Selbst erdacht, selbst gemacht. Und so verpasst man den Pflichtaufgaben eine etwas andere Deutung und spricht im Jahresrückblick davon, „unseren Anspruch einer familienfreundlichen Stadt haben wir 2010 konsequent mit der Erweiterung der Kinderkrippe vorangetrieben“. Klingt nach „selbst gemacht“ und verschweigt „das mussten wir“.

Es ist aber auch nicht leicht für den Bürgermeister einer Klein(st)stadt durch seine Amtsgeschäfte Bedeutung zu erlangen. (sofern er das braucht) Verwendet man nun für Geisenfeld weiterhin die Bezeichnung Stadt, oder verleiht der Gebrauch des Wortes „Großgemeinde“ dem Stadtvorsteher doch mehr Größe?

Eventuell hilft dabei auch reges Ausweisen von Baugebieten und ein neu erschlossenes Gewerbegebiet? Hin und wieder einem Verein etwas mehr Geld als üblich für ein neues Vereinsheim zu verschaffen? Dem Einen baurechtlich etwas zu erlauben, was man im gleich gelagerten Fall einem Anderen nie gestatten würde? Immer sachlich gebotene Beschlüsse fassen? Nicht immer, wie man weiter unten noch sehen wird!

Jeder Mensch hat Träume, also auch ein Bürgermeister. Warum er jedoch einen seiner Jahresrückblicke mit „Lebens(t)raum Geisenfeld“ betitelt, dafür bleibt er auch diesmal die Begründung schuldig. (diese Komposition von Substantiven gebrauchte er bereits früher)

Dass es für ihn ein Lebenstraum gewesen sein sollte, in Geisenfeld Bürgermeister zu werden? Wollte er das damit ausdrücken? Oder lag da einfach ein unbenutzter Buchstabe rum, und er versuchte damit, dem Wort Raum einen witzigen oder bedeutungsvollen Mehrwert zu geben?

Sollte es der Wunsch unzähliger Menschen in Deutschland sein, sich ihren Lebenstraum zu erfüllen und nach Geisenfeld zu ziehen? Warum, und das ist die bange Frage des Verfassers dieser Zeilen, warum fährt dann keiner an unserer Autobahnausfahrt raus, fährt stattdessen auf der Autobahn weiter und sucht sich eine Wohnung in München?

Geisenfeld ist eine kleine Stadt in der ländlich geprägten Hallertau. Und als solche die Heimat von hier geborenen, zugezogenen oder einfach nur hängen Gebliebenen. Hier wird man, genau wie anderswo, nur wenige finden, deren ausgesprochener Lebenstraum es ist, in Geisenfeld zu leben. Hier lebt man, weil man entweder muss, (Arbeit) weil man sich hier wohl fühlt (Menschen) oder weil das Urbane noch nicht so erdrückend ist (Natur). Alles kein Lebenstraum, aber einiges davon enthalten. Die Lebensqualität wird von vielen Faktoren bestimmt, aber sicher nicht von einem Bürgermeister, der den Wohlfühlcharakter einer Provinzstadt mit überdimensionierten Worthülsen aufbläst! Doch das ist das Schöne am Leben in einer Kleinstadt, vermeintlich Wichtiges wird völlig unaufgeregt dort eingeordnet, wo es hingehört. „Wenn Dir ein Vogel auf den Kopf kackt, denke immer: WIE GUT, dass Kühe nicht fliegen können!“.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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