Geisenfeld – Hoffnung City Maut?

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Sollte das angelaufene Planfeststellungsverfahren für die „Nordumfahrung“ scheitern, was dann? Versinkt Geisenfelds Innenstadt danach im Verkehrschaos? Wer die Arbeit im Geisenfelder Stadtrat kennt, darf mit ungewöhnlichen Vorschlägen rechnen.

Der Verkehr in Geisenfeld muss mörderisch sein. Diesen Eindruck durfte zumindest Staatsminister Zeil bekommen, als der amtierende Bürgermeister in einem an ihn adressierten Brief von „tödlichen Verkehrsunfällen“ als Folge einer fehlenden Umgehungsstraße lamentierte. Das der Bürgermeister hier im Übereifer für eine von ihm als „alternativlos“ erkannte Umfahrung Geisenfelds vor einer makabren Übertreibung nicht zurückschreckte, dürfte dem Minister entgangen sein.

Entgangen war dem Großteil der Einwohner Geisenfeldes zunächst auch die völlig aus der Luft gegriffene Behauptung, dieses Straßenbauprojekt „Umgehungsstraße“ werde von allen Bürgern gewünscht. Angeblich sei nur eine vernachlässigbare „Handvoll Idioten“ dagegen. Zumindest konnte man diese „Information“ unwidersprochen der örtlichen Heimatzeitung entnehmen. Und was in der Zeitung steht, so die bis dahin vorherrschende Annahme, kann ja nicht so falsch sein.

Diese Annahme änderte sich schlagartig, als etwas mehr als eine „Handvoll“ Bürger sich in der veröffentlichten Sichtweise in der Zeitung nicht wiedergegeben sahen. Ein Alternativmedium musste her! Die Geburtsstunde von „Bürgersicht“ war gekommen.

Plötzlich konnte man sich ein über die Sichtweise des Bürgermeisters hinausgehendes Bild über die Vorgänge um die angedachte Umgehungsstraße machen. Nun konnte man sich informieren über verkaufsunwillige Grundstückseigentümer, Alternativveranstaltungen, eine Landtags-Petition, brodelnden Bürgerunwillen und eine bröckelnde Zustimmung im Geisenfelder Stadtrat.

Doch die Mehrheit im Stadtrat hielt. Zumindest bei Abstimmungen. Was man sich dort nicht traute, im privaten Kreis sind die Absetzbewegungen mehrheitsfähiger. Nicht wenige der Stadträte hoffen auf einen für sie gesichtswahrenden Ausgang, erwarten ein durch Einsprüche scheiterndes Planfeststellungsverfahren. Man habe schon zu viele Ungereimtheiten mitgetragen. Doch öffentlich dagegen Position ergreifen? So viel Rückgrat dürfe man dann doch nicht erwarten!

Ob die Bürger von Geisenfelder Stadträtinnen und Stadträten die Korrektur dieses Haltungsschadens überhaupt erwarten?

Eher würde man nach dem Scheitern des Planfeststellungsverfahrens mit einer neuen Idee aus dem Stadtrat rechnen. Wer Rechnungen mit Spendenquittungen gleichzusetzten im Stande ist, wer Kostenschätzungen für Neubauten nicht abwarten will, sondern auch ohne für Neubau stimmt, wer bei einer Sporthalle die Kosten für die Mehrzweckausstattung versemmelt und wer Jahre braucht, um zur simplen Erkenntnis zu gelangen, Nahversorger dort zu belassen wo Bürger „nah“ versorgt werden wollen, für den dürfte es ein leichtes sein, bahnbrechendes zu fordern.

Zum Beispiel die City-Maut für Geisenfelds Innenstadt.

Bei der für Superlative besonders aufgeschlossenen Stadtverwaltung wird folgendermaßen argumentieren: Was London hat, hat Geisenfeld schon lange. Den unerträglichen Verkehr in der Innenstadt. (Oder im Bürgermeisterdeutsch: Im historischen Stadtkern).

Hatte man diese Belastung als „bürgerfreundliche“ Stadt schon ungern ertragen, nach der Weiterentwicklung zur „familienfreundlichen“ Stadt bereits die überbordende Verkehrsbelastung erkannt, so sei man nun, besonders seit man es auf der städtischen Homepage propagiert, als „jugendfreundliche“ Stadt geradezu verpflichtet, die nachfolgende Generation zu schützen und müsse diese einmalige „historische Chance“ beherzt ergreifen. Nach Jahren freiwillig auferlegter Untätigkeit müsse man endlich verkehrsberuhigende Maßnahmen ergreifen.

Wer zukünftig mit dem Auto in/durch die Innenstadt will, muss dafür zahlen!

In einer darauffolgenden Stadtratssitzung wird der in der Beschlussvorlage vorgeschlagene Mautbetrag von 3 Euro lebhaft diskutiert. Darüber „vergisst“ man die Tatsache, dass innerstädtischer Verkehr in erster Linie von Stadtbewohnern verursacht, die Attraktivität der Innenstadt unter dieser Maut weiter verringert wird und geeignete Ausweichmöglichkeiten fehlen.

Eine für den Stadtsäckel attraktiv ausfallende Überschlagsrechnung gibt schließlich den Ausschlag: Mit Mehrheit stimmen die vollzählig anwesenden Stadträte für die Maut. (Vollzählig deshalb, weil diese Debatte eine günstige Gelegenheit offeriert, ohne Fachkenntnisse langatmig über „gefühltes“ schwadronieren zu können )

Nachtrag I:
Einige Tage nach der Stadtratssitzung kommt Post von der Rechtsaufsicht des Landratsamtes. Man bitte zum wiederholten Mal, den Geisenfelder Stadtrat zu den von der Aufsichtsbehörde kostenlos angebotenen Kurs für „rechtskonforme Stadtratsarbeit“ zu schicken. Man sei „sehr beunruhigt“ über das Zustandekommen dieses „Maut-Beschlusses“. In Deutschland existiere keine Rechtsgrundlage für eine City-Maut!
Nachtrag II:
Sofern es nicht gleich erkennbar ist: Oben stehendes hatte „satirischen Charakter“.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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