Hinweisgeber beim „Aufdecken“ schützen

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Hygienemängel bei Müller-Brot, Dioxin in Hühnereiern, Gammelfleisch in Lebensmitteln, verseuchte Babysalbe beim Pharmakonzern GlaxoSmithKline und die illegalen Parteispendentricks der CDU. Vieles davon wäre nie aufgedeckt worden, gäbe es nicht besorgte, im Gemeinsinn selbstlos handelnde Hinweisgeber. Doch sogenannte „Whistleblower“ riskieren damit ihren Arbeitsplatz. Das soll sich nun ändern.

Was man im latent obrigkeitshörigen Deutschland als Nestbeschmutzung schmäht, gilt in anderen Ländern als couragiertes, beispielhaftes Verhalten. In den Vereinigten Staaten von Amerika, dort werden „Whistleblower“ durch einen „Protection Act“ geschützt, ging man einen Schritt weiter. Das Magazin „TIME“ zeichnete im Jahr 2002 3 Hinweisgeber als „Persons of the Year“ aus.

(Zum Artikel (engl) auf Bild klicken)

Obwohl sich die Bundesregierung am 12.11.2010 auf dem G20 Gipfel in Seol in der Abschlusserklärung verpflichtete, dass „die G20 Staaten bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower Schutz erlassen und umsetzen“ geschah bisher nichts.

Mitarbeiter, die wegen rechtswidriger oder gemeinschädlicher Handlungen ihres Arbeitgebers zum Beispiel beim Staatsanwalt Alarm schlagen -nachdem sie betriebsintern erfolglos um Abhilfe nachsuchten- können gekündigt werden.

Alarm schlagen verstößt bislang gegen die Treupflicht gegenüber dem Arbeitgeber

Das deutsche Arbeitsrecht stellt mit der „Treuepflicht“ des § 242 BGB, den Schutz des eigenen Unternehmens vor den Schutz der Öffentlichkeit. Dieser Notausgang für alle Dinge, die nicht speziell in einem Vertrag oder in den anderen Paragrafen des BGB behandelt werden, verpflichtet in Verbindung mit einem Arbeitsvertrag in einer „Nebenpflicht“ den Arbeitnehmer zur Rücksichtnahme auf die Arbeitgeberinteressen.

Darunter fällt auch die Verschwiegenheitspflicht. Mitteilungen und Informationen, die den Ruf oder die Kreditwürdigkeit des Arbeitgebers schaden könnten, müssen betriebsintern bleiben. Ein Gebot des betriebsfördernden Verhaltens!

Änderung des „Maßregelungsverbot“, § 612a, BGB

Die dringend gebotene Abhilfe soll nun ein „Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern“,eine Änderung des § 612a BGB im Labyrinth des deutschen Arbeitsrechts bringen.

(In Deutschland gibt es kein „Arbeitsgesetztbuch“. Die dafür angewandte Rechtsfindung stützt sich dabei auf Gesetze und Verordnungen, angefangen beim Grundgesetz, über das Bürgerliche Gesetzbuch, die Sozialgesetzbücher, die Gewerbeordnung bis zur Zivilprozessordnung.(ca. 90)

Nach den Vorstellungen der bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten und Rechtsanwältin Anette Kramme wird die SPD-Fraktion im Bundestag einen Gesetzentwurf dazu vorlegen.

Gegenwärtig besteht eine große Rechtsunsicherheit darüber, in welchen Situationen Arbeitnehmer berechtigt sind, sich bei Missständen im Betrieb an eine außerbetriebliche Stelle zu wenden und wann ein solches Verhalten eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt.
Zunächst geht es daher um die Frage: Wann soll der Schutz eines Whistleblowers greifen? Nach Meinung der SPD immer dann, wenn es um Gesetzesverstöße, also um Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten geht, aber auch um Fälle, in denen Leib und Leben oder Umwelt gefährdet sind, selbst wenn kein Verstoß gegen das Gesetz vorliegt„.

(Anmerkung des Verfassers: Im Lebensmittelrecht werden Verstöße meistens als Ordnungswidrigkeit gewertet)

Whistleblowerpreis

Seit 1999 wird in Deutschland alle zwei Jahre ein internationaler Whistleblower-Preis vergeben. Der Preis wurde von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und der Deutschen Sektion der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) gestiftet.

Preisträger 2011: Dr. Rainer Moormann

Unter Inkaufnahme beruflicher Nachteile hatte er maßgeblich dazu beigetragen, dass das mit Kugelhaufen-Reaktoren verbundene Risikopotenzial in einem neuen Licht erscheint. Der Mythos der „inhärenten Sicherheit“ dieses Reaktor-Typs ist erschüttert. Seine Hinweise begründen zudem den Verdacht, dass wesentliche Umstände und Folgen des 1978 erfolgten Störfalls im Reaktor Jülich bisher verschleiert worden sind.

Preisträger 2009: Rudolf Schmenger / Frank Wehrheim -ehemalige Steuerfahnder

Die Frankfurter Steuerfahnder und Whistleblower wurden mit Gefälligkeitsgutachten zwangspensioniert weil sie sich gegen eine Amnestie für Steuersünder durch die Hintertür ausgesprochen hatten.

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Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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