Stadtbücherei- Das vaterlose Online-Baby

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Werden in Geisenfeld Zahlen veröffentlicht, ob aus öffentlicher oder willfähriger Quelle, schalten Bürger seit geraumer Zeit in den „Aufgemerkt„-Modus. Stehen diese Zahlen auch noch für Geldbeträge, kann sofort in den „Alarm„-Modus hochgefahren werden. Aktuell wurde der Alarm für die städtische Bücherei ausgelöst! Genauer: Bei deren Online-Anbindung.

In der folgenden Geschichte geht es nicht um Sinn oder Unsinn dieser Online-Anbindung -für beides ließen sich überdenkenswerte Argumente finden- nein, die Vorgehensweisen sind es, die rote Lampen leuchten lassen:

Zahlenspiele-Auftragsvergabe -nicht ausreichender Geldbeträge -abnicken jährlicher Folgekosten -und das ganze unter einer Haushaltsposition verkauft, die es nicht gibt und eventuell nie geben wird. 

Das Zustandekommen der Online-Anbindung für die Geisenfelder Bücherei zeigt erneut die undurchsichtige Arbeitsweise im Geisenfelder Rathaus und die sie begleitende Berichterstattung. Ging es hierbei, im Gegensatz zu manch „höherpreisigen“ städtischen Ausgabe der vergangenen Monate, „nur“ um einen kleineren Betrag im mittleren vierstelligen Bereich, so bleiben die Vorgänge dennoch fragwürdig.

„Wer den Pfennig nicht ehrt ……“

In einer Kommune, in der zum Beispiel ein zum dritten mal stattfindender Stadtball (2009) bereits zur Tradition erhoben wird, sollten traditionelle Werte auch anderweitig Gültigkeit haben. „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“ klingt zugegeben sehr altbacken, doch entspringt dieses Sprichwort der Tradition, demjenigen keinen größeren Geldbetrag anzuvertrauen, der schon mit kleineren nicht umzugehen weiß.

Frei vom Zweifel an der eigenen Bedeutsamkeit spreizt sich Geisenfelds derzeitiger Bürgermeister in dieser Sache erneut als Einzelkämpfer ohne Auftrag, und die örtliche Berichterstattung folgt willig seinen Interpretationen, statt für die Bürger die offensichtlichen Ungereimtheiten zu hinterfragen.

Hatte die hiesige Zeitung dabei doch selber versucht Politik zu machen, indem sie im Mai mit der Frage „Stadtbücherei: Kommt endlich Onlineanbindung?„, den dramatischen Eindruck erweckte, als ginge es in Geisenfeld um eine seit Jahrzehnten überfällige, aber immer noch ausstehende Elektrifizierung heimischer Haushalte. Büchereien mit Online-Zugriff seien „längst Selbstverständlichkeit“ stand da zu lesen. Eine vollkommen überzogene Einschätzung. (siehe Kasten: Welche Bücherei im Landkreis ist online

Die Vorgeschichte

Die Mehrheit im Stadtratsgremium wollte eine Online-Anbindung nicht finanzieren. Schon gar nicht der Bürgermeister. Erst recht nicht, weil diese Angelegenheit auf keiner Tagesordnung stand. Auf der Tagesordnung stand zwar eine Angelegenheit der Bücherei, doch ging es dabei -auf der Gremiumssitzung vom 22. April 2010- um die „Übertragung von Befugnissen an die Leiterin der Stadtbücherei„, ob diese über Anschaffungen im Rahmen des Bücherei-Budgets in Höhe von 9.500 Euro selbstständig entscheiden dürfe. Anschaffungen für Medien wohlgemerkt! (Wurde einstimmig so beschlossen)

Doch Stadträtin Gerda Hetzenecker ging dieser Tagesordnungspunkt nicht weit genug. Abseits der Tagesordnung und gegen die Gepflogenheiten der für ihre Arbeit als Stadträtin geltenden Geschäftsordnung (Debattieren zur Sache, Anträge nur zur Geschäftsordnung) wollte sie auch das „Online“-Problem der Bücherei behandelt wissen.

Unter dem Tagesordnungspunkt „Befugnisübertragung für die Büchereileiterin“ könne man doch auch gleich den Service der Bücherei ansprechen, und dessen Ausbau mit einer Online-Anbindung zur bequemen Verfügbarkeitsprüfung auf den Weg bringen, so die Stadträtin.

[stextbox id=“info“ caption=“Welche Bücherei im Landkreis ist online?“]Von den auf der Internetseite des Landkreises Pfaffenhofen aufgelisteten 15 öffentlichen Büchereien haben 5 eine eigene Homepage mit „Online-Service“ für Nutzer. (inkl. Geisenfeld)  [/stextbox]

Bürgermeister und Stadtratskollegen gaben ihr darauf zu verstehen, dies sei nicht die geeignete Vorgehensweise um das Thema auf die Tagesordnung zu bringen. „Dann stelle ich eben jetzt einen Antrag dazu„, gab sich die Stadträtin kämpferisch. Auch das ginge so nicht, bedeute ihr der Bürgermeister. Einen Antrag könne sie erst nach der Sitzung dazu stellen. „Den Antrag stelle ich dann aber auch“ schmollte es abschließend aus Hetzeneckers Richtung. Das Thema war beendet, der nächste -reguläre- Tagesordnungspunkt konnte behandelt werden. (Ein diesbezüglicher Antrag wurde bis dato im Stadtrat nicht behandelt)

Im später dazu erstellten Protokoll dieser Sitzung (22. April 2010), nun in Wortwahl und Ablauf gegenüber der Realität etwas „aufgehübscht“, liest sich das folgendermaßen: (Auszug)

(Anmerkung: Wir zitieren hier aus der ausführlichen „original“ Niederschrift, nicht aus der abgespeckten, für uns einfache Bürger erstellten und im Internet veröffentlichten Kurzversion. Dank dafür an unsere Freunde vom „voralpenländischen Verfassungsdienst“)

„StRin Hetzenecker:

Mit Geisenfeld vergleichbare Städte haben als Service .. eine Online-Bücherei. Frau Missbrand (Anmerkung: Zuständig für die städtische EDV im Rathaus) …meinte…es würden einmalige Kosten in Höhe von 1.900,– € für die Einrichtung anfallen….für die Nutzung werden 450,– €/jährlich erhoben….die Angestellte der Bücherei Manching …ist sehr zufrieden mit diesem Programm.

Herr Bgm. Staudter:

Der Kauf des Programms und die jährlichen Kosten müssen im Rahmen des Budgets gedeckt werden. Dieses wird nicht aufgestockt. Ich halte die Online-Bücherei für eine sinnvolle Einrichtung und werde die Anregung weiter geben“

(Auszug Ende)

1. AHA: Bürgermeister vergleicht Äpfel mit Birnen

Was der Bürgermeister da in der Niederschrift schreiben ließ, wurde nie gefordert! Eine schlichte, im Gremium mündlich vorgebrachte „Online Anbindung“ der Bücherei, wurde bei ihm, in der schriftlichen Zusammenfassung zur „Online-Bücherei„. An wen wollte er diese nie gegebene „Anregung“ weiter geben? Etwa an Google?

Was Geisenfelds Bürgermeister als Internet-User so drauf hat, konnte man bei dem von ihm beförderten „Google-Street-View“-Beschluss verfolgen. „Die Problematik war mir nicht bewusst„. Als sie ihm aber von interessierter Seite näher gebracht wurde, fabulierte er munter drauf los: Verwechselte die Google-Street-View-Seite mit anderen, darauf aufbauenden Content-Seiten („Da werden Leute zur Schau gestellt„) und bezog gleichzeitig die rechtlich unhaltbare Position, als Stadt pauschal „einen Eingriff in die Privatsphäre“ aller Bürger vereiteln zu müssen.

Der damaligen Überschätzung folgte also nun der „Äpfel mit Birnen“-Vergleich. „Online-Büchereien“ sind etwas gänzlich anderes als eine „Online-Anbindung. Im Gegensatz zu Ersterem, kann man sich bei einer online angebundenen Bücherei Ausgesuchtes nicht als digitale Datei auf die eigene Festplatte laden, sondern nur deren Bestand einsehen, sich gegebenenfalls zur Ausleihe vormerken und muss die gewünschten Medien als Hardcover persönlich abholen und nach Hause tragen. (siehe Kasten)

[stextbox id=“info“ caption=“Was ist eine „Online-Bücherei“?“]Aus einer Online-Bücherei (oder Online-Bibliothek) kann man sich als registrierter Nutzer einer angeschlossenen Bücherei sogenannte E-Medien auf seinen Computer laden. Bücher, Tageszeitungen, Musik, Hörbücher oder sogar Videos. Diese liegen auf dem Server der Online-Bibliothek in digitaler, also in Form abspeicherbarer Dateien vor. Urheberrechtsverletzungen, zum Beispiel durch unerlaubte Kopien der mittels Download auf den eigenen Computer abgespeicherten Medien werden durch „technische Schutzmaßnahmen“ verhindert. (z.B. DRM-Systeme und digitale Wasserzeichen)[/stextbox]

Regelmäßige Leser von Bürgersicht dürften nicht sonderlich überrascht sein. Zu den bereits bekannten Defiziten des Geisenfelder Bürgermeisters kommt eben ein weiteres hinzu. Die Welt des Internets ist die Seine nicht. (wenn er aber unbedingt darüber reden möchte, sollte ihn jemand dabei ans Händchen nehmen)

2. AHA: Zahlen kommen in Bewegung

Einen Monat später kam Bewegung in die Sache. Am 15. Mai zitierte die Heimatzeitung die Mitarbeiterin der Bücherei, man könne die „Anschaffung des Bibliothekenprogramms „ausnahmsweise aus den Jahres- und Säumnisgebühren“ bestreiten. Das wären für 2010 Beträge von 3113 Euro. „Sonderzuwendungen“ werde es keinesfalls geben, so der Bürgermeister im selben Artikel. Derartiges könne allenfalls „aus dem Bücherei-Budget selbst“ finanziert werden. Alternativ wäre aber eine Anschaffung im Jahr 2011 denkbar, um diese dann ordnungsgemäß im Haushalt verbuchen zu können.

Um auf der folgenden Stadtratssitzung, 5 Tage nach dem Zeitungsbericht, den Eingang einer Spende für die Online-Anbindung der Bücherei bekannt zu geben. Der Geisenfelder Förderverein „Bürgering e.V.“ habe dafür 2.300 Euro gespendet erfuhren die Stadträte zwischen der Feststellung, das Geisenfelder Storchenpaar werde dieses Jahr ohne Nachwuchs bleiben, und der Mitteilung, die REWE-Verlagerung sei nicht gestorben. (Zu letzterem: wer es  glaubt?)

Als Beobachter verglich man nun die ursprünglich von der Stadträtin Hetzenecker genannten Zahlen, (1.900 Euro Anschaffung/Einrichtung, Nutzungsgebühr jährlich 450 Euro) mit den Beträgen aus dem Zeitungsbeitrag (Anschaffung 2.300 Euro, jährliche Folgeaufwendungen 540 Euro) und wartete auf die Erklärung des Bürgermeisters, wie es damit weiter geht. Leider vergebens.

Was kostet die Online-Anbindung nun wirklich?

Wie gedenkt man die offensichtlich fehlenden Beträge dafür aufzubringen?

Wartet man mit der Realisierung bis 2011?

Am 21. Oktober wurde Geisenfeld darüber aufgeklärt. „Endlich auch online Zugriff“ meldete die Heimatzeitung.

3. AHA: Wer ist der finanzielle Vater des Online-Babys?

Als habe man ihm gerade das 8. Weltwunder gezeigt, so breit strahlend wird der Bürgermeister beim Blick auf einen Computer Monitor für den Zeitungsartikel abgelichtet.

Die „technologische Steinzeit“ sei für die Geisenfelder Bücherei vorbei, konnte man am 21.Oktober dazu im Artikel lesen. Das Projekt sei mit zwei Spenden in der Gesamthöhe von „fast 3.000 Euro“ durch den Geisenfelder Bürgerring ermöglicht worden. Und um vollends im Ungenauen zu bleiben, vermeldete man noch „insgesamt gut 4.000 Euro“, die die Online-Anbindung gekostet habe. Exakt beziffert wurde nur der kleinere Betrag der „Wartungskosten“: 535 Euro jährlich.

Besonders Aufschlussreich wurde es für den aufmerksamen Leser, als im weiteren Verlauf des Artikels der Bürgermeister zu Wort kam.

Dem Bürgerring gelte Dank, lässt sich der Bürgermeister im Artikel zitieren, dass dieses Projekt nun vorzeitig und mit geringerer Belastung für den Stadtsäckel umgesetzt werden konnte. Und weiter, die Online-Anbindung der Bücherei sei erst für 2011 im Stadthaushalt eingeplant gewesen.

Die schnöde Frage: Wer plant hier für wen?

Mit geringerer Belastung für den Stadtsäckel bedeutet im Klartext, hier wurde nicht mit bereits bewilligtem, etatmäßig zur Verfügung stehendem Geld gearbeitet, (zum Beispiel aus dem laufenden Etat der Bücherei) sondern mit außerplanmäßigem, den Stadtsäckel zusätzlich belastendem Geld. (Wer greift hier, mit welcher Berechtigung, in welchen Topf?)

Welchen „Schattenhaushalt“ meint der Bürgermeister, wenn er vom Stadthaushalt 2011 spricht? Weder gibt es diesen Haushalt derzeit, noch wurde eine diesbezügliche Vorplanung dafür aufgestellt. Geschweige denn vom Stadtrat gebilligt, verabschiedet oder auch nur ansatzweise über die Aufnahme einer Position „Online-Anbindung für die Bücherei“ nachgedacht.

Unstrittig bleibt: Die Spendengelder reichten nicht aus, zusätzliche Gelder wurden benötigt und trotzdem ist die Bücherei seit Ende Oktober online erreichbar.

Zu Fragen bleibt: Wer hat das, mit welcher Berechtigung genehmigt und aus welchem Topf wurde das bezahlt?

Zur Erinnerung: Nicht die Online-Anbindung an sich ist Gegenstand dieser Betrachtung. Die Praxis, die dazu führte, ist das Kritikwürdige.

Interessanterweise gibt es dazu ein empfehlenswertes Buch in der Geisenfelder Bücherei. Nutzt man die durch die Online-Anbindung am heimischen Computer möglich gewordene Schlagwortsuche, „Gesellschaft / Staat oder Politik„, findet man das Buch

Bank-Räuber – Wie kriminelle Manager und unfähige Politiker uns in den Ruin treiben„, von Leo Müller.

In dem im Jahr 2010 erschienen Sachbuch zeichnet der Experte für Finanzkriminalität „die aufregende Kriminalgeschichte der Finanzkrise“ nach. Was in diesem Buch aus der „großen“ Politik berichtet wird, nämlich deren Unfähigkeit mit Geld richtig umzugehen, lässt durchaus auch Rückschlüsse auf das Verhalten einiger kleiner Provinzpolitiker zu.

Deutsche Politiker irritieren die Welt: überheblich, selbstgefällig, inkompetent, ignorant„, kann der geneigte Leser im Buch auf Seite 65 lesen. Und diese Attribute beziehen sich dabei nur auf deren Umgang mit unseren Steuergeldern.

Leider ist dieses Buches derzeit bis 8. November ausgeliehen. Obwohl der Bürger nicht weiß, wie sie finanziert wurde, eröffnet die Online-Anbindung die bequeme Möglichkeit, dem einzig lesenswerten vom heimischen Computer aus nachzuspüren: dem Gedruckten zwischen zwei Buchdeckeln!

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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