Stadtratssitzung Februar 2012 – „Weil man dem Bürgermeister nicht besonders vertraut“

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Er wäre gerade so schön in Fahrt gekommen. Setzte an, einige Stadträte in lauter und überheblicher Art über seine korrekte Arbeitsweise zu belehren, da holte den großsprecherisch auftretenden Bürgermeister ein energisches „Stimmt nicht“ auf den Boden der Tatsachen zurück. Er hatte Fakten einfach zu seinen Gunsten umgedeutet.

Eine gute Stunde behandelte das Gremium in dieser Stadtratssitzung vom 23. Februar 2012 den ersten von insgesamt 20 Tagesordnungspunkten. Die Mehrkosten der „Sporthalle an der Sedelbreite„, wie die 3-Fach-Turnhalle im späteren Verlauf der Sitzung mit einem von mehreren Namensvorschlägen bedacht wurde, machte den Zeitaufwand erforderlich.

Zwei dürre Sätze. Der -sogenannte- Sachvortrag des Bürgermeisters zum Thema.

Möglicherweise sind in der letzten Sitzung einige Fragen (dazu) offen geblieben. Wer möchte eine Frage stellen?“, wandte sich der Bürgermeister an das Stadtratsgremium, und blendete dabei völlig aus, dass er in besagter Stadtratssitzung vom Januar nicht nur einige, sondern alle relevanten Antworten zu angeforderten Zahlen schuldig blieb.

Obwohl dem Bürgermeister genau diese Zahlen schon längere Zeit vorlagen, hatte er sich einen Monat vorher mit der Einlassung „Ich kann ihnen heute keine Zahlen geben“ über einen Antrag der FW-Fraktion hinweg gesetzt, in dem sie die „Vorlage einer Ausstattungs- und Kostenaufstellung für die Mehrzwecknutzung“ für die Januarsitzung forderte.

Doch bevor seine nachlässige Behandlung dieses Themas aus der Januarsitzung ein Fall für die Rechtsaufsicht werden könnte, beeilte er sich für die Februarsitzung die geforderte Aufklärung zu liefern und damit, wenn auch verspätet, dem Willen des Stadtrats zu entsprechen. Zum einen ließ der Bürgermeister allen Stadträten vor der Februarsitzung eine 40-seitige Zahlenaufstellung zugehen, und zum anderen lud er den für die 3-Fach-Turnhalle zuständigen Projektsteuerer, Wolfgang Eichenseher, zur Stadtratssitzung ein.

Ein Ende der Fahnenstange bei Kostensteigerung noch lange nicht erreicht

Mit 2 zusätzlichen Fachmännern und einer Architektin mühte sich der Projektsteuerer, die aus den Reihen der Fraktion der Freien Wähler (FW) benannten Ungereimtheiten plausibel zu erklären. Mit minderem Erfolg. Selbst die noch ausstehenden anfallenden Kosten für die Ausstattung und das Blockheizkraftwerk konnten nicht benannt werden. (Nach Ansicht von Bauexperten würden zum Beispiel  für Stühle, Beschallungsanlage, Bühnentechnik usw. weitere 100.000 bis 150.000 Euro anfallen)

Einzig der Kostenschlüssel für die 3 am Bau beteiligten Träger ist transparent. Von den gesamten Baukosten (derzeit 5,83 Mio. Euro, inkl. Mehrzweckausstattung) trägt die Stadt Geisenfeld 41,34 Prozent, der Landkreis 31,73 Prozent und der Verein für das behinderte Kind 26,92 Prozent.

Selbst die Verteidigungshaltung des Bürgermeisters, er habe in Sachen 3-Fach-Turnhalle „zügig informiert„, geriet zum Rohrkrepierer -er setzte gerade an, mit großer Geste und anschwellender Stimme einen nicht erhobenen Vorwurf „zurück zu weisen„- als ihm aus den Reihen der FW-Fraktion (Stadträtin Gerda Hetzenecker) durch den Eingangsstempel auf einem Schriftstück seine Schlafmützigkeit als Auslöser der Kostendebatte aufgezeigt wurde.

Diesen Fehler räumte der Bürgermeister dann auch ein: „Die Kritik nehme ich auf meine Kappe, dass ich ihnen die ausführliche Ausarbeitung nicht früher gegeben habe„.

Als die Stadträte den Bau beschlossen, war die zugrunde liegende Planung nur eine Luftnummer.Es gab keine!

Augenfällig dabei ist die fast punktgenaue Kalkulation beim nackten Baukörper gegenüber den tatsächlichen, als solche ausgewiesenen Baukosten! Eine Kostensteigerung gab und gibt es nur bei der in der Hauptlast von der Stadt Geisenfeld zu tragenden Mehrzwecknutzung. Und diese Kostensteigerung blieb auch im Anschluss an die Erklärungsversuche des Projektsteuerers unklar! Man müsse das gesamte Projekt „von hinten her rechnen„, „konjunkturell bedingte Kostensteigerungen“ berücksichtigen.

Warum sich die Konjunktur nur bei der Mehrzweckausstattung als Preissteigerung manifestieren, die zahlenmäßig weit höheren Baukosten des reinen Baukörpers aber unangetastet lassen sollte, könnte als Denksportaufgabe in betriebswirtschaftlichen Seminaren für Gelächter sorgen.

Gingen die Stadträte am 10.Juni 2010 bei ihrem zustimmenden Beschluss zur Mehrzweckausstattung der Halle von einer ihnen vorgelegten Kostenbelastung zwischen 600.000 und 700.000 Euro für den Geisenfelder Stadtsäckel aus, liegt man mit Stand 10.08.2011 bei insgesamt 1.073.550,65 Euro. Je nach Berechnungsvariante liegt die Kostensteigerung damit in einer Bandbreite zwischen 57 und 83 Prozent!

Dass sich der Landkreis, entgegen seiner ursprünglichen Haltung im Oktober 2011 bereit erklärte, sich doch mit zumindest 25 Prozent an der Mehrzweckausstattung zu beteiligen, ist bei oberflächlicher Betrachtung ein Glücksfall, bei genauerer Betrachtung nach Ansicht von Beobachtern eventuell nur ein Rechenkunststück das den Landkreiskämmerer nichts kostet.

Ging doch diesem Beteiligungsentschluss eine lebhafte Auseinandersetzung im Landratsamt voraus, in dessen Verlauf dem Geisenfelder Bürgermeister plötzlich klar geworden sei, auf welches Zahlenspiel er sich da eingelassen hatte. Um die Wogen zu glätten, erkannte man plötzlich beim Landkreis das Fehlen „von geeigneten Räumlichkeiten für schulische Veranstaltungen, die unter das Versammlungsstättengesetz fallen„, und beteiligte sich wegen 3 Realschul-Veranstaltungen im Jahr anteilmäßig an den Mehrzweckkosten. (Geisenfeld 9 Veranstaltungen)

Alt-Bürgermeister Josef Alter, der sich nach eigenen Angaben viel Zeit zur Durchsicht der vorgelegten Zahlenreihen nahm, bestätigte zwar die vorgelegten Zahlen in Höhe und Zuordnung, doch müsse er schon fragen „warum es zu dieser Kostensteigerung kam„.

Jetzt kann man sich die Frage stellen, ist beim Bau einer Schulsporthalle eine sogenannte Vereinssportnutzung im Preis bereits vorgesehen/eingebaut, oder kann man diese Nutzung erst bekommen, wenn man eine Mehrzwecknutzung mit einbaut/bezahlt? Die Bürgersicht vorliegenden Unterlagen lassen beide Betrachtungsweisen zu. Doch welche ist richtig?

Welche Auslegung ist die Richtige? (Zum vergrößern bitte anklicken)

Zieht man nun den Landkreisanteil von den bisher aufgelaufenen Gesamtkosten für die Mehrzwecknutzung ab, verbleiben nach derzeitigem Stand etwas über 800.000 Euro an Kosten für die Mehrzwecknutzung bei der Stadt Geisenfeld.

Wobei die noch folgenden, bereits jetzt absehbaren Mehrkosten auf der von den Geisenfelder Stadträten bei der Pro-Merkzweckhalle-Abstimmung mitbeschlossenen Kosten-Freibrief-Skala nach oben offenen sind.

Mit fremden Geld lässt sich leicht stinken.

Politisch korrekt, dafür um so durchsichtiger, war die kalkulierte Rückendeckung aus der USB-Fraktion für den angeschlagen wirkenden Bürgermeister. Die Stadträte Weber und Hollweck versuchten in ihren Redebeiträgen die Kostensteigerung klein zu reden und forderten die Stadträte auf, auf dieser Sache nicht mehr „weiter rumzureiten„.

Sah Hollweck in der Januarsitzung wegen der Kostensteigerung noch gesteigerten Aufklärungsbedarf, überraschte er auf dieser Sitzung mit bemerkenswerter Großzügigkeit. Da sich der Landkreis ja an den Kosten beteilige und die Stadt jetzt nur 800.000 Euro statt 700.000 Euro zahlen müsse, sei es „doch nicht soviel mehr„. Für ihn sei „alles transparent„.
(Mit dieser Auffassung hätte man(n) sich bei der HYPO REAL ESTATE Freunde machen können)
Woraufhin dem FW-Fraktionssprecher Helmut Königer der Kragen platzte und er an Hollweck gerichtet bemerkte:“ Jetzt tun sie nicht so. Auch sie haben nicht gewusst, wo die Reise finanziell hingehen wird„.

Nach einer Stunde beendete der Bürgermeister die nicht enden wollende Diskussion mit den Worten:“Diese Diskussion gab es ja nur, weil man einem Bürgermeister nicht besonders vertraut„.

Da könnte etwas dran sein!

Die Vorgänge um die 3-Fach-Turnhalle, oder „Geisenfelder-Mehr-Kosten-Halle„, werden Stadtrat und Bevölkerung noch einige Monate begleiten. (Nicht nur wegen der demnächst auf der städtischen Homepage von der Bevölkerung abzugebendenden Namensvorschlägen für die Halle) Schon im kommenden Monat werden die neuesten Berechnungen zum Kostenstand vorliegen. Es bleibt zu hoffen, dass Stadträte und Öffentlichkeit diesmal wirklich „zügig“ vom Bürgermeister unterrichtet werden und er nicht im Stile eines Lehrers -wie auf dieser Sitzung- die Stadträte ostentativ auffordert, ihm anzuzeigen, wer die Zahlen auch wirklich gelesen habe.

Eventuell erfährt man demnächst auch etwas über die Höhe des  vom Freistaat zugesicherten Zuschuss! (Zuschuss für den Baukörper, nicht für die Mehrzweckausstattung, Herr Hollweck) Darüber herrscht seit über einem Jahr betroffenes Schweigen.

Das war Teil 1 der Nachbetrachtung zur Stadtratssitzung vom Februar.

Teil 2 finden sie hier.

Zusätzlich möchten wir auf die Sichtweise, der zu diesem Thema anderswo erschienen Artikel per Link verweisen.

Artikel im Donaukurier (zum Zeitpunkt der Verlinkung frei aufrufbar)

Bemerkenswert auch der Artikel auf „Hallertau.info

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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