Umgehungsstraße- Der Staat bin ich

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Ob den Stadträten bei ihrem einstimmigen Votum zum Kauf dieser Box überhaupt auffiel, dass sie Anschaffungskosten von ursprünglich 3,3 Tsd Euro jetzt mit ca 12 Tsd. Euro absegneten? Da sie den noch gültigen Beschluss zur Anschaffung einer Box für 3,3 Tsd. Euro nicht kassierten, liegt die Annahme der Unkenntnis nahe)

Erst als es zur Behandlung des wichtigsten Tagesordnungspunktes „Ortsumfahrung Geisenfeld“ kam, konkret mit „Beratung und Beschlussfassung zur weiteren Vorgehensweise“ benannt, nahm die Anspannung unter Zuschauern und Stadträten erneut zu.

Der Bürgermeister erläuterte in seiner Einleitung dazu die Abstimmungshistorie der letzten Jahre, erkannte darin die von ihm begrüßte Kontinuität im Bejahen des Projektes durch Stadträte früherer und jetziger Wahlperioden. Ab 2001 waren nur 2-mal keine einstimmigen Beschlüsse dazu gefasst worden. (2003 mit 19-2, 2010 in der dubiosen Abstimmung unter dem Tagesordnungspunkt „Bekanntgaben“ mit 19-1)

Diese Abstimmungsergebnisse im Blick, könne er sich nicht vorstellen „dass sich jetzt etwas geändert haben sollte„. Diese rhetorische, an die Stadträte gerichtete Frage beantwortete der Bürgermeister gleich selbst: „Der Verkehr ist ja nicht verschwunden!

Zusätzlich habe man ja auch im Gespräch mit der Obersten Baubehörde erfahren „unsere Umgehung ist sinnvoll und richtig„. Und um seine Aussage zu bekräftigen, war nun der Zeitpunkt für den Bürgermeister gekommen, den eingangs der Stadtratssitzung öffentlich gewordenen „Besprechungsvermerk“ der Obersten Baubehörde zu verlesen.

Auf den ersten zwei der insgesamt drei Seiten wurden nur hinlänglich bekannte Fakten wiedergegeben. Die Stadt Geisenfeld will wegen des „verhältnismäßig hohen Schwerlastverkehrs“ eine Umgehungsstraße als „Staatsstraßenumfahrung in städtischer Sonderbaulast mit Fördermitteln aus dem FAG-Sonderbaulastprogramm“ bauen. Eine zusätzliche „Südwestumfahrung soll nach dem Wunsch der Stadt Geisenfeld in der Baulast des Freistaates Bayern gebaut werden„. Nord- und Südumfahrung stehen aber im Entwurf des Ausbauplans für die Staatsstraßen in Bayern jetzt nur mehr in der 2. Dringlichkeit, werden also, zumindest vom Freistaat, in den nächsten 15 Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gebaut. Endgültiges dazu aber erst im Sommer 2011. (Nach Ansicht von Beobachtern wird es dabei keine gravierenden Änderungen mehr geben)

Die Stadt will „zur planrechtlichen Sicherung….im Jahr 2011 die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens beantragen. Mit einem Planfeststellungsbeschluss ist in der Folge frühestens 2012 zu rechnen„.

Erst in den letzten 12 Zeilen des „Vermerks finden sich die -vermeintlich- wichtigen Angaben, aus denen der Bürgermeister in der Zeitung “ die klare Aussage“ ableitet, „dass wir den Zuschuss für die Nordspange auch so bekommen werden„.

Betrachtet man sich die letzten 12 Zeilen dieses „Besprechungsvermerks“ jedoch genauer, findet man dazu nur umgangssprachlich zu Missdeutendes wie „grundsätzlich„, „förderfähig„, “ und „aus heutiger Sicht wäre“ eine Förderung von 70% der zuwendungsfähigen Kosten „möglich„.

Lapidar ausgedrückt, findet sich darin nur eine Ansammlung des in der urbayerischen Entsprechung lautenden „Nix Gwiss woas ma ned„. (Für Zugereiste: Etwas genaues weiß man nicht)
Daraus nun, wie der Bürgermeister es suggeriert, die Gewissheit eines 70-prozentigen Zuschusses abzuleiten, oder noch schlimmer, eine jährlich, bayernweit zur Verfügung stehende Fördersumme von ca. 100 Millionen für derartige Sonderbaulastprogramme als Fakt darzustellen, ist, um in der Ausdrucksweise des Bürgermeisters zu bleiben, eine FRECHHEIT !

Der in „Fachsprache“ abgefasste Besprechungsvermerk erschließt sich erst, wenn man ihn einer „umgangssprachlichen“ Bewertung unterzieht.

Die Bewertung des Wortes „grundsätzlich“ sieht folgendermaßen aus: (nachzuschlagen bei Wikipedia)
Grundsätzlich bedeutet juristisch gesehen vom Grundsatz her in der Bedeutung von im Prinzip, in der Regel (Ausnahmen sind möglich), während es in der Umgangssprache eher in der Bedeutung immer, aus Prinzip (keine Ausnahmen) verwendet wird.

Die besondere Eigenschaft einer Fachsprache ist es, Wörter und Wendungen zu prägen, die nur von den Anwendern dieser Fachsprache verstanden werden. Daher wird allen Fachsprachen vorgeworfen, nicht verständlich für die Allgemeinheit zu sein.

Übrigens: Als Leser von „Bürgersicht“ sind sie sie jetzt schon besser informiert als so mancher Stadtrat zum Zeitpunkt der Abstimmung im Stadtrat.

Für die Stadträte war nach dem einführenden Vortrag des Bürgermeisters der Zeitpunkt gekommen, zum Schwur anzutreten und sich öffentlich zum „weiter so“ zu bekennen.

In zum Teil erbärmlicher Rhetorik wurden die teilweise vom Blatt abgelesenen Redebeiträge der Stadträte Gigl und Deml vorgetragen. Da schon viel Geld investiert wurde, dürfe man „das Projekt nicht sterben lassen„. Auf dem 30-jährigen „Dauerbrenner“ müsse man „weiterfahren„, der Verkehr, der durch die Nordspange die Stadt umfahre, würde für „weiteres Wachstum der Stadt sorgen„.

Stadtrat Fuchs sah seine Zustimmung „in der Verantwortung früherer Beschlüsse“ stehend und Stadtrat Böhm konnte im Redebetrag seine derzeitige Lieblingsredewendung „nicht erneut versemmeln“ und wenig „andersdenkende“ unterbringen und Altbürgermeister Alter wünschte sich, dass alle Stadträte möglichst an einem Strang zögen.

Wirklich erwähnenswert waren in dieser Debatte nur die restlichen Redebeiträge der Stadträte Schranner, Rockermeier und Staudt. Schranners stadtbekanntes Nein zur Nordumgehung (ohne gleichzeitigen Bau von Süd) bekräftigte er mit der Warnung, da „er in den bisherigen noch heutigen Aussagen weder Vertrauen erweckendes noch dauerhafte Garantien gehört“ habe, warne er vor „einem Lotteriespiel mit Steuergeldern„. Im sei auch vollkommen unverständlich, wie sich die im Jahre 2007 angegebenen Baukosten von 12 Millionen, zuzüglich Grunderwerb von damals einer Million, im Jahr 2011 auf Gesamtkosten von angeblich 10,5 Millionen reduzieren konnten.

(Im Archiv findet sich dazu folgender Artikel der GZ vom 1./2. Dezember 2007: Geisenfeld(GZ) „Schock – Umgehung doppelt so teuer“ Der Schock bei den Räten war gewaltig: Die geplante Umgehungsstraße Nord wird mit kalkulierten zwölf Millionen Euro (plus Grunderwerb) doppelt so teuer wie bisher veranschlagt.)

Als letzter Stadtrat gab Stadtrat Staudt eine sehr ausgewogene Einschätzung der sich ihm darstellenden Entscheidung. Ein weiter-so „bedeutet Risiko„, und er verstehe jeden, der dieses Risiko nicht eingehen will. Er sehe ein „ja“ zum Beschluss jedoch nicht wie Schranner als Lotteriespiel, eher wie ein Schachspiel, wobei durch die nun nicht zu bauende Südumfahrung die Partie zwar gefährdet, ein „Schachmatt“ in einigen Jahren eventuell aber doch vermeidbar sei. (Der leidenschaftlich Karten spielende Bürgermeister beeilte sich daraufhin, dieses Bild des Schachspiels besonders zu loben)

Doch die bemerkenswerteste Wortmeldung, und ein sich daran entzündender heftiger Wortwechsel mit dem Bürgermeister, blieb Stadtrat Rockermeier vorbehalten.

Als vorletzter Redner gab Stadtrat Rockermeier gleich im ersten Satz seine Haltung zur Nordumgehung bekannt: „Ich bin ein Gegner dieser Umgehungsstraße„. So wie sich das Projekt jetzt darstelle, ohne Südumfahrung, ohne gesicherte Bezuschussung und Zusagen, der dabei nur erreichbaren Verkehrsentlastung von ca. 10 Prozent, so könne er einem Beschluss zum Bau nicht zustimmen. Und bemerkte dazu grundlegendes: „Wir sind ja nicht mal fähig die Gadener-Strasse zu bauen, wollen aber das Großprojekt Umgehungsstraße stemmen„.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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