Meinungsmache u. Verschwörungstheorien – Am „Fall Lisa“ sollt ihr sie erkennen

Lesedauer 24 Minuten

Dass man in der Berichterstattung beim Rückgriff auf den „Fall Lisa“ die Urheberschaft unterschlägt, also den Beitrag russischer Propaganda fälschlicherweise als latent gegeben anklingen lässt, und dabei das Mädchen Lisa als eigentliche Erfinderin der Falschinformation aber völlig außer Acht lässt, ist eine subtile Art, die unterschiedlichen Deutungsrahmen von „Russland ist böse“ nicht verlassen zu müssen. (Und das obwohl die seit der Wahl Trumps etwas unsicher gewordenen USA-Vasallen Pfade über diverse „Atlantik Brücke[n]“ nie gekannte Schwierigkeitsgrade aufweisen)

So auch jetzt, im oben zitierten Russen-Bashing-Artikel der FAZ, in dem der „Fall Lisa“ erneut in gewohnt simplifizierender Betrachtungsweise als Hinweis für die „meisterliche“ Fähigkeit der russischen Fake-News-Produzenten im russischen Geheimdienst herhalten musste.

Das die russische Regierung -und in deren Gefolge die meist nur russische Medien verfolgende Gemeinde der „Russlanddeutschen“ – in ihrem Misstrauen gegenüber deutscher Aufrichtigkeit bei „unserem russischen Mädchen“ die falschen Schlussfolgerungen zog, mag angesichts der seit Jahren von deutschen Medien am Köcheln gehaltenen antirussischen Haltung verständlich sein, war aber dennoch vollkommen überzogen.
(Viele Russen sahen in dem, zu diesem Zeitpunkt von der deutschen Regierung noch gern gezeichneten positiven Migranten Bild eine gewollte Verharmlosung hinsichtlich gewaltbereiter Zuwanderer)

Festzuhalten bleibt, und das müsste auch dem Autor des FAZ-Artikels einleuchten: Im Fall Lisa F. greift der an die staatlichen Stellen „der Russen“ gerichtete Fake-News Vorwurf also ganz und gar nicht!

Doch diese Sichtweise scheint nicht gewollt zu sein.

Mit einer an Fakten orientierten Sichtweise würde man ja einen von der Öffentlichkeit vermeintlich gut gelernten „Russland ist Böse“ Aspekt verlieren und könnte „Lisa“ nicht mehr bei jedweder Art antirussischer Verdachtsberichterstattung als Gedächtnisstütze einfließen lassen.

So muss die mittlerweile 14-jährige Lisa also weiterhin als Pseudobeweis für russische Propaganda in der mit „antifakt“ gewürzten Verschwörungssuppe deutscher Medien weiter schwimmen.

Zitiert wurde der „Fall Lisa“ zum Beispiel im Artikel „Sicherheitskreise: Russland hackte geheime Bundestagsakten“ der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) vom 11.Dez.2016, in dem ein namentlich nicht genannter „hoher Sicherheitsbeamter“ seine Einschätzung kundtat, das die Ende November 2016 von Wikileaks veröffentlichten Unterlagen des NSA-Untersuchungsausschusses mit „hoher Plausibilität, aus dem Cyber-Angriff Russlands“ stammten. (Sechs Tage später wurde diese Verschwörungstheorie entwertet. Es wurde bekannt, dass die Bundestagspolizei nicht nach Russen, sondern einen Wikileaks-Maulwurf im Parlament sucht)

Auch am 29.Januar 2017 wurde „Lisa“ wieder aus der Suppe geholt. Im Artikel „Wir haben es mit medialem Krieg zu tun“, oder auch HIER, HIER und HIER.

Eine mit „Ahnungen“ aufgepeppte Nachricht? Seriöse Nachrichten, wo seid ihr geblieben?

„Lisa“ natürlich auch im Fall einer im Rahmen des litauischen Bundeswehr-Nato Ostflankeneinsatzes aufgetauchten E-Mail. Darin wurde behauptet, eine Gruppe betrunkener deutscher Soldaten hätte ein 15 Jahre altes Mädchen vergewaltigt. „Wer hinter der Fake-News-Attacke steckt, ist bislang offen“, räumte die FAZ in ihrem Artikel vom 16. Februar 2017 zwar ein, gab dem Leser aber auch hier den gut penetrierten Anhaltspunkt vor, in dem es auf den „in Deutschland prominentesten Fall“ von Fake-News hinwies, den des 13 Jahre alten „russischstämmigen Mädchen in Berlin“. (Die litauische Polizei ermittelte: Eine Vergewaltigung gab es nicht, die Urheberschaft der E-Mail ist weiterhin ungeklärt)

Ausnahmsweise mal keine „Lisa“, dafür „Merkel“ als Kronzeuge

Als am 27.November 2016 die ersten von insgesamt 900.000 Internet-Router von Telekomkunden ausfielen, musste man in der FAZ-Berichterstattung den „Fall Lisa“ -ausnahmsweise- nicht heranziehen, um „die Russen“ zu verdächtigen. In der Berichterstattung konnte man Kanzlerin Angela Merkel zitieren, die im Fall Telekom einen Zusammenhang zwischen diesem Cyber-Angriff und der russischen Strategie „hybrider Auseinandersetzungen“ herstellte.

Jetzt darf man der Kanzlerin aber nicht unterstellen, nur weil sie ein Smartphone benutzt und „erst durch Journalisten“ erfahren habe, wie sehr Handy- „Abhören unter Freunden“ von den amerikanischen Freunden geschätzt wird , das sie über eine besonders ausgeprägte „Cyber-Kompetenz“ verfüge. Vermutlich glaubte sie, entsprechend der politischen Großwetterlage, den „Cyber“-Zeitgeist bedienen zu müssen.

Drei Monate später wurde ein britischer Hacker als mutmaßlicher Täter in London festgenommen. Was den Verschwörungstheoretikern in der deutschen Presse nicht gefallen durfte: Die Verhaftung erfolgte wenig schlagzeilenträchtig am Flughafen und nicht mal in der Nähe der russischen Botschaft. Und was sagt jetzt die Kanzlerin zu dieser Entwicklung? Natürlich rudert sie nicht zurück. Warum auch. Hatte sie doch am 16. Februar 2017 als letzte Zeugin im NSA-Untersuchungsausschuss auf ihr fehlendes Expertenwissen und ihr „nicht immer ganz zuverlässiges“ Erinnerungsvermögen hingewiesen.

Wohlgemerkt, die hier zum „Fall Lisa“ verlinkten Artikel, aus ihnen grüßen die selbstreferenziellen Fundstellen eines redaktionsüblichen Archiv- und Schlagwortsystems mit Suchanfragen zu „Propaganda“ und Russland“, sie entstammen allein den Schreibstuben der FAZ/FAS. (Eine Recherche durch den Rest des deutschen Blätterwaldes dürfte eine ähnliche Lisa-Häufung bei den Etablierten ergeben)

Doch zurück zu den „meisterhaften Russen“ (weiter auf Seite 3)

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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