Videoüberwachung im neuen Jugendtreff: Stadträte wissen von nichts

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Die Einflüsterungen des Geisenfelder Bürgermeisters

Da wurde also in nicht öffentlicher Sitzung vom Stadtrat eine Videoüberwachung im Jugendtreff besprochen/beschlossen. So konnte man es zumindest der Heimatzeitung vom 21. Juni entnehmen. Dem Artikel „Nur ein Raum wird per Kamera überwacht„, einem Artikel der Lieblingsschreiberin des Geisenfelder Bürgermeisters.

Komisch daran ist nur, das sich keiner der von Bürgersicht dazu befragten Stadträte/innen an diesen Vorgang erinnern kann. Videoüberwachung im neuen Jugendzentrum: Nie gehört!

In der zurückliegenden Woche klangen einem ganz gewaltig die Datenschutzohren. Kaum hatte man sich von den Meldungen über das US-Spähprogramm Prism und einem noch gewaltigeren Datenabsauger des amerikanischen Geheimdienstes NSA erholt, erfuhr man im Anschluss an den G8-Gipfel das volle Ausmaß der Aktivitäten des britischen Geheimdienstes GCHQ. Mittels geheimer Zugänge zu Glasfaserkabeln legte und legt sich dieser Dienst unter dem Codenamen Tempora eine umfangreiche Sammlung weltweiter Telefon- und Internetkommunikationsdaten zu. Zu allem Überfluss kooperierten Google, Facebook und Co. bei der Internetüberwachung kräftig mit der NSA.

Derart datenschutzrechtlich sensibilisiert erfuhr man nun am 21. Juni aus der Heimatzeitung von einem medienpädagogischen Raum im neuen Jugendtreff, der, „um Missbrauch zu vermeiden als einziger kameraüberwacht“ werden soll. Gegen eine Kameraüberwachung in weiteren Räumen des Jugendtreffs habe „sich Bürgermeister Christian Staudter (USB) verwahrt“.

Dieser Teil des Artikels, der mehr Fragen aufwarf als er beantwortete, machte stutzig.

Bei wem verwahrte sich der Bürgermeister gegen eine Ausweitung der Videoüberwachung? Wer hatte diese Videoüberwachung überhaupt beschlossen und welchem Missbrauch wollte man damit vorbeugen?

Die Nachfragen bei einigen Mitgliedern des Stadtrats ergaben: NICHTS.

Keiner der Befragten konnte die Angaben des Zeitungsartikels bestätigen. „Davon erfuhr ich zum ersten Mal aus der Zeitung“, war die deckungsgleiche Aussage aller befragten Stadtratsmitglieder zur Videoüberwachung.

Man habe zwar im nicht-öffentlichen Teil der letzten Stadtratssitzung über die städtische Jugendarbeit und Angelegenheiten des Jugendtreffs beraten, aber keinesfalls über Videoüberwachung im Jugendtreff, oder wie auch immer geartete Missbrauchsbefürchtungen.

Demzufolge könne sich auch keiner an Aussagen des Bürgermeisters erinnern, nach der er etwas über die Videoüberwachung gesagt habe, noch das er sich gegen die Ausweitung der Videoüberwachung verwahrt haben sollte.

Die Fragen bezüglich einer Videoüberwachung und dem Datenschutz ganz allgemein in Geisenfeld dürften jetzt ein besonderes Interesse erfahren.

Überraschung: Auch Kinder und Jugendliche haben Datenschutzrechte

Es mag jetzt einige im Geisenfelder Rathaus überraschen, doch Kinder und Jugendliche haben Datenschutzrechte und damit grundsätzlich das Recht, über die Preisgabe und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen.(ersatzweise kümmern sich die Eltern darum)

Ist Videoüberwachung im Jugentreff überhaupt erlaubt ?

  • Wurde der behördliche Datenschutzbeauftragte gemäß Landes-Daten-Schutz-Gesetz (LDSG) über die geplante Videoüberwachungen unterrichtet, damit er auf die Einhaltung bestehender Grundsätze hinwirken, und im Falle einer Videoaufzeichnung die Vorabkontrolle durchführen kann? (Es ginge aber auch ohne Aufzeichnung. Die müsste nämlich nach spätestens 3 Tagen gelöscht werden)
  • Gibt es im Geisenfelder Rathaus überhaupt einen kommunalen oder behördlichen Datenschutzbeauftragten? (dieser wäre nach amtlicher Definition des bayerischen Datenschutzbeauftragten die erste Anlaufstelle der Bürger bei Fragen zum Datenschutz. Und von diesen Fragen dürfte es -nicht nur wegen der Videoüberwachung im Jugendtreff- jetzt einige geben)
  • Wer sind die Verantwortungsträger und damit legitimierten Personen zur Video/Datenkontrolle?

Man könnte das jetzt noch um einige Fragen erweitern, doch die oben gestellten dürften bereits eines verdeutlicht haben: Die Skepsis, ob Geisenfelds Bürgermeister den Sachverhalt wirklich überschauen konnte, als er seiner Lieblingsschreiberin in den Artikel diktierte (sie war weder auf der öffentlichen noch nicht-öffentlichen Stadtratssitzung) dürfte gewachsen sein.

Bei der nun aufkommenden Diskussion über Videoüberwachung und kommunalen Datenschutz darf man nicht auf die Mitglieder des Jugendparlamentes oder die für den Jugendtreff zuständige Sozialpädagogin hoffen. Liest man den Zeitungsartikel aufmerksam, entdeckt man bei den Betroffenen keinerlei Sensibilität gegenüber diesem Thema.

Datenschutz ein Grundrecht, Videoüberwachung vs. Persönlichkeitsschutz, informationelle Selbstbestimmung gegen unverhältnismäßige Maßnahme? Die Facebook-Generation scheint bei derlei Fragen oder Abwägungen schnell überfordert zu sein.

Die beängstigend rapide fortschreitende informelle, digitale Selbstentblößung darf nicht darüber hinwegtäuschen:. Ob diese nun von ihren Bürgern verstanden werden oder nicht, besonders Kommunen sind an Gesetze gebunden!

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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