Viel Geld für nichts – Oder die spezielle Kultur der Verschwendung in Geisenfeld

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Ein Gastartikel von Beate KREIS-NÜCKEN /„Much Ado about Nothing“ ist der Titel einer wunderbaren Komödie von William Shakespeare. Übersetzt wird das mit „Viel Lärm um nichts.“ An diesen Titel fühlt man sich erinnert, wenn man die mit reichlich Eigenlob bedachte Kulturpolitik in Geisenfeld näher betrachtet. Stolz wird verkündet, dass der Haushaltsansatz von 40.000 Euro in diesem Jahr voraussichtlich nicht überschritten wird. Dabei sind 40.000 Euro eine gewaltige Summe, wenn man bedenkt, dass noch vor wenigen Jahren eine Kulturreferentin Namens Anneliese Lackermair mit nur 10.000 Euro im Jahr ein in weiten Teilen sehenswertes Programm zustande gebracht hat.

Damit stellen sich verschiedene Fragen: Warum sind die städtischen Ausgaben für Kultur derart explodiert? Hängt das damit zusammen, dass die Ehefrau des jetzigen Bürgermeisters sich zur Kulturreferentin berufen fühlte?

Wie viel Geld soll eine Gemeinde überhaupt für kulturelle Aufgaben ausgeben?

Was haben die Geisenfelder für das viele Geld bekommen?

Was hätte man bei einer wohlüberlegten Anwendung dafür bekommen können?

Doch zunächst die Frage aller Fragen: Was ist das, Kultur und was kann und soll eine Gemeinde damit anfangen?

Kuitua wos soi des scho sei?

Das lateinische Wort cultura bedeutet Bearbeitung, Pflege, Ackerbau, das lateinische Wort colere wird gebraucht für „wohnen“, „pflegen“, „den Acker bestellen“ ,“ausbilden“.

Der römische Philosoph und Politiker Cicero spricht von der cultura animi, das heißt der Pflege des Geistes. Neben der Kultur als Sachkultur findet sich bei Plinius auch Kultur als Bearbeitung der eigenen Persönlichkeit. „Kultur“ ist in der deutschen Sprache seit Ende des 17. Jahrhunderts belegt und bezeichnet hier von Anfang an sowohl die Bodenbewirtschaftung als auch die Pflege der geistigen Güter“.

Im Zusammenhang mit der hier vorgestellten Problematik reden wir also von einer Pflege des Geistes, von einem kultivierten Leben, was Bauten, Einrichtungen, die Lebensart, die gärtnerische Gestaltung, die Wirtschaftsweise, den Umgang mit den Ressourcen betrifft.

Über die Bedeutung „ausbilden“ kommt auch der Bildungsbegriff ins Spiel. Eine große Rolle scheinen die Fantasien der Menschen bezüglich ihres Lebens zu spielen. Es kommt darauf an, die Vorstellungen und die Fantasien des Einzelnen wie die der Gemeinde zu „kultivieren“, sie so zu „pflegen“ und „auszubilden“, dass ein maximaler Erfolg und eine maximale Zufriedenheit für möglichst viele Menschen erreichbar wird.

So wie ein Landwirt sät, bewässert, Unkraut jätet und am Ende erntet, so sollte in einem Sozialwesen die Summe der kulturellen Fähigkeiten gemehrt und deren Qualität gesteigert werden.

Unterhaltung macht dumm- Kultur macht klug

Es liegt auf der Hand, dass kulturelle Fähigkeiten eine große Freude bereiten können und auch der Unterhaltung dienen. Ebenso sollte die Vermittlung von Kultur unterhaltsam sein. Das menschliche Gehirn mag es eben unterhaltsam. Hier tritt jedoch ein fundamentaler Irrtum zu Tage: Kultur ist keineswegs dasselbe wie Unterhaltung.

Wer Unterhaltung mit Kultur gleichsetzt, der landet am Ende bei den römischen Gladiatorenspielen, bei Deutschland sucht den Superstar, beim Traumschiff und beim Musikantenstadel. Bekanntlich fördern derlei Programme aber viel eher die Dummheit und die Passivität als irgendeine vorteilhafte Fähigkeit.

Geld für Kultur ausgeben, hat das einen Sinn?

In Geisenfeld gibt es bei genauem Hinsehen eine ganze Reihe von Kultur stiftenden Einrichtungen. Da ist vor allem die Stadtkapelle.

Sie ist eine große Musikschule in der hunderte von jungen BürgerInnen ihre musischen Fertigkeiten entwickeln konnten. Das gilt auch für die städtischen Chöre. Eine Kulturpolitik, die diesen Namen verdient, würde die Arbeit der Stadtkapelle sowie die der Chöre unterstützen und weiterentwickeln. Man könnte hier gezielt Geld in den Musikunterricht investieren, Stipendien ausschreiben, für zusätzliche Lehrer sorgen. Das Ziel wäre eine Entwicklung von zahlreichen am Ende selbständigen Ensembles, von Trios, Bläser- und Gesangsquartetten und anderen Formationen bis hin zu Bigbands und zu einer Vermehrung der Chöre.

Tatsächlich kann man so von einer Kultivierung der Musikalität in einer Stadt sprechen. Wahrscheinlich würden Investitionen in diese Richtung die Bürger auch in anderen Belangen erfolgreicher machen und das Wohlfühlklima dürfte sich in einer singenden und klingenden Stadt positiv entwickeln.

Sinn hätte auch die Bezahlung von Theaterpädagogen und Tanzlehrern. Auch hier ist fast jeder Euro gut angelegt. Tanz- und Theaterpädagogische Projekte wirken sinnstiftend und nachhaltig.

Wettbewerbe, Foren, Kulturvereine

Im Grunde ist nahezu jedes Projekt lohnend, bei dem BürgerInnen angestiftet werden, sich dauerhaft mit Kulturtechniken zu befassen: Poetry Slams, Kurzfilmwettbewerbe Band-Workshops und –Wettbewerbe, ein Forum für Architektur, Städtebau und Gartengestaltung,

Straßentheater, Improvisationstheater.

Kulturvereine wie Incontri in Rohrbach oder der Kunstverein in Ingolstadt sind hierbei den Bemühungen überforderter KulturreferentInnen in jeder Beziehung haushoch überlegen.

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Qualität auch, dann könnte eine Kleinstadt durchaus mehrere hunderttausend Euro in die Kultur investieren und das Geld wäre hervorragend angelegt.

Pleiten, Pech und Pannen: kulturelle Peinlichkeiten in Geisenfeld

Doch was hat man in Geisenfeld für das viele Geld bekommen? Welcher Acker wurde da für 40.000 Euro bestellt? Hat man gesät, gepflegt und geerntet? Ein ganz wesentlicher Posten war das „historische“ Bürgerfest. Nun es war etwa ein so historisches Ereignis, wie das Volksfest ein wissenschaftliches Ereignis ist. Ein Leipziger Allerlei mit falschen historischen Zutaten und viel süßlichem Ketchup drauf. Eine Art geschichtliches Disneyland, Fasching im Sommer mit viel billiger Volksbelustigung. Das war geheuchelte Historie von Ahnungslosen organisiert: dürftige Unterhaltung.

Nimmt man nur den Zuspruch als Gradmesser des Erfolgs, so war dieses Bürgerfest ein ganz elender Reinfall. Im Vergleich zu früheren Bürgerfesten war nur ein Viertel des sonstigen Publikums gekommen. So eine Pleite als Erfolg zu verkaufen, dazu gehört eine ziemliche propagandistische Entschlossenheit. Jedenfalls war das viele Geld verschleudert.

Vergleichbare Reinfälle kamen zustande und bei der Filmnacht und bei der italienischen Nacht.

Willkürlich ausgewählte Filme locken eben niemand in die kalte Nacht und so kamen weniger als ein Fünftel der erwarteten Zuschauer. Das war zwar bei der Italienischen Nacht besser, aber italienische Schnulzen von einer schwachen Band und dazu pappige Pizzaecken, bei diesem zweifelhaften Vergnügen braucht man einen guten Magen. Wie anders war doch die Italienische Nacht im Ingolstädter Stadttheater: eine redliche Art der Kulturpräsentation mit zwei Orchestern, Sängern, Schauspielern, Kammermusik…….

Pappnasen für Banausen

Ach ja und das sonstige Programm: Blasmusik (Unterhaltung), Kabarett von der Stange (Unterhaltung), Zupfgeigenhansl (Unterhaltung), brünstige Zigeunerinnen (weniger unterhaltsam), insgesamt ein zufälliges Sammelsurium, ein Flohmarkt der Eitelkeiten und Beliebigkeiten. Man kann heute bei Agenturen für Geld fast alles ordern. Aber irgendwie hat die Kulturreferentin Henriette Staudter immer die Ladenhüter erwischt.

Wenn Stadträte hier von einer bedeutsamen Außenwirkung für die Stadt sprechen, dann sollte man ihnen die goldene Kulturpappnase verleihen.

Es fehlt jede Art von Überlegung, es fehlen Konzepte, es fehlt jede Nachhaltigkeit. Das rauscht zum einen Ohr rein und geht zum anderen Ohr raus. Das einzige erkennbare System ist, dass möglichst viele Geschmacksrichtungen bedient werden sollen— mit nicht übermäßig anspruchsvoller Unterhaltung.

Dummerweise gibt es bei dem Versuch, das Volk zu unterhalten eine übermächtige Konkurrenz: RTL, SAT 1, Pro7 und ihre unzähligen Ableger. Wir wissen auch, dass diese Art der Unterhaltung die Menschen ziemlich dumm machen kann, und dass die Leute dieses Zeug in beliebiger Menge ohne weitere Kosten konsumieren können. Warum also zusätzlich städtisches Steuergeld dafür verschwenden? Um sich beliebt zu machen?

Die Flucht ins Paradies

Damals, als die Berichterstatterin noch in einem Hinterhof einer deutsch sprechenden europäischen Kulturstadt aufwuchs, da gab es einen Musiklehrer. Dieser bedauernswerte Mann pflegte, wenn er von allzu unbegabten Schülern gequält wurde, sich die Ohren zuzuhalten und laut im heimischen Dialekt zu rufen:“ I hoits nimmer aus.“

So ähnlich dürfte mancher Geisenfelder Bürger reagieren, wenn er an die hiesigen kulturellen Freiübungen erinnert wird. Deshalb hier ein Trost. Es gibt gerade Jazztage in Ingolstadt, das Stadttheater in Ingolstadt und das Georgische Kammerorchester , es gibt das Incontri in Rohrbach und es gibt das gelobte Land für die nach Kultur Dürstenden:

! München !

Tipps gefällig ?

Pasinger Fabrik

Mixxit Improvisationstheater, Feilitschstraße 12

Schwere Reiter, Dachauer Str. 114

Giesinger Bahnhof, Giesinger Bahnhofplatz 1

MetropolTheater, Floriansmühlstraße 5

Theater undsofort , Kurfürstenstraße 8, 

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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