Wenn die Welt gerecht wäre …..

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… und überschaubar einfach, dann wüsste man seit Dienstag wer der neue Landrat von Pfaffenhofen sein wird. Pafnet.tv, der mehr oder minder bemühte Bewegtbildableger von pafnet, dem „Online-Treffpunkt der Region„, zeigte in einem löblichen Versuch die geballte Ladung „Landrats-Kandidaten-Sprech„.

Live und ungeschnitten wurde die komplette Riege der 5 Landratskandidaten präsentiert. Der konzentrierte, etwas steif wirkende Günter Böhm (AUL), der jovial daherkommende Rainer Daschner (FDP), ein bestens gebrieft und kämpferisch auftretender Rolf Deml (FW), Franz Rothmeier (SPD) auch hier in seiner Rolle als ehrlicher Sachwalter des Otto-Normal-Bürgers und ein unverkrampfter, eher der Jungen Union zuzuordnend wirkender Martin Wolf (CSU).

Hatte man die zu Beginn der Fragerunde dilettantisch zusammengeschusterten Einspielvideos mit der Kandidatenvorstellung und dem „Dani“ und „Basti“ Gehabe der beiden „Moderatoren“ unbeschadet überstanden, und nicht schon bei den in den Einspielern von den Kandidaten zum Teil clownesk vorgetragenen Schlussbemerkungen „ich möchte Landrat werden“ abgeschaltet, kam man in der restlichen Sendung auf seine Kosten.

CSU – Muss man auf „demokratisch“ jetzt schon besonders hinweisen ?

Als Wolf „seine“ Staatsregierung verteidigen musste (Stimmkreisreform, Umgehungsstraße) fiel besonders das Fehlen einer lokalen Parteigröße auf. Die sonst omnipräsent jede Milchkanneneinweihung an vorderster Kamerafront begleitende Landtagsabgeordnete Erika Görlitz (CSU) suchte man vergeblich unter den Studiogästen. So musste der CSU-Kandidat bei der Frage zur Gentechnik eine „Replik“ seines Kontrahenten Deml ganz alleine weglächeln.

Wolf verbrauchte seine, für alle Kandidaten auf 15 Minuten festgelegte Redezeit bereits vorzeitig (16:36). Worauf ihm FDP-Kandidat Daschner, in Treue fest zur CSU/FDP Landtagskoalition, für die Beantwortung einer Frage eine halbe Minute seiner Zeit schenken wollte (11:58). (Dascher: „Wolf sagt zwar das selbe wie ich, braucht als Verwaltungsmensch blos länger dafür“)

Daschner, Befürworter einer zusätzlichen Autobahnausfahrt Bruckbach ging seinen Mitstreiter Böhm wegen dessen Ablehnung frontal an. Er monierte die auf Böhms Website mit 8000 angegebene Zahl der Auspendler. Damit falle es natürlich leicht, eine zusätzliche BAB-Ausfahrt abzulehnen. Böhm verteidigte seine Angabe als offizielle Zahl des Statistischen Landesamtes.

(Peinlich: Die Zahlen der amtlichen Statistik lauten anders. Dort wird ein negativer Pendlersaldo von 12.100 angeführt. Das bedeutet, den 43.724 am Wohnort sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stehen 31.624 Pendler gegenüber)

Besonders störend waren die „Mitbringsel“ der Böhm unterstützenden Wählergruppierung. (auch das in Geisenfeld bekannte Ehepaar Staudter saß dabei). Mit fortschreitender Debattendauer versuchten sie „Böhm-Spruchbänder“ in die Kamera zu halten. Hatte Böhm doch das Glück, aus einem für seine Anhänger günstigen Kamerawinkel/ Achse eingeblendet zu werden (Auch Daschner hatte diesen Vorteil, seine Sympathisanten verhielten sich jedoch disziplinierter)

Alle anderen Kandidaten wurden größtenteils ohne die hinter ihnen sitzenden Unterstützer eingeblendet. Der Aufnahmewinkel der Kamera war trotz Vorbesprechung wohl nicht richtig kommuniziert worden.

Rolf der Baumeister – Aktienhandel ist „Wirtschaftskompetenz“ ?

So konnte man bei Demls Fundamentalschelte gegen den bayerischen Innenminister den hinter ihm sitzenden SPD Kreisvorsitzenden mitdenken sehen. Im Anschnitt sah man gerade noch den halben Kopf seines vom „Wissenschaftlichen Dienst“ der Landtags-FW ausgeliehenen Pressemanagers, jede Äußerung seines Schützlings fleißig mit dem Kopf nickend bejahend. Die Kreisvorsitzende der Freien Wähler, Landtagsabgeordnete Claudia Jung, saß dabei derart ungünstig, dass sie nur als Studio-Staffage hinter dem Moderator wahrgenommen werden konnte.

Und Rothmeier? Der SPD-Kandidat kam erst gegen Schluss der Fragerunde so richtig auf Touren und blieb dadurch als einziger der Kandidaten mit seiner Redezeit unter 10 Minuten. ((9:28) Die in die Rederunde eingebrachten Fragen aus der pafnet-„online Redaktion“ (bestehend aus einem Laptop) , die mit der Bemerkung „etwas gemein, trotzdem sehr schön„angekündigt wurden, ließen ausführliche Statements von ihm vermissen. Was soll man schon Sinnvolles antworten auf Fragen nach der größten Schwäche oder dem persönlichen Favoriten, falls man selber nicht gewählt werde.

Der neue „Dresscode“ im Landratsamt ?

Mit diesen Fragen hatten alle Kandidaten ihre liebe Mühe.

Nur, und das dürfte unvoreingenommene Beobachter nicht überraschen, der bestens gebriefte Kandidat der Freien Wähler nicht. Erst im Mai diesen Jahres von der Landkreis-FW verpflichtet, verströmte er den Charm eines vom hiesigen Politikbetrieb negativ überraschten Quereinsteigers. Als politischer Neuling, der in den letzten Wochen unvoreingenommen und unabhängig in Sachprobleme eingestiegen sei, musste er miterleben, wie Interessenvertreter des Landkreises von der großen Politik in München „abgewatscht“ und „abgefertigt“ wurden. Das könne so nicht bleiben.

Als einziger Bewerber vermittelte er auch den Eindruck, sich auf das „Stellenangebot Landrat“ angemessen vorbereitet zu haben. Die in der einschlägigen Literatur dazu angebotenen Verhaltensweisen schien er zu kennen. Zum Beispiel Antworten auf die Frage nach Schwächen grundsätzlich so zu formulieren, dass man daraus auch Stärken erkennen kann. („Man sagt von mir, ich sei ungeduldig. Liegt wohl daran, dass ich immer alles 100-prozentig machen möchte„)

Wohl wissend, nicht der Moderator, sondern die Zuschauer vor dem Bildschirm verteilen die Kreuzchen, wandte er sich bei seinem Schlussstatement als einziger Kandidat direkt an die Zuschauer, indem er in die Kamera sprach.

Dieses Bemühen, selbst in einer semiprofessionell gebastelten Internetsendung die Erwartung an einen neuen Landrat professionell zu bedienen und entsprechende Defizite der derzeitigen Politik zu formulieren, ist nicht nur gute „Verkaufe“. Dieses Bemühen zu unterstützen, böte dem Landkreis die Chance, eine „neue“ Politik nicht nur zu fordern, sondern sie auch zu bekommen!

Die verbleibenden 4 Kandidaten spulten Althergebrachtes ab, der Politikbetrieb hat an -oder in ihnen- seine jahrelangen Spuren hinterlassen. Zugegeben, alle mehr oder minder sympathische Kandidaten. (Angesichts einer „Personenwahl“ eine zulässige Bemerkung) Doch „Neues“ ist nur von dem Kandidaten zu erwarten, der sich erstaunt die Augen reibt und mit dem frischen Blick eines Neu hinzugekommenen in diesen Betrieb einbringen will.

Wenn die Welt gerecht wäre …..

… überschaubar einfach und der Wähler ohne festgefahrenes Lagerdenken mutig sein Kreuz machen würde …

würde die Wahl am 17. Juli anders ausgehen, als sie absehbar ausgehen wird.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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