Whistleblower Preis 2017 für Aufdeckung von Lebens- u. Gesundheitsgefahren

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Wenn ein Krebsmittel-Panscher auffliegt und Systemversagen offenkundig wird.

Vor dem Landgericht Essen wird aktuell einer der großen Medizinskandale in Deutschland verhandelt. Dabei geht es um einen Apotheker, der über Jahre teure Zubereitungen für Chemotherapien in großem Maßstab gepanscht haben soll, und damit Patienten womöglich gesundheitlichen Schaden zufügte. Aufgedeckt, und nun mit dem „Whistleblover Preis 2017 ausgezeichnet, wurden die Vorgänge von zwei Mitarbeitern, die ihren Chef angezeigt haben.

Den erstmals 1999 gestifteten „Whistleblower-Preis“ verleihen die „Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW www.vdw-ev.de) und die Deutsche Sektion der Juristenvereinigung IALANA (www.ialana.de).

In diesem Jahr erfolgt die Preisverleihung zum zehnten Male. Dabei geht die Auszeichnung

  • an den Dipl.-Volkswirt Martin Porwoll (Bottrop) und an die Pharm.-Techn. Assistentin Maria-Elisabeth Klein (Bottrop)
    für ihre im Herbst 2016 erfolgten Verdachts-Enthüllungen über die in der „Alten Apotheke“ in Bottrop (NRW) jahrelang praktizierte illegale Panscherei mit Anti-Krebsmitteln (Zytostatika) und über die dadurch bewirkte Schädigung mehrerer Tausend schwer- und oft todkranker KrebspatientInnen in fünf oder sechs Bundesländern
    sowie
  • an den früheren Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhüriyet“ Dr. Can Dündar ( z.Zt. im Exil in Berlin)
    für seine Ende Mai 2015 und danach unter schwierigsten Repressionsbedingungen in der Türkei erfolgten Enthüllungen über ein illegales sog. Staatsgeheimnis des autoritären Erdogan-Regimes; Gegenstand war die Anfang 2014 unter Verstoß gegen geltendes Völkerrecht unternommene Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung nach Syrien an terroristische Dschihadisten durch den Geheimdienst MIT des NATO-Mitgliedsstaates Türkei.
Hinweis aus WIKI: Ein Whistleblower (im deutschen Sprachraum zunehmend auch ‚Hinweisgeber‘, ‚Enthüller‘ oder ‚Skandalaufdecker‘), ist eine Person, die für die Allgemeinheit wichtige Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit bringt.

In der Begründung der Jury für die Preisvergabe an die diesjährigen Preisträger Porwoll und Klein heißt es unter anderem:

Die Preisträger Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein haben aufgrund ihres Insider-Wissens mit ihrem Whistleblowing wesentlich dazu beigetragen, dass die zuständige Staatsanwaltschaft dem Verdacht schwerer Straftaten eines Cyto-Apothekers, die strukturell nur schwer aufzudecken sind, überhaupt nachgehen und aufgrund ihrer umfangreichen Ermittlungen Anklage gegen ihn vor einem unabhängigen Strafgericht erheben konnte.

Ferner haben beide Whistleblower damit einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung künftiger weiterer Zytostatika-Panschereien mit schwersten Lebens- und Gesundheitsgefahren für eine unbekannte Vielzahl schwerkranker Krebs-PatientInnen geleistet.

Ihr Whistleblowing ist zugleich ein wichtiger Beitrag zur Aufdeckung von strukturellen Missständen in einem besonders kostenintensiven Bereich unseres Gesundheitswesen mit einem Jahresumsatz von ca. 4 Milliarden Euro, der sich auf ca. 50 Hersteller- und Vertriebsunternehmen; ca. 1200 Onkologen und ca. 250 Zytostatika-Apotheken verteilt: Durch das Whistleblowing wurde eine skandalöse defizitäre Kontrollpraxis der staatlichen Aufsichtsbehörden („Apothekenaufsicht“ durch die Amtsapotheker bei Gesundheitsämtern sowie bei der Bezirksregierung und im zuständigen Landesministerium) offenbar; hier ist ein großes Umsteuern erforderlich.

Zum Skandal um die Krebsmittel-Panschereien ein Filmbericht des NDR.

 

Weitere Infos zur Preisverleihung am 1. Dezember finden sie HIER.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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