„Sie können sicher sein, mit der „Handvoll Idioten“ sind nicht die Grundstückseigentümer gemeint“. Mit dieser Bemerkung versuchte Geisenfelds Bürgermeister Christian Staudter auf seiner ersten Bürgerversammlung einen, auf Umgehungsstraßengegner gemünzten verbalen Ausrutscher seines Freundes und Fraktionssprechers der Rathaus-USB Günter Böhm zu relativieren. Ob bewusst oder unbewusst, mit dieser nüchternen Präzisierung umriss der aus seinem früheren Broterwerb auch in der „richtigen Formulierung von Meinungen“ bewanderte Berufsschullehrer den verbleibenden Kreis der „Idioten“ sehr deutlich: Bürgerinnen und Bürger Geisenfelds.
Anstatt sich von dieser, als zutiefst undemokratisch zu bezeichnenden Aussage eines befreundeten Stadtrats zu distanzieren oder sie zu rügen, verfestigte er mit seiner unglücklichen Klarstellung diese Beleidigung als einen, in seinen Augen wohl tolerierbaren, politischen Stil.
Somit kann es niemand verwundern, wenn zum Beispiel bei einer weit über Stilfragen hinausgehenden Amtsführung, Fragwürdigkeiten in Form einer eindeutig unvollständigen, inhaltlich unrichtigen und von der Erheblichkeit der erfassten Vorgänge massiv abweichenden Niederschrift eines Stadtratsprotokolles zu beobachten sind.
Die politische Kultur in Geisenfeld
So geschehen mit dem Protokoll der öffentlichen Stadtratssitzung vom 21. Januar diesen Jahres. Diese, ausnahmsweise von vielen Bürgern besuchte Sitzung, begann um 19:00 Uhr mit der Ehrung eines Taubenzüchters und dem für die Dokumentation vorgesehenen, aber defekten Fotoapparat des Pressevertreters. Mit den restlichen Tagesordnungspunkten kam man an diesem Tag zügig voran. Gab es auf dieser Stadtratssitzung nur beim Tagesordnungspunkt 2 – „20. Änderung Flächennutzungsplan Gewerbegebiet Geisenfeldwinden“ – nennenswerte Wortmeldungen, so sollte sich das beim Tagesordnungspunkt „Bekanntgaben“ schlagartig ändern. Es wurde merklich lebhafter.
„Bürgersicht“ berichtete am 24. Januar über das nun folgende „Schrannerbashing“: „Kontroverse um eine Umgehungsstrasse“
Auch die Geisenfelder Zeitung griff diesen Teil der Sitzung am 23. Januar mit zwei Beiträgen auf. „Königer und Alter legen Schranner Rücktritt nahe“ und „Mandatsniederlegung für Hans Schranner kein Thema„.
In diesem Teil der Stadtratssitzung ging es, plötzlich und völlig ungeplant, um den Zusammenhalt im Stadtrat, den Politikstil im Allgemeinen und angebliche Wahlaussagen im Besonderen. Und den Bau der geplanten Umgehungsstraße. Stadtrat Schranner wurde der Rücktritt nahegelegt, man empörte sich nachträglich über angebliche „Rufmordkampagnen“ aus dem zurückliegenden Bürgermeisterwahlkampf und bedauerte dabei nicht doch juristisch dagegen vorgegangen zu sein und …..
….verstieg sich zu einer an dieser Stelle laut bayerischer Gemeindeordnung nicht mehr zulässigen Abstimmung. Das war der kommunalpolitische Sündenfall, erkennbar nicht nur für Verwaltungsrechtler. Statt diese Abstimmung zu verhindern, führte Staudter sie durch.
Doch von diesem, bei allen Anwesenden als signifikant in Erinnerung gebliebener Vorgang, den dazugehörenden empörten Wortmeldungen oder der regelwidrigen Abstimmung findet sich in der offiziellen Niederschrift das Stadt Geisenfeld : NICHTS!
(Link zur Niederschrift, zum runterladen und nachlesen)
Die Wirklichkeit wird zurechtgebogen
Es steht zu vermuten, um den ersten Fehler zu heilen oder zu vertuschen (die nach der Gemeindeordnung nicht mehr zulässige Abstimmung) verschwieg man diesen Punkt und alle dazugehörenden Begleitgeräusche und beging mit dem Ausstellen einer falschen Niederschrift einen noch größeren Fehler.
Was im Hasenzüchterverein noch durchgehen mag……
Würde ein unrichtiges Protokoll, eine unvollständige Niederschrift oder die simple Zusammenfassung eines in ihrer Erheblichkeit verfälschten Gesprächsverlaufes bei nachträglicher Beurteilung in einem Schützen- oder Gartenbauverein noch als Nachlässigkeit durchgehen, so werden an Niederschriften der kommunalen Selbstverwaltung gänzlich andere, wesentlich höhere Anforderungen gestellt.
Die falsche Niederschrift
Diese Niederschriften werden als „beweisfeste Aufzeichnung“ gesehen und erhalten durch die Unterschrift der Schriftführerin und des Bürgermeisters den Charakter einer Urkunde. Nur bei Gewähr der oben skizzierten Anforderungen kann eine Niederschrift zuverlässig Auskunft darüber geben, dass und wie die protokollierten Vorgänge und Ergebnisse wie erfasst stattgefunden haben. Der Nachweis der Fälschung- und dieser Nachweis wurde hier auf Bürgersicht und in der Heimatzeitung vom 23. Januar geführt– entkräftet das gesamte Protokoll. Da hilft auch die zwischenzeitlich durch den Stadtrat stillschweigend erfolgte Zustimmung nichts.
Mit einer Anzeige träfe man die Falsche
Auf diesen Sachverhalt angesprochen, erläuterte Oberamtsrat Wilhelm Weich von der Kommunalaufsicht Pfaffenhofen gegenüber „Bürgersicht“ die Rechtslage. Als einfacher Bürger sei einem der Beschwerdeweg über die Kommunalaufsicht verwehrt. Sie sei dafür einfach nicht zuständig. Für einen einzelnen Stadtrat sähe die Sache dagegen anders aus. Am Ende sei aber in dieser Sache wieder der gesamte Stadtrat gefordert. Er müsste schleunigst eine neue Niederschrift einfordern. Auf die Einrede, um in diesem Fall im Geisenfelder Rathaus für die Einhaltung von Gesetz und Ordnung sorgen zu können, bliebe dem Bürger ja nur eine private Anzeige, verwies Oberamtsrat Weich auf mögliche, nicht beabsichtigte Folgen. „Man würde unter Umständen mir einer Anzeige die Falsche treffen“. Die Schriftführerin. Trotz ihrer Weisungsabhängigkeit gegenüber dem Bürgermeister bliebe etwas an ihr hängen.„Bürgersicht“ hat daraufhin von einer Anzeige Abstand genommen!
Nachfragen bringt nichts
Auf diese Vorgänge um das falsche Protokoll der Stadtratssitzung vom 21.01.2010 angesprochen, erklärte Bürgermeister Christian Staudter in einem Telefonat mit „Bürgersicht“, er „stehe Bürgersicht weder für ein Videointerview noch für Auskünfte zur Verfügung„. „Derzeit“ schränkte er auf Nachfrage ein.
Wir hätten ihn gerne gefragt, wie es sich mit seinem Amtseid und seiner Führsorgepflicht gegenüber einer städtischen Mitarbeiterin verträgt, derartige Schriftstücke anfertigen zu lassen und Untergebene damit in prekäre Situationen zu bringen.
Wir hätten ihn gerne gefragt, warum er, sobald er auf „Bürgersicht“ in seiner Funktion als Bürgermeister mit seinen eigenen Worten zitiert wird, das als persönlichen Angriff , als „unter der Gürtellinie“ und als Missbrauch von städtischen Protokollen wertet.
Wir von „Bürgersicht“ hätten an ihn noch viel mehr Fragen. Wir hätten aber auch Antworten für ihn.
„Sie wollen mich fertig machen“. Aber nein Herr Staudter. Dabei würden sich doch beide Parteien nur zu wichtig nehmen. Was „Bürgersicht“ will – und im Verlauf der letzten Wochen auch immer mehr Bürgerinnen und Bürger Geisenfelds- ist ganz einfach und wirklich nichts außergewöhnliches:
Wir wollen einen Bürgermeister (und einen Stadtrat) der seine Arbeit anständig macht. Der die Bürger bei Zeiten informiert, keine Spielchen hinter dem Rücken der Bürger spielt, die Stadt nicht in finanzielle Abenteuer stürzt, bei sich anbietenden Alternativen diese nicht einfach beiseite wischt sondern verspricht, diese ernsthaft zu prüfen und einen sich selbst auferlegten Wahlspruch nicht nur vor sich her betet sondern ihn auch lebt. „Steh an der Spitze um zu dienen, nicht um zu herrschen.“ Sobald sie diesen, ihren Wahlspruch in die Tat umsetzen, klappt es auch wieder mit dem Vertrauen.
Das hätten wir alles angesprochen. Natürlich auch sein „Videoverbot“ auf Bürgerversammlungen. Nicht wirklich wichtig aber doch bezeichnend. Auch hier brachte Oberamtsrat Wilhelm Weich von der Kommunalaufsicht Licht ins Dunkel. Die dankenswerterweise von ihm zur Verfügung gestellten Kommentarauszüge der Bayerischen Gemeindeordnung tendieren in die Richtung, Bürgerversammlungen seien -entgegen der Auffassung des Geisenfelder Bürgermeisters- öffentliche Versammlungen im Sinn des Versammlungsgesetzes nach BGB. Somit gäbe es kein Aufnahmeverbot. Abgeschwächt wird diese Rechtsauffassung jedoch von der Annahme, die Bürgerversammlung sei eventuell doch ein gemeindliches Organ, wenn auch ein verkümmertes. Wie dem auch sei, ein Videoverbot dürfte in letzter Konsequenz keine Rechtswirksamkeit entwickeln. Eine endgültige Beurteilung kann aber getrost abgewartet werden.
Was auch abgewartet werden kann, ist die Reaktion der Stadträte auf der für den 25. März anberaumten Stadtratssitzung. Werden sie den Mut haben, die hier thematisierte falsche Niederschrift zu revidieren? Oder werden sie das Risiko eingehen, dass alle auf dieser Sitzung vom 21. Januar 2010 gefassten Beschlüsse (Bebauungsplanänderungen) eines Tages von einem Gericht wegen Rechtsunwirksamkeit der Niederschrift kassiert werden?
Bürgersicht wird natürlich auch von dieser Stadtratssitzung berichten.