Demografischer Wandel – Gewinner würden Scrabble spielen

Lesedauer 8 Minuten

Ralph Börner, Projektleiter „Demografischer Wandel“ und Leiter des Personalreferats technische Entwicklung bei der AUDI-AG sprach in Geisenfeld über Herausforderungen des demografischen Wandels

Für einen Referenten ist das natürlich die Höchststrafe“ quittiert Ralph Börner scherzhaft den Umstand, sein Referat nach der vorangegangenen Buffet-Pause beginnen zu dürfen. Auf Wunsch des örtlichen CSU-Bürgermeisterkandidaten Hans Schranner hatte ihn am 30. Januar die Geisenfelder CSU als Referent und Praktiker bei der AUDI-AG zum Thema „Demografischer Wandel“ zu ihrem Neujahresempfang eingeladen.

Auch wenn das Projekt, das wir bei Audi aufgesetzt haben, auf einen großen Betrieb bezogen ist“ stimmte Börner die Anwesenden auf den Mehrwert seines gut halbstündigen Referats ein, „glaube ich schon, dass man sich von den Erkenntnissen die wir dabei gesammelt haben, heute etwas mitnehmen kann.

Im Zuge seiner bei AUDI geleiteten Projektarbeit habe er entdeckt, „Demografischer Wandel ist eine Sache, die geht alle an.“ Denn „es gibt keine Zukunft ohne Berücksichtigung der Demografie“ ordnet er die Bedeutung dieses Handlungsfeldes ein, dessen Umschreibung ihm auch als Titel seines Referats diente.
Neben der Problematik des Fachkräftemangels, der Überalterung, der richtigen Arbeitsplatzgestaltung und Gesundheitsvorsorge gehe es bei der Gestaltung des demografischen Wandels auch um Wissenstransfer zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern.

Selbst Henry Ford wusste, wenn die 50-jährigen nicht in der Firma sind, läuft die Firma nicht“ umschrieb Börner eine Erkenntnis des Pioniers der Fließbandtechnik im Automobilbau.

Börner-BG-HD451
Was schalte ich zuerst an? Handy oder Kaffeemaschine?

Durch den demografischen Wandel muss sich auch AUDI auf veränderte Belegschaftsstrukturen einstellen. Veränderungen, die man auch bei sich zu Hause verfolgen kann.
Wer Kinder oder Enkel hat, wird folgendes feststellen: Diese Generation, nennen wir sie Generation Y, macht nach dem Aufstehen als erstes das Handy an um zu sehen, was auf dem sozialen Netzwerk alles passiert ist„. Diese Vernetzung sei typisch für die Generation der nach 1980 geborenen. „Was mache ich? Ich gehe als erstes in die Küche und mach mir einen Kaffee„.
Wenn man als Älterer an seinem Tun nun etwas ändern möchte, es muss ja nicht zwingend der Umgang mit Smartphone oder Tablet-PC sein, wann fange ich damit an und kann man überhaupt noch „anfangen“. „Ich kann sie beruhigen. Ein Anfang ist immer da. Sie können also jederzeit etwas ändern“ ermuntert der an der Bundeswehrhochschule in Hamburg ausgebildete Pädagoge seine Zuhörer.

Grenzen bewusst überschreiten

Der größte Part an dem wir arbeiten und an dem sich alle Qualifizierungsprogramme ausrichten ist die Veränderungsbereitschaft„. Der Mensch als soziales Wesen sei ja bestrebt, für sich Stabilität und Sicherheit zu erzeugen. Veränderungen müssen also schnell stabilisiert werden.

Doch Anpassungsfähigkeit erhalte man sich nur mit Veränderungsbereitschaft und bewusster Grenzüberschreitung. Seine persönliche Schutzzone verlassen, egal in welchem Alter etwas Neues ausprobieren. „Danach kann man es für sich selbst immer noch ablehnen“ beruhigt Börner. Nur so könne man Schritt halten wenn sich alle anderen um einen herum verändern.Besonders im Hinblick auf sich verändernde Qualifikationsanforderungen müssen Mitarbeiter über alle Altersgruppen dauerhaft lernbereit und flexibel sein.

Die Erfolgsmuster der einzelnen Generationen sind sehr unterschiedlich.

Die schon angesprochene Generation Y ist Studien zufolge die bestausgebildete Generation, die jemals für den Arbeitsmarkt verfügbar war. Top ausgebildet, mehrsprachig, wissen genau was sie können und kommen im Regelfall aus einem Ein- oder Zwei Kinderhaushalt.
Was passiert nun, wenn diese Generation y mit den über 50-jährigen zusammenkommt? Also unterschiedliche Überzeugungen aufeinander treffen?

Ob etwas richtig oder falsch ist entscheide ich selber – Von Fall zu Fall

Stellen sie sich vor, Sie gehören zu den vielen Führungskräften die erwarten, wenn sie eine Anweisung geben, dass diese auch befolgt wird. Das sieht die Generation Y ganz anders. Sie bekommen jetzt jemand ins Team der einer Umfrage zufolge angab, er „hätte gern so oft wie möglich Feedback, möchte aber selbst bestimmen dürfen, ob dieses adäquat ist„. Da könnte die Zusammenarbeit etwas schwierig werden, schlussfolgerte Börner.

Als Einzelkind haben die Vertreter dieser Generation im Regelfall die geballte Fürsorge von 6 Erwachsenen genossen. „Da die das für normal halten, wundern sie sich, warum der Chef nicht dauernd um sie rumturtelt„, verdeutlicht Börner diese divergierende Erwartungshaltung.

Auch ist „im Netz“ sofort überprüfbar, ob die vom Vorgesetzten getroffenen Aussagen, korrekt und richtig waren. „Es lässt sich auch sofort überprüfen, ob das was gesagt wurde nachhaltig funktioniert„.
Früher brauchte man zwei Jahre um ein Vertrauensnetzwerk aufzubauen, so Börner.“Das geht heute viel schneller„. Neben den unterschiedlichen Auffassungen sollte auch die unterschiedliche „Fitness“ der Generationen berücksichtigt werden.

Bild mit Vize-Hopfenkönigin- Zwei die sich mit dem demografischen Wandel beschäftigen: Bürgermeisterkandidat Schranner (links) und Referent Börner (rechts).
Bild mit Vize-Hopfenkönigin- Zwei die sich mit dem demografischen Wandel beschäftigen: Bürgermeisterkandidat Schranner (links) und Referent Börner (rechts).

Mit zunehmendem Alter kommen die Zipperlein.

Bei AUDI stellte man sich die Frage, wie muss ein Fertigungsbetrieb aufgebaut sein, um mit Mitarbeitern, die altersbedingt nicht mehr ganz so fit sind, richtig umgehen zu können.
Um die altersbedingten Veränderungen zu verdeutlichen, bat Börner seine Zuhörer bei einem Wahrnehmungsexperiment mitzumachen. Dazu projizierte er eine Bewegtgrafik auf die Leinwand, mit der nun jeder der Anwesenden seine individuelle „kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit optischer Reize“ testen könne. (Test aus der Unfallforschung)

Verschwinden die Punkte ?
Verschwinden die Punkte ?

Betrachtet man mit einem starren Blick das Kreuz in der Mitte der kreisförmig angeordneten rosa Punkte, so bewegt sich ringsherum einer dieser rosa Punkte. Nach kurzer Zeit wird dieser grün. Konzentriert man sich weiter auf das Kreuz, verschwinden nach und nach die rosafarbenen Punkte – nur noch ein einzelner grüner dreht seine Runde. (Das ist die Theorie. In der Praxis verschwinden -je nach Alter- die rosa Punkte NICHT oder nur gaaaaanz langsam)

„Mit 20 geht´s bergab, aber … doch das alte Gehirn schneidet bei manchen Aufgabentypen besser ab als das junge!“ war eine der von Börner gezeigten Folien überschrieben. Wie viele ältere Besucher aus dem vorrangegangenen Test für sich erkennen mussten, war ihre Verarbeitungsgeschwindigkeit bei optischen Reizen altersbedingt schlecht. Spielerisch könnten sie das jedoch kompensieren, tröstete Börner seine Zuhörer.

Gewinner spielen Scrabble

Wenn man die Kinder/Enkel beim Spielen gewinnen lassen möchte, spielt man Memory mit ihnen. Das läge an der Verarbeitungsgeschwindigkeit optischer Reize, die bei jüngeren eben vitaler sei . Wenn man selber gewinnen möchte, spielt man mit ihnen Scrabble, da hier das bei älteren ausgeprägtere Erfahrungswissen den Ausschlag gibt.

Neben veränderter geistiger Leistungsfähigkeit gilt es auch die altersbedingt auftretende körperlichen Einschränkungen zu bedenken.
Bei AUDI begegnete man den körperlichen Anforderungen an die Kollegen in der Fertigung mit einem „Alterssimulations-Anzug„. „In den steckten wir unsere Fertigungsplaner und haben sie gebeten, damit die Maschine zu bedienen, die sie für ihre Kollegen gebaut hatten“. Seitdem geht’s besser, berichtet Börner verschmitzt.“ Dieser Anzug ist wirklich gut geeignet, um jungen Führungskräften zu vermitteln, wie Arbeitsfolgen zu gestalten sind„.

Börner-BG-HD453
Referent Ralph Börner. Ein leidenschaftlicher Verfechter des Senioritätsprinzips

Know-how nimmt im Alter zu

All das, was sie brauchen um erfolgreich zu sein, das wächst mit zunehmenden Alter. Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Experten-und Erfahrungswissen, Urteilsfähigkeit“ nennt Börner die gleichlautenden Erkenntnisse verschiedenster Untersuchungen bei Veränderungen im Alter.

„Im Alter braucht man keine 10 Fehlversuche um etwas zu finden, was funktioniert“ stellt Börner klar.

Doch vor dem „Alt“ werden sollte man sich die Frage stellen, was von dem was uns gesundheitlich ereilt ist selbst beeinflussbar, und was ist genetisch bedingt?

Eine Untersuchung ergab:
70-90 Prozent der 4 häufigsten chronischen Erkrankungen sind selbst beeinflussbar: Dickdarm-Krebs, Schlaganfall, Herzinfarkt und Erkrankung der Herzkranzgefäße oder Alterszucker wären potentiell durch Änderung der Lebensgewohnheiten vermeidbar!

Hält besonders gut fit und damit jung: Mehrgenerationen Häuser.

Das läge nicht nur daran, dass sich Senioren bei der Hausaufgabenbetreuung zum Beispiel mit Mathe beschäftigen. „Es sind die sozialen Konflikte und Reibereien zwischen den Generationen. Die Menge an Emotion ist es, die Ältere jung hält„, unterstreicht der Vater zweier Kinder den Einfluss von Gemütsbewegungen auf den Erhalt geistiger Vitalität im Alter.

Geistig fit durch Ausdauersport und richtiger Ernährung – Sudoku & Co nur „nice to have“.

Gehirnjogging ist gut, doch sobald Denkprozesse automatisiert ablaufen, wie zum Beispiel bei Logikrätseln wie Sudoku, fordern sie das Gehirn kaum noch“ räumt der Referent bei den Besuchern eine zwar populäre, aber für den Erhalt geistiger Fitness nicht ausreichende Freizeitbeschäftigung ab.
Dagegen genüge 2 oder 3mal pro Woche ein zügiger Spaziergang um das Gehirn zu trainieren. Wer etwas neues, zum Beispiel ein neues Instrument lerne, trainiere sein Gehirn auf effektive Weise.

Als Zuhörer der von Ralph Börner sehr unterhaltsam vorgetragenen Anforderungen und Lösungsansätze für eine allem Anschein nach Alt aussehende Zukunft, nahmen die zu Beginn seines Vortrags bereits als in der Mehrheit über 30-jährig erkannten Besucher eine zentrale Erkenntnis für ein Miteinander bei der Lösung demografischer Herausforderungen mit:

„Die Jüngeren rennen zwar schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzung!“

Das könnte sie auch interessieren:

Stellenanzeigen – Machen wir sie doch so einfallslos wie möglich. – Studie – Wie sie mit der Schlüsselqualifizierung „unter anderem“ eigentlich jeden Job bekommen müssten.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

Schon gelesen?

Geisenfeld -Protest der Landwirte nimmt kein Ende

Landwirte in Oberbayern auf dem Weg zu einem Protesttreffen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert