Deutsche Politik und ihre desaströse Fehlerkultur

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Da liefen sie, die Omas gegen rechts. Zusammen mit Zehntausenden von besorgten, demokratisch beseelten Bürgern bevölkerten sie Straßen und Plätze, folgten einem von Regierungsvertretern und Medien befeuerten Aufruf, sich gegen „Hass und Hetze“, „rechtsextremes“ Gedankengut und „rechtspopulistische“ Strömungen zu positionieren und so die Demokratie zu verteidigen.

In etlichen deutschen Großstädten konnte man im Frühjahr dieses neue Phänomen beobachten, das Bürger nicht gegen, sondern im Sinne der Regierung protestierten. Neben den für jede Gelegenheit passenden Transparenten wie „Hass ist keine Meinung“- oder „Deutschland ist bunt“-Transparenten, gab es aber auch an Themaverfehlung erinnernde „Jedes Kind zählt, egal woher es kommt“- Transparente“.

Auslöser waren Berichte zu einer im Januar 2024 veröffentlichten (und seit Veröffentlichung mittlerweile stillschweigend fünfmal überarbeiteten) „Correctiv„-Recherche zu einem angeblich „geheimen Treffen mit Rechtsextremen, bei dem auch AfD-Politiker anwesend waren“. Auf diesem Treffen sprach Martin Sellner, Buchautor „und ein führender Kopf der Neuen Rechten“ zum Thema „Remigration. (Correctiv)

Remigration. Ein zwar schwammiges, aber doch zu tolles Wort, als dass man es als Ampelministerin ungetriggert an sich vorbeiziehen lassen könnte. Also schnell einnorden und folgendermaßen zum Halali gegen „rechts“ geblasen.

Das [Treffen] weckt unwillkürlich Erinnerungen an die furchtbare Wannsee-Konferenz„, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser der „Funke Mediengruppe“. „Aber was hinter harmlos klingenden Begriffen wie ‚Remigration‘ versteckt wird“, so Faeser weiter, „ist die Vorstellung, Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren.

Die „Legal Tribune Online“ (LTO) schrieb dazu: „Die Berichterstattung sorgte neben Anerkennung für die Rechercheleistung auch für Kritik, da neben den unstreitigen Tatsachenberichten zahlreiche gewichtige Aussagen – sowohl nach Auffassung von Correctiv sowie den Teilnehmern des Treffens – nicht als Tatsachen-, sondern als nicht angreifbare Meinungsaussagen formuliert wurden. Es geht um Formulierungen wie „Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“ oder „Wichtigstes Ziel“ sei es, Menschen „aufgrund rassistischer Kriterien“ aus Deutschland zu vertreiben – „egal, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht.“

Mehrere Medien begingen in ihrer Berichterstattung zur Correctiv-Recherche den Fehler, die von Correctiv vorgenommenen Interpretationen zu auf dem Treffen gemachten Aussagen, als Tatsachenbehauptungen zu werten, – also allein schon beim Lesen der Correctiv-Recherche journalistische Standards zu missachten-, und so unwahre Tatsachenbehauptungen zu verbreiten.

So wurde z. B. der Norddeutsche Rundfunk (NDR), der für die „Tagesschau“ verantwortlich ist, noch am 23. Juli 2024 verurteilt, nicht weiter zu berichten, dass auf dem Potsdamer Treffen auch eine Ausweisung von Staatsbürgern diskutiert worden sei (Beschl. v. 23.07.2024, Az. 7 W 78/24). „Das OLG Hamburg stützte das Verbot dieser Aussagen darauf, dass es sich hierbei um prozessual unwahre Tatsachenbehauptungen handele“. (LTO)

Aber hallo, für was, oder besser gefragt, gegen was hatte man nun im Frühjahr 2024 protestiert? Gegen einen von „rechts“ nie besprochenen „Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern aufgrund ihrer Ethnie“? (Das Wort „Ethnie“ wurde aus dem Recherche-Text von Correctiv nachträglich gestrichen)

Die Empörung über die -wohlgemerkt so nicht stattgefunden habende „Ausweisungsdiskussion“-waberte noch etwas im Land, da kamen das Messerattentat in Solingen, Statistiken zur angestiegenen Ausländerkriminalität und die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Und …. die zwei Tage vor diesen Landtagswahlen durchgeführte Abschiebung von 28 afghanischen Straftätern nach Afghanistan. Plötzlich wurde eine härtere Gangart eingeschlagen. Ein Vorgehen, dass von der Politik bisher als nicht machbar abgelehnt wurde, könnte aufgrund sich verstetigender AfD-Wahlerfolge nun zum Trend werden. Ebenso wie verstärkte Kontrollen und Zurückweisungen an Deutschlands Grenzen. Bisher von Regierung und Medien als unmöglich Verkauftes wird unter dem Stichwort „irreguläre Migration“ plötzlich möglich.

Erneut die Frage: Was war das noch, das die im Frühjahr „für Demokratie“ und „gegen rechts“ Demonstrierenden eigentlich auf die Straßen getrieben hatte?

Sie müssten sich doch, angesichts der regierungsamtlich angekündigten Abschiebungsvorhaben und den Zurückweisungen an den Grenzen, von der Politik jetzt ziemlich verarscht vorkommen?

Zumal die in Deutschland erst zögerlich Fahrt aufnehmende „Asylwende“ in einigen EU-Ländern bereits Tempo aufgenommen hat. Dänemark, Schweden und die Niederlande sehen ihre Länder in einer Art „Asyl-Krise“, verschärfen die Grenzkontrollen und setzen Teile des Ausländerrechts außer Kraft. (z.B. könne in den Niederlanden die Aufenthaltsgenehmigung entzogen, permanentes Bleiberecht gestrichen oder staatlich subventionierte Unterbringung verweigert werden“) In Schweden, wenn dort ein Antrag abgelehnt wird, gibt es keinen Tagessatz von umgerechnet 7,50 Euro mehr, sondern nur noch Essen, wandern inzwischen mehr Syrer und andere Asylzuwanderer aus, als reinkommen.

Und da „der Kanzler jetzt aufgewacht ist“, (Viktor Orbans Spott über die neue Grenzpolitik Deutschlands) vernimmt man nun wieder verstärkt Zuckungen gegen eine Verschärfung des Asylrechts in Deutschland. Die Regung kommt nicht nur aus Vereinen, Organisationen, Betreiberfirmen von Flüchtlingsunterkünften oder Anwälten die in Deutschland mit Flüchtlingen Geld verdienen. Auch Prominente, oder zumindest Semiprominente wollen ihre Sicht dazu kundtun.

Wie zuletzt in der „taz“ (Tageszeitung) vor einigen Tagen. Unter der Überschrift „Mein Deutschland bleibt offen – 32 Prominente sagen: Wir wollen ein offenes Land“, äußerten sich Semiprominente und Kulturschaffende zur Verschärfung der Asyldebatte. (Einzig Kardinal Reinhard Marx war unter den C u. D. Promis prominent)

Die ausweislich ihrer Argumentation offensichtlich in einer Pseudo- oder Scheinrealität lebenden „Prominenten“ argumentierten in diesem Artikel vergleichbar paralogisch, wie man es streckenweise auch auf den Transparenten der Frühjahrsdemos „für Demokratie“ lesen konnte. (siehe „Jedes Kind zählt, egal woher es kommt“)

Ich will nicht in einem Land ohne Migranten leben“, „Deutschland nur mit Biodeutschen wäre furchtbar.“, „Mein Deutschland bleibt offen, weil in der Welt noch so viele wertvolle Menschen sind, auf die ich neugierig bin.“, „Deutschland ist so sicher wie seit Jahrzehnten nicht mehr! Und wir brauchen weiter Zuwanderung, um uns kulturell, geistig, seelisch und als demokratischer Staat weiterzuentwickeln.“, „Ein Deutschland, das seine Türen verschließt, verliert nicht nur seinen humanitären Anspruch, sondern auch einen Teil seiner Menschlichkeit“.

Wer sagt diesen und anderen irrational argumentierenden Menschen, dass es in der Asyldiskussion um die Begrenzung unkontrollierter Massenzuwanderung geht und nicht um Ausländer schlechthin? Keiner, nicht mal die AfD lehnt generell Menschen mit Migrationshintergrund ab! Doch offen zu sein für andere Kulturen, heißt doch nicht, dass wir „Bio-Deutsche“ oder hier assimilierte Zuwanderer, jeden der es nur will ins Land lassen sollten!

Für manchen muss es in Sachen Zuwanderung wirklich sehr schwer sein zu differenzieren. Warum nur verschließen zu viele in unserem Land die Augen vor Fakten wie Überlastung der Sozialsysteme, Mangel an Wohnraum, zu viele Ausreisepflichtige oder steigender Ausländerkriminalität.

Wir Deutsche haben es seit 2015 ja wirklich gut gemeint mit Willkommenskultur und Migration. Doch bei diesem „gut gemeint“, haben wir die Umsetzung, dass „gut gemacht“ wohl nicht hinbekommen.

Im Zusammenspiel zwischen grüner Ideologie und unzulänglichem Regierungshandeln muss man sich die immer drängendere Frage stellen, „Wo sind eigentlich die Erwachsenen im Raum“?

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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