Ist Bürgermeister Christian Stauder jetzt im Nebenerwerb Immobilienmakler? Man mag es kaum glauben, doch mit einem offiziellen, auf Briefpapier der Stadt Geisenfeld verfassten Schreiben -an „Alle Bürger/innen von Geisenfeld“- bietet er Wohnungen eines Deggendorfer Bauträgers an.
Dieser Beitrag wurde bisher 85 x aufgerufen.
Ab Frühjahr 2012 wurde bei der Caritas, dem Betreiber des Geisenfelder Altenheims, kühn gedacht. Das in die Jahre gekommene Altenheim abreißen, vorher ein neues Seniorenheim daneben hinstellen und auf dem durch Abriss freigeräumten Gelände noch einen Wohnkomplex für betreutes Wohnen errichten.
Ein Umstand, den Geisenfelds Bürgermeister Christian Staudter später, als die Realisierung dieses „Seniorenzentrums“ Formen annahm, in bekannt superlativischer Ausdrucksweise als „Meilenstein“ und Vision für die Zukunft bezeichnete.
„So etwas wäre in der Region einmalig und ein echtes Alleinstellungsmerkmal.“ (Staudter in der Heimatzeitung)
Da weder Stadt noch Caritas die im Jahr 2012 prognostizierten Kosten für den Altenheimneubau von ca. 7 Millionen Euro stemmen wollten (oder nicht konnten) bot sich mit der „Erl- Bau GmbH & Co. KG, Deggendorf “ ein auf derlei Fälle spezialisierter Bauträger an.
Der „Traumpartner“ (O-Ton Bürgermeister Staudter), ein bayernweit tätiger Bauträger und Anbieter von Seniorengerechten Wohnanlagen, erwarb das benötigte Grundstück von der Stadt und errichtete zwischen April 2014 und Januar 2015 darauf für ca. 12 Millionen Euro ein dreistöckiges Wohn-und Pflegeheim mit insgesamt 76 Pflegeapartments.
Kaufpreis der bei „Erl-Bau“ zu erwerbenden Apartments: Ab 138.400,- €. Mieter und Betreiber der gesamten Anlage wird/wurde anschließend der „erfahrene und finanzstarke Betriebsträger Caritas“ (Eigenwerbung Erl-Bau)
Darüber, dass „das neue Seniorenheim weiterhin von unserem bewährten Partner der Caritas betrieben wird“ freute sich Bürgermeister Staudter so sehr, dass er es den „Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Geisenfeld“ in einer Postwurfsendung mitteilen musste.
Auf offiziellen Briefpapier der Stadt Geisenfeld und unter dem Briefkopf „Der Bürgermeister der Stadt Geisenfeld“ ließ er mit Datum „im März 2014“ Bürgerinnen und Bürger wissen, dass sie in diesem Neubau „sogenannte Pflegeappartements“ erwerben können.
In dem mit Bauträger- Verkaufsrhetorik überfrachteten Schreiben konnte man auch den abgedroschenen und offensichtlich Nachfragedruck erzeugenden Hinweis lesen, das ERLBAU „allen Bürgern der Stadt ein Vorkaufsrecht bis zum 15. April 2014 eingeräumt hat„. Dazu könne man sich „jederzeit“ unter der angegebenen Telefonnummer an ERLBAU wenden. (Anmerkung: Aktuell kann man auf der Internetseite von Erl-Bau noch immer Apartments im Geisenfelder Seniorenheim kaufen)
Zwischenzeitlich wurde das neue Seniorenheim am 22. Februar 2015 mit Segnung vom Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer eingeweiht und die nächste Baustelle steht in Geisenfeld an. Für Erl-Bau!
Am 29. Januar gab der Stadtrat der Erl-Bau grünes Licht für den neben dem Seniorenheim zu errichtenden dreistöckigen Wohnkomplex mit 28 Wohnungen für betreutes Wohnen. (Lt. Angaben von ERLBAU ist die Fertigstellung bis Jahresende 2015 geplant. Kaufpreis einer Wohnung: ab 165.200,- €)
Auf dem dafür vorgesehenen Grundstück ist das Altenheim noch nicht abgerissen, da liegt erneut ein Werbebrief des Geisenfelder Bürgermeisters im Briefkasten.
Erneut auf Briefpapier der Stadt, mit „Bürgermeister“ Briefkopf und im mit Stadtwappen und „ERLBAU„-Logo bedruckten Briefkuvert. Diesmal adressiert „An alle Bürger/innen von Geisenfeld„.
Unter dem Datum „Geisenfeld, Februar 2015“ freut sich der Bürgermeister „dass das Betreute Wohnen von unserem bewährten Partner der Firma ERLBAU GmbH& Co.KG aus Deggendorf gebaut wird„. (Im ersten Werbebrief vom März 2014 war der bewährte Partner der Stadt noch die Caritas und ERLBAU der Partner der Caritas)
Und, Überraschung, auch in diesem von blumiger Verkaufsprosa durchzogenen Brief lässt Staudter wissen, dass das „durchdachte und ganzheitliche Konzept der Firma ERLBAU“ den „Stadtrat erneut überzeugt“ habe und dass sich die Stadt Geisenfeld freut „dass die Firma ERLBAU allen Bürgern der Stadt ein Vorkaufsrecht bis zum 15. März eingeräumt hat„. Man könne sich jederzeit -unter den angegebenen Kontaktdaten- entweder an ERLBAU oder (Achtung neu) an die Sparkasse Pfaffenhofen wenden.
Zwei Mal Post vom Bürgermeister. Zwei Mal unverhohlene Werbung von Bürgermeister und Stadt Geisenfeld für einen privaten Bauträger!
Beide Male von Bürgermeister Staudter u n d zusätzlich von Alois Erl im ersten, und im zweiten Brief mit „Ihre Familie Erl“ unterschrieben.
Zwei Mal eine unverblümte Kaufaufforderung des kommunalen Wahlbeamten Staudter für einen privaten Bauträger!
In beiden Briefen machte Staudter auch nicht vor Renditeversprechen halt:
Die „ERL-Pflegeimobilien / Vorsorgeimmobilien stellen dabei eine wertorientierte … Investition mit sozialer und wirtschaftlicher Rendite dar„.
Beim Überfliegen der Briefe könnte zudem beim Adressaten schnell ein falscher Eindruck entstehen.
Verleitet durch optische Aufmachung und inhaltliche Versatzstücke wie „Stadtrat stellte die Weichen„, „unser bewährter PARTNER„, oder „Stadtrat hat einstimmig eine zukunftsträchtige Entscheidung getroffen“ könne man leicht den Eindruck gewinnen, die von Bürgermeister Staudter vertretene Stadt Geisenfeld sei nicht nur der eindeutige Absender, sondern beide Objekte seien auch städtische Objekte!
Noch Fragen? Ja sicher!
Wer hats erfunden, wer hats gezahlt? Wer war wirklich der Urheber der Briefe mit der Verkaufsprosa?
Warum lässt der Wahlbeamte Staudter hier jedes Gespür für Zurückhaltung vermissen?
Eines ist bezüglich des Geisenfelder „Seniorenzentrums“ bereits sicher: Wer oder was ihn auch immer veranlasste, Normalität als Besonderheit zu verkaufen, die Seifenblase mit der vom Bürgermeister großsprecherisch als „Alleinstellungsmerkmal in der Region“ überhöhten beiden Bauten ist geplatzt!
In Geisenfelds Nachbarschaft, Luftlinie 10 km und 15 Autominuten entfernt, gleicher Landkreis, gleiche Region errichtet Staudters „Traumpartner Erl-Bau“ gerade ein weiteres „Seniorenzentrum„.
In der Gemeinde Baar-Ebenhausen wurden dazu Anfang Februar die Verträge für den Bau mehrerer Gebäude unterzeichnet. In diesem „Seniorenzentrum“ werden 80 Plätze für vollstationäre Pflege und im ersten Schritt 27 Wohnungen für betreutes Wohnen entstehen. (Weitere 29 Wohnungen sind angedacht)
Der Bürgermeister der Gemeinde Baar-Ebenhausen, Ludwig Wayand, sekundierte diesen privatwirtschaftlichen Vorgang nur verwaltungstechnisch, als nur baurechtlich. Eventuell muss man wie Wayand die Sozialisation als Bundeswehroffizier durchlaufen haben, um zu erkennen, wo man sich -z.B. als Bürgermeister-zurücknehmen sollte!
Ach ja, es entstehen in Baar-Ebenhausen nicht nur mehr Pflegeplätze, auch die Kaufpreise sind dort etwas günstiger. So gibt es zum Beispiel Wohnung im Betreuten Wohnen zum Kaufpreis ab 162.300,- €.