Bayerns Bürger-Energiegenossenschaften wollen sich gegen das drohende Aus für die Energiewende wehren
Vertreter von rund 30 Bürgerenergiegenossenschaften aus dem ganzen Freistaat trafen sich vergangenen Dienstag auf Einladung der Bürgerenergiegenossenschaft Pfaffenhofen im Stockerhof in Pfaffenhofen a. d. Ilm um die Gründung einer neuen landesweiten Vereinigung vorzubereiten.
Mit von der Partie waren unter anderem Vertreter aus Neumarkt in der Oberpfalz, Altötting, München, Freising, Ebersberg, dem unterfränkischen Rhön-Grabfeld, Vertreter des Netzwerks der Nordbayerischen Bürgerenergiegenossenschaften, der Bürgermeister der Stadt Pfaffenhofen, Thomas Herker, der Pfaffenhofener Wirtschaftsreferent Markus Käser, die Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter, sowie Gastreferentin Elisabeth Strobel, der Landesvorsitzenden der Bürgerenergiegenossenschaften in Baden-Württemberg.
Bild oben: v.l.n.r.– Markus Käser, Stadtrat und Vorstand Energie- und Solarverein Pfaffenhofen, Elisabeth Strobel, Landesvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaften in Baden-Württemberg, Andreas Herschmann, Vorstand Bürgerenergie im Landkreis Pfaffenhofen eG
„Die bayerische Staatsregierung widerspricht ihren eigenen Zielsetzungen und torpediert unsere Rahmenbedingungen. Wie müssen gegensteuern! Bürgerenergie-Erzeuger sind derzeit gut beraten, sich zusammenzuschließen, um zu verhindern, dass im Zuge notwendiger Reformen das Rad der Zeit nicht gleich ganz zurückgedreht werden kann“, erläuterte Andreas Herschmann bei seiner Begrüßung die Hauptmotivation zur Initiative.
„Dass so viele von Euch gekommen sind zeigt alleine schon, dass die Zeit ist reif! Es ist nicht mehr der Kampf der Technologien, sondern ein Kampf der Geschäftsmodelle. Dezentrale Energie in Bürgerhand oder zentralisierte Kraftwerke in der Hand von Großkonzernen. Und Bürgerenergie ist die letzte Hoffnung der dezentralen Energiewende“, motivierte auch BEG-Pressesprecher und Vorstand des Energie- und Solarvereines Markus Käser die Anwesenden zur Gründung eines Verbandes.
„Auch unser gesamtes Netzwerk mit rund 40 Genossenschaften will dem Verband beitreten. Nur mit einem gesamtbayerischen Verband finden wir das nötige Gehör auch bei der Politik“, so Peter Weierich, vom Netzwerk der Nordbayerischen Bürgerenergiegenossenschaften.
Unterstützung bekamen die Pfaffenhofener außerdem aus dem Nachbarland Baden-Württemberg. Dort hat man schon so seine Erfahrungen mit einem eigenen Landesverband der Bürgerenergiegenossenschaften (BEGs) gemacht. Über diese zu berichten und den bayerischen Energie-Brüdern im Geiste wertvolle Tipps und Tricks an die Hand zu geben, war das Anliegen von Elisabeth Strobel, der Landesvorsitzenden der Bürgerenergiegenossenschaften in Baden-Württemberg.
Den eingetragenen Verein gibt es seit 2009, er vertritt inzwischen 65 Genossenschaften mit insgesamt 7000 Mitgliedern zwischen Heidelberg und Konstanz. „Wir haben keine wirtschaftlichen Interessen“, versicherte Strobel den Bayern, „unser Anliegen ist ausschließlich politische Lobbyarbeit“. Dazu gehört es unter anderem, sich neu konstituierenden Energiegenossenschaften standardisierte Prozesse für die Gründungsgutachten zu erstellen oder Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen zu organisieren und zu begleiten. Außerdem stellt der Landesverband den Kontakt und die Diskussion mit wichtigen politischen Akteuren her, unter anderem mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU).
Der weitere Verlauf des Abends drehte sich dann vor allem um die konkrete Organisationsform des geplanten bayerischen Zusammenschlusses, die weitgehend einstimmig von den Teilnehmern demokratisch beschlossen wurden. „Wir werden nun bis zum 2. April eine Satzung erstellen“, gibt der Pfaffenhofener Energie-Genosse Andreas Herschmann die nächsten Schritte vor. Am 29.04.2014 soll dann in München die offizielle Gründung vollzogen werden.
Einiges steht vorab schon weitgehend fest: etwa der jährliche Mitgliedsbeitrag von rund 100 Euro je Genossenschaft, der Name („Bürgerenergie Bayern e. V.“), die Finanzierung über Fördermitglieder und die weitgehend ehrenamtliche Tätigkeit der Akteure – wobei man langfristig einen hauptamtlichen Geschäftsführer nicht ausschließen möchte. „Ein wichtiger Aufgabenbereich neben Networking ist auch die Öffentlichkeits- und Imagearbeit. Wir wollen die Bürger informieren und vom Geschäftsmodell der Bürgerenergiegenossenschaften überzeugen“, so Käser zu den Zielen des Verbandes in Gründung.
Hintergrund:Der Wind weht momentan ziemlich rau für die alternativen Energieerzeuger. Eine vom Deutschen Bundestag eingesetzte sechsköpfige Expertenkommission unter Leitung von Dietmar Harhoff, dem Direktor des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb mit Sitz in München, hat jetzt empfohlen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vollständig abzuschaffen. Es sei weder ein kosteneffizientes Instrument für den Klimaschutz noch entfalte es eine messbare Innovationswirkung, zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus dem noch unveröffentlichten Gutachten. „Aus beiden Gründen ergibt sich deshalb keine Rechtfertigung für eine Fortführung des EEG“, schreiben die Wissenschaftler. Und in Bayern versucht derzeit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zumindest dem aeronautischen Teil der Energiewende – unter anderem mit seiner 10H-Regelung – die Luft abzuschnüren.
Für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dürfte die Studie Wasser auf die Mühlen sein. Er hatte bereits im Januar angekündigt, das EEG bis zum Sommer dieses Jahres zu reformieren und das unter anderem auch mit den steigenden Strompreisen begründet. Man darf allerdings die Frage stellen, ob die Wissenschaftler in dieser Frage völlig uneigennützig und objektiv argumentieren. Immerhin leben sie zu einem nicht unerheblichen Teil von privaten Fördergeldern – sogenannten Drittmitteln – aus der Industrie.
Und gerade die besonders energieintensiven Branchen haben ein massives Interesse daran, die Kosten der Energiewende auch weiterhin auf den privaten Verbraucher abzuschieben.