Journalisten, die Regierungsmeldungen apportieren …..

Lesedauer 7 Minuten

…. sind Mitverschworene der Politik, da sie die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit unterlassen.

Der Halbsatz in der Headline, den ich mir aus einem Interview von „TELEPOLIS“ mit Rechtsanwalt Markus Kompa auslieh, endet mit „sind nun einmal in Recherche ungeübt“.

Dieser Satz fiel im Zusammenhang einer Betrachtung des Versuchs, einem Journalisten der „NachDenkSeiten“ den Zugang zur „Bundespressekonferenz“ zu verweigern, und dabei auch vor konstruierten und unwahren Vorwürfen nicht zurück zu schrecken.

Diese Feststellung schien mir geeignet, sie dem nachfolgenden Text von Roberto J. De Lapuente voran zu stellen. Beschreibt De Lapuente darin doch die „Publikative“ als ursächlich für den Demokratieverfall, da sie sich gegenüber der derzeitigen Politikerzunft nur noch willfährig verhält.

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Die Politik tut, was sie kann

Von Roberto J. De Lapuente

Wir müssen gar nicht Kritik an Baerbock, Habeck oder Scholz üben. Sie machen, was sie machen können. Denn die vermeintliche Krise der Politik ist in erster Linie einer Krise der Medien.

Schuldig im Sinne der Anklage: Auch ich personalisiere natürlich den Niedergang dieses Landes. Beliebt bei mir: Annalena Baerbock, Robert Habeck, Olaf Scholz. Es gäbe mehrere Lieblinge des Elends. Und meine Auswahl, ich gebe auch das zu, ist nicht sonderlich originell. Wer Kritik an den Zuständen übt: Die drei Namen fallen unter Garantie. Außer man ist Grüner und völlig dem Fanatismus verfallen.

Wenn ich aber darüber nachdenke, drängt sich mir eine Erkenntnis auf: Die drei und andere Regierungsmitgangster machen doch lediglich das, was man sie machen lässt. Sie mögen freilich verantwortlich sein für das, was sie tun – auch wenn das juristisch überhaupt keine Rolle spielt –, aber die eigentliche Schuld tragen andere. Denn was wäre der Schurke ohne seinen Komplizen? Und oft ist der Komplize der, der den Schurken erst zu dem werden lässt, was er ist. Der politische Niedergang jedenfalls: Er ist ein medialer.

Politik, Moral und der Versuch eines Korrektivs

Die Politik ist ein sumpf. Wer von moralisch einwandfreier und integrer Politik träumt, der tut genau das: Träumen eben. Schon auf kommunaler Ebene sind die Interessenlagen so divers – ursprüngliche Bedeutung des Wortes, hier sind keine Männer im Fummel und keine Frauen mit Anhängsel gemeint –, dass von einer moralischen Handhabung eines Amtes nicht auszugehen ist. Die Verlockungen sind zudem nicht zu unterschätzen. Es dem Politiker als Schwäche auszulegen ist nachvollziehbar, aber eben auch ein bisschen einfach. Es ist menschlich, sich locken zu lassen. Das entschuldigt nichts, erklärt aber vieles. Damit ist auch nicht gemeint, dass sich übervorteilende Politiker aus dem juristischen Schneider sind.

Was benötigt ein Fach, das per se darauf ausgelegt ist, unterwandert, korrumpiert und missbraucht zu werden? Dem das gewissermaßen in der Natur liegt? Kontrolle – richtig! Und nicht die, die kontrolliert werden müssen, kontrollieren. Das tun andere, welche von Außen. Checks and Balances funktioniert so. Der Journalismus ist der Versuch eines Korrektivs. Er gelingt nicht immer, muss ja auch gegen Widerstände anschwimmen – jedenfalls in einer Welt, die nicht aus den Fugen geraten ist.

Wahrscheinlich in einer idealisierten Welt. Denn Medien waren nie völlig frei davon, der Macht etwas zu lax auf die Finger zu gucken. Aber besser als heute war es auf alle Fälle schon mal.

Als Andrea Nahles sich vor Jahren aus der Politik verabschiedete, trat sie vor die Mikrofone und bedanke sich bei den Journalisten für die gute Zusammenarbeit. Es sei mal dahingestellt, ob Nahles immer gut wegkam in den Medien. Eine Generalabfuhr erhielt sie indes nie. Aber klar ist doch auch: Was für ein Abschied ist das denn? Wenn sich ein Politiker bei seinem Rücktritt bei der Presse für das gute Zusammentun bedankt, hat nicht der Politiker was falsch gemacht, sondern die Journalisten und die Pressehäuser. Aber kaum jemand hat das damals aufgegriffen, man hat sich daran gewohnt, dass Politik und Presse eine Einheit darstellen.

Die Politik ist der Spielraum, den die Medien ihr lassen

Der amtierende Bundeskanzler hat nicht nur die Richtlinienkompetenz inne, sondern auch das kaum anfechtbare Recht, von seinem Vergessen Gebrauch zu machen. Natürlich berichten die Medien von einem Olaf Scholz mit Gedächtnislücken. Aber sie machen ihm nicht die Hölle heiß. Also kann er ungeniert den Warburg- und Cum-Ex-Skandal vergessen. Es fragt ja keiner nach. Wo sind die Recherchen, die den Kanzler schlecht schlafen lassen? Kurz und gut: Er kann sich das leisten, nicht weil er ein abgrundtief verschlagener Charakter ist – vielleicht ist er es, vielleicht ist er es nicht –, sondern weil der Journalismus seine Arbeit verweigert.

»Die Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt«, hat Dieter Hildebrandt einst erklärt. Dieses Bonmot gilt heute noch immer. Aber die Politik ist noch so viel weniger geworden. Sie ist eben auch nur noch der Spielraum, den die Medien ihr lassen. Und sie lassen ihn mit Wonne. Danke für die gute Zusammenarbeit eben!

Natürlich haben die Medien keinen wirklichen Verfassungsrang, die Publikative als vierte Gewalt ist eher so ein Antrieb aus Sendungsbewusstsein gewesen. Der gründete aus der Erkenntnis, dass Demokratie nichts tauge, wenn nicht relativ unabhängige Medien berichten und den Machthabern aus Politik und Wirtschaft auf die Finger schauen. Sie hätten das Zeug, durch Information öffentlichen Druck aufzubauen. Die Mächtigen wissen das natürlich auch und kamen zu dem Zirkelschluss: Medien könnten etwaigen öffentlichen Druck auch entgegenwirken: Sie müssen nur selektiver berichten, aus- und nicht einblenden.

Dass das teilweise mit Druck seitens der Mächtigen einhergeht, ist ja nicht zu verleugnen, denn Medien – insbesondere die Staatsmedien – hängen am Tropf des Staates und derer, die sich seines bemächtigen. Es ändert aber auch nichts daran, dass mehr Journalismus auch dort möglich wäre, die Öffentlichkeit kann eine Macht sein, wenn man sie gegen die Mächtigen ins Felde führt.

Gefesselte Medien, entfesselte Politik

Nochmal sei betont: Die Politik ist nicht unschuldig, nicht in dem Sinne, wie ein unbeaufsichtigtes Kleinkind unschuldig ist, wenn es in Abwesenheit einer Aufsicht Dinge treibt, die es nicht soll. Aber da das Wesen der Politik nie unschuldig sein kann, ist es eben auch nicht verwunderlich, dass sie Sachen dreht, die sie nicht sollte oder darf. Der Journalismus ist ein Stück weit auch Nanny und Gouvernante, eine Aufsichtsinstanz, die zwar nicht verbieten oder Einhalt gebieten, die aber Druck durch Veröffentlichung erzeugen kann. Wenn er das nicht tut, entfesselt er die der Politik immanenten Triebe umso mehr.

Die Krise der Politik, von der wir häufig lesen und die wir unter verschiedenen Labels kennen, etwa unter jenem des »Demokratieverfalls«, ist an sich keine politische Krise. Sie ist eine Krise der Medien. Die politische Kaste wandelt tendenziell immer am Rande des Demokratieverfalls, weil sie von Figuren umrankt wird, gemeinhin aus der Wirtschaft, die von Demokratie wenig bis gar nichts halten. Es liegt im Wesen der zeitgenössischen Politikerzunft, sich verleiten, bedrängen, abdrängen und manipulieren zu lassen – und wegzublicken oder zuzugreifen, wo sich Opportunitäten auftun.

Das ist keine Kleinigkeit, denn das widerspricht der Abordnung, als die sie ja gewählt wurden. Aber das System war nie rund, es bot immer Ausflüchte. Die demokratischen Instanzen sind nicht geeignet, abwegige Politiker einzufangen – wenn sie es denn wollten, was sie aber regulär nicht tun. Das können nur Außenstehende, die die Potenz haben, ihre Beobachtungen weiterzugeben. Diese Außenstehenden nannte man mal Journalisten. Heute sind sie Mitverschworene. Und sie sind Insider, keine Outsider mehr.

Die Politik tut, was sie kann. So lange sie es kann. So oft sie kann. Und so drastisch sie kann. Sie ist entfesselt und der Grund ist lapidar: Weil. Sie. Es. Kann. Und warum kann sie es? Weil es der Journalismus nicht mehr kann. Nicht mehr können will. Weil er es vorzieht, nicht zu hart zu recherchieren, zu direkt zu konfrontieren, weil er dazu übergangen ist, Teil des politischen Apparates zu werden – und weil er nicht mehr Teil der Gewaltenteilung sein möchte. Aus dem Versuch eines Korrektivs, das die Zustände durchleuchtet, aus der Publikative, ist eine Affirmative geworden. Eine Instanz, die Missstände bejaht, indem sie sie nicht mehr aufs Tapet bringt.

Dieser Text von Roberto J. De Lapuente erschien zuerst auf der Website der Neulandrebellen. Wir danken De Lapuente für das Recht zur Zweitveröffentlichung.

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