Klage Kinderstation Ilmtalklinik – Die falschen Argumente sind plötzlich die richtigen

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Gerichtsurteil sprengte auch Absprache zur Kommunalwahl

Es gibt sie nicht wirklich, die Steigerung des Begriffes „pathetisch„. Doch am 18. Juni des Jahres 2012 versuchte Martin Schmid, Fraktionssprecher der SPD im Pfaffenhofener Kreistag es dennoch, das eigentlich unmögliche möglich zu machen.

Der Anlass schien der Ausdrucksweise angemessen, das Publikum ausreichend sensibilisiert und so legte der gelernte Polizist Schmid mit geballter Dramatik die einfache Wahrheit der Finanzierung einer Kinderstation in der heimischen Ilmtalklinik in einen einzigen Satz:

Wenn durch diese Investition auch nur ein Kind gerettet wird, dann ist sie jeden Cent wert
waberte ungewohnt gefühlsbetontes um die 57 Teilnehmer der diesmal im Casino der Sparkasse Pfaffenhofen stattfindenden Kreistagssitzung.

Zur Durchsetzung dieser 20 Betten umfassenden Station solle der Landkreis Klage gegen den Freistaat Bayern erheben.

Vier von 57 ließen sich auch von Pathos nicht blenden

Ob Theatralik, Fürsorge oder einfach nur gefälliges Volksvertretertum das Abstimmungsverhalten dominierten, die Mehrheit der 57 Sitzungsteilnehmer stimmte jedenfalls für den Klageweg.

Einzig das kleine 4-Personen-Grüppchen aus FDP und der fraktionslosen Betriebswirtin für Sozial- und Gesundheitsmanagement, Gudrun Eberle stimmte dagegen.

Im sogenannten „Sollkonzept“ der Beschlussgrundlage setzte die Verwaltung den jährlichen Kosten von 2 Millionen Euro (Sachaufwand und Personal) Erlöse für angenommene 1.200 stationäre Fälle und 3.000 ambulante Notfälle in gleicher Höhe dagegen. Eine durchaus gewagte, eher dem Wunschdenken kurzstirniger Volksvertreter als realitätsbezogenen Fallzahlen geschuldete Musterberechnung.

Zusätzlich sicherte der Kreistag in diesem Beschluss zu, eventuelle, in den ersten 5 Jahren auftretende Verluste von jährlich bis zu 400.000 Euro zu übernehmen.

Ging Landrat Martin Wolf von einer bis zu drei Jahren andauernden Wartezeit bis zu einer Gerichtsentscheidung aus, machte das Gericht dem Landkreis bereits eineinhalb Jahre später, mit der Zustellung des Urteils am 3. Januar 2014, einen dicken Strich durch die ambitionierte Rechnung.

Das Verwaltungsgericht München wies die Klage ab!

Einen vom Landkreis geltend gemachten unmittelbaren Anspruch auf „pädiatrische Planbetten„sah das Gericht als nicht gegeben an. Der Bedarf an Kinder -und jugendmedizinischen Betten werde ausreichend durch andere Krankenhäuser sichergestellt, die „in überschaubarer Fahrzeit erreichbar“ seien.

Plötzlich waren die ehemals falschen Argumente die richtigen

Keine zwei Tage nachdem das Landratsamt in einer Pressemeldung die Entscheidung des Gerichtes mitteilte, traten die bisherigen Befürworter der Kinderstation geschlossen den Rückzug an und favorisierten plötzlich kleinere oder gänzlich davon abweichende Alternativlösungen.

Nur das Grüppchen aus FDP und Gudrun Eberle brauchte sich nicht zu verbiegen. Sie sahen sich durch das Urteil in ihrer Haltung bestätigt und plädierten nun eindringlich dafür, die Leute nicht weiter für dumm zu verkaufen und auf eine weitere Klage zu verzichten.

Hier die Presseerklärung der FDP im Wortlaut:

Presseerklärung des FDP-Kreisverbandes Pfaffenhofen und der FDP-Fraktion im Kreistag zur abgewiesenen Klage der geplanten Kinderstation an der Ilmtalklinik

Von vornherein war der Ausgang der Klage um die Kinderstation absehbar. Zahlreiche Experten: Ärzte, Kinderärzte, Krankenhausmanager, Kenner des Gesundheitswesen und der Verwaltungsgerichtspraxis haben vom Klageweg abgeraten. Leider vergeblich!

Kein sachverständiges Gericht wird die stationäre Versorgung in Bayern in tausend Kleinstabteilungen zerstückeln. Das gilt für die Herzchirurgie ebenso wie für Kinderkliniken. Unterhalb einer Größe von 100 Betten können spezialisierte Abteilungen nicht mehr betrieben werden.

Für unsere Kinder darf es nur die bestmöglichste Versorgung geben. Dazu bedarf es einer Mindestgröße von ca. 100 Betten mit zahlreichen Fachabteilungen, wie Kinderchirurgie, Kardiologie, Nephrologie und besonders einer Kinderintensivstation.

Ein undurchdachtes Wahlversprechen, erstmals von der CSU gemacht, hat nun zu einem teuren Debakel geführt. Dieses sinnlose Versprechen hat dem Bürger viele, viele tausend Euro gekostet. Verantwortlich hierfür sind, – zum wiederholten Male -, die Aufsichtsräte unter der Führung von Landrat Wolf.

Der FDP Kreisverband hat sich von Anfang an mit der Thematik intensiv beschäftigt. Das Ergebnis war, dass unsere Kinder in einer Kleinstkinderstation nicht qualitativ hochwertig versorgt werden. Von den entstehenden hohen Defiziten ganz zu schweigen.

Die parteilose Kreisrätin Gudrun Eberle und die FDP-Fraktion haben sich damals gemeinsam, vergeblich gegen die Einreichung einer Klage gestemmt. Unsere Argumente wurden in fahrlässiger Art und Weise übergangen.

Jetzt muss ein Schlussstrich gezogen werden. Es dürfen keine weiteren Bürgergelder mit weiteren Klagen verschleudert werden. Der Aufsichtsrat soll Verantwortung zeigen. Wir wünschen uns einen Aufsichtsrat mit weniger Parteiproporz und dafür mehr Sachverstand.

FDP Kreistagsfraktion Pfaffenhofen           FDP Kreisverband Pfaffenhofen

Thomas Stockmeier                                                           Josef Postel, Kreisvorsitzender

Matthias Boeck

Gudrun Eberle

Franz Niedermayr

Einzig Landrat Wolf verteidigte die bisherige Marschrichtung. Nicht gleich aufgeben und erst mal die mehr als 20 Seiten des Urteils prüfen lassen und sie daraufhin abklopfen, ob „Erfolgsaussichten bei weiterer Ausschöpfung des Rechtsweges bestehen“ so der Landrat.

Wobei der Sprecher der CSU-Fraktion im Kreistag, Reinhard Heinrich in der Heimatzeitung dazu eine entschlossene „sowohl als auch“ Meinung vertrat. „Einen sinnlosen Kampf braucht man nicht führen“ aber wenn die Kinderstation“halbwegs finanzierbar ist„, und der beauftragte Rechtsanwalt die Einschätzung habe, ein weitergehende Klage sei erfolgsversprechend, dann …..!

Was Heinrich genau unter „halbwegs finanzierbar“ verstand, führte er nicht weiter aus. Dafür kryptisierte er erneut mit einer Buchstabenkombi, in der er versuchte Vorwürfe zu kontern: „Für uns ist die Kinderstation zwar ein Thema im Wahlkampf, aber kein Wahlkampfthema – das war sie nie.

Dafür braucht es schon eine besondere Gabe. Einen Satz so zu konstruieren, um einen Widerspruch zu beschreiben wo keiner ist.

Ein Gerichtsurteil brachte eine interne Absprache zum platzen

Doch unfreiwillig gab der Sprecher der CSU-Kreistagsfraktion damit etwas preis, was im Kommunalwahlkampf unter der Decke bleiben sollte: Interessierte Kreis hatten versucht zu verabreden, die Ilmtalklinik -mit all ihren Problemen- aus dem Kommunalwahlkampf heraus zu halten.

Eine Allianz aus vorübergehend Erblindeten wollte ihre Wahlchancen nicht dadurch schmälern, indem sie im Wahlkampf die dreckige Unfähigkeitswäsche des jeweils anderen auf öffentliche Leinen hing.

Im Anschluss, die üblichen Verdächtigen würden sicherlich erneut im Kreistag sitzen, könnte man zur Tagesordnung übergehen und das gewohnte Politiktheater aufführen. Alle wären zufrieden und hätten ihre Wichtigkeit behalten. Keiner würde für etwas verantwortlich gemacht, keiner zur Rechenschaft gezogen. Wer wollte die Schuldigen auch benennen? Neue Besen sollten ja durch die Absprache weitgehend verhindert werden!

Ein Geisenfelder Stadtrat möchte als Umfaller der Nutznießer der Niederlage sein

Hatte er in den zurückliegenden Jahren sowohl im Kreisausschuss wie auch im Kreistag für die Kinderstation und die Klage gegen den Freistaat gestimmt, so hatte Günter Böhm, der geistige Vorturner der AUL-Gruppierung im Kreistag im Januar 2014 einen plötzlichen Umkehrschub. „Viel zu lange wurde auf windige Wahlkampfversprechungen von CSU-Mandatsträgern und parteipolitisch gefärbte Aussagen vertraut“, konnte man eine seiner Einlassungen in der Heimatzeitung nachlesen.

So plötzlich wie er am Jahresanfang auf Bildern zu offiziellen Anlässen des vom CSU-Landrat Wolf geführten Landratsamtes auftauchte, so plötzlich dürfte er sich mit dieser gegen die CSU gerichteten Anschuldigung von weiteren Fototerminen ausgeladen haben.

Wenn Böhm erst jetzt auffiel, das er statt eine eigene Meinung entwickelt zu haben, den Wahlkampfversprechungen der CSU auf den Leim ging, sollte er sich von der Kandidatenliste seiner Gruppierung streichen lassen.

Mit der in der Zeitung abgegebenen Selbstbezichtigung seiner Glaubensverwirrung dürfte er bei seinen Mitstreitern auf Verständnis für seinen Rückzug stoßen.

Das könnte dann der Auftakt zu einem spannenden Kommunalwahlkampf werden.

Selbstzerfleischung, Schuldzuweisung und ein nun ehrlich bemühtes Ringen um die Zukunftsfähigkeit des einzigen Krankenhauses in kommunaler Trägerschaft das wir im Landkreis haben.

Wenn dabei einige der unfähigsten Aufsichts- und Kreisräte von den Wählern als solche auch erkannt werden
und auf der Strecke bleiben umso besser!

Damit bekommen vielleicht die weniger starrsinnig denkenden FDP-ler im Landkreis den verdienten Auftrieb. Die FDP mag auf Bundesebene ihre Reputation verspielt haben, auf Landkreisebene sind sie zusammen mit der fraktionslosen Gudrun Eberle das dringend benötigte Korrektiv in einem auf die Selbstgefälligkeit zusteuernden Kreistag.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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