Krieg gegen den IS, mehr Terror für Europäer

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Schon vergessen: In jeder Familie Europas steckt ein Stück Krieg

Inmitten einer sich dem innehaltenden Reflektieren wiedersetzenden rhetorischen und politischen Eskalationsspirale möchte sich Deutschland wieder an einem Angriffskrieg beteiligen – getrieben von Emotionalität und Zielen, die es noch nie erreicht hat und nicht erreichen wird.

In ihrer Wochenendkolumne vom 28. November in der Printausgabe der „SZ“ erinnert Carolin Emcke unter der Überschrift „Trauma“ an die „unbedarfte Leichtmütigkeit“ bei der Verwendung des Wortes „Krieg“. Als ob niemand mehr etwas wisse „von den Verwerfungen und Versehrungen, die jeder Krieg, auch der gut gemeinte, generiert“.

In jeder Familie Europas steckt ein Stück Krieg“ gibt Emcke in ihrer Kolumne zu bedenken und zitiert darin den nicht gerade als Pazifisten bekannten Henry Kissinger.
„Eine Politik wird nicht danach beurteilt, mit was sie beginnt, sondern zu was sie führt“.

Was Emcke in ihrer Kolumne mit der Schilderung der vielfältigen Erfahrungsgeschichte europäischer Familien als bedenkenswertes historisches Erbe und ihrer Spätfolgen anmahnt, und gleichzeitig auf die „demütig-realistische Einsicht in die begrenzte Wirkungsmacht militärischer Mittel“ jüngster Auseinandersetzungen verweist, beendet Benjamin Fredrich in seinem nachfolgend zu lesenden Artikel „Zielloser Krieg“ mit der Frage nach der Rechtfertigung.

Zielloser Krieg

Von BENJAMIN FREDRICH
(Text und Grafik mit freundlicher Genehmigung des Autors übernommen aus „Katapult-Magazin.de)

Die deutsche Bundesregierung möchte Jagdbomber und andere Großgeräte nach Syrien schicken. Das ist selbstverständlich völkerrechtswidrig und kann nur durch einen Trick gerechtfertigt werden. Offiziell handelt es sich bei dem Einsatz nämlich um „mittelbare Hilfe“ und keinen Kriegseinsatz.

Der Akteur, dem Deutschland hilft, handelt jedoch ohne UN-Mandat. Die deutsche Regierung leistet also mittelbare Hilfe bei einem französischen Einsatz, der völkerrechtlich nicht zu rechtfertigen ist.

Aktuelle Auslandseinsätze. Zum Vergrößern anklicken
Aktuelle Auslandseinsätze. Zum Vergrößern anklicken

Als George W. Bush 2004 auch bei den Europäern dafür warb, mit ihm in den Irakkrieg zu ziehen, haben weltweit mehrere Tausend Bürger dagegen protestiert. Heute ist das anders: Es gibt kaum Gegenwehr. Viele Menschen verharren durch die Pariser Anschläge noch immer in Schockstarre und sehen keine Alternative zum Krieg.

Sie alle haben vergessen, wie ein einziger deutscher Offizier 2009 in einer „Friedensmission“ 142 afghanische Zivilsten töten ließ. Sie alle ignorieren, dass durch westliche Bombardements grundsätzlich viele Zivilisten getötet werden.

Die Anschläge von Paris rechtfertigen überhaupt nichts. Wenn es davon aber noch zehn weitere und dazu noch in Deutschland geben würde – dann rechtfertigt das noch immer – nichts!

Die großen Auslandseinsätze der Bundeswehr waren mit wenigen Ausnahmen katastrophal.

Über den Einsatz im Kosovo musste die deutsche Regierung danach selbst zugeben, dass er falsch war, und Afghanistan war nach der „Friedensmission“ unorganisierter und zerstörter als vorher. Deutsche Auslandseinsätze müssen deshalb nicht nur juristisch, sondern auch historisch negativ bewertet werden.

Zweiklassentrauer

Die Trauer des Westens reicht nur für Menschen, die auch aus dem Westen kommen. Afghanen, Iraker und Libyer, die durch die Auslandseinsätze des Westens starben, interessieren niemanden. Wir trauern nur noch um Menschen, wenn Sie aus Paris, aus dem Westen kommen und wenn wir ein paar Bilder und Videos dazu gezeigt bekommen.

Wenn der Westen tötet, bleiben die Toten unsichtbar. Wenn der IS tötet, werden die Toten sichtbar und im Fernsehen gezeigt. Beide Seiten haben ein Interesse an genau diesen Mechanismen.

Woher kamen eigentlich die meisten Terroristen? – Aus Frankreich selbst. Unser Nachbarland ist die Quelle des Terrors; nicht Syrien, nicht der Irak, und auch nicht der IS. Um als junger Mann auf die Idee zu kommen, sich dem IS anzuschließen, muss man bis dahin ein recht beschränktes Leben geführt haben.

Seit Jahrzehnten existieren enorme soziale Probleme in den Pariser Vororten. Einige Attentäter haben dort gelebt. Die Regierung müsste viel Geld aufwenden, um diesen Bezirken neue Impulse zu geben. Bisher ist das nicht passiert, denn die Angriffe auf den IS erscheinen der französischen und deutschen Regierung zurzeit wichtiger.

Was ist die Folge davon?
Mehr Bomben für Syrer und Iraker –
mehr Terror für Europäer.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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