Kunst statt Kitsch – Volltreffer in Wolnzach

Lesedauer 5 Minuten

Ein Gastartikel von Beate KREIS-NÜCKEN / Bayern-Italien, der Weg ins tiefe Blau am Ende aller Bilder, wer hätte gedacht, dass solche überraschenden Einblicke gleich um die Ecke mitten in der Provinz zu haben sind? Die spannende Jagd auf der Suche nach dem perfekten Bild, sie führt von Italien nach München, von dort nach Augsburg und dann, man glaubt es kaum, über die Marktgemeinde Wolnzach ins innere Zentrum unserer Fantasien und Sehnsüchte.

Eigentlich müssten die Wolnzacher ihrem Bürger Eduard Kastner die Füße küssen.

Schon durch sein erfolgreiches Verlagshaus bringt er einen Hauch von Welt in das sonst eher dröge Wolnzach. Doch damit nicht genug. Als Freund der Kunst und als Mäzen hat er seiner Gemeinde schon zahlreiche Ausstellungen mit aufregenden Exponaten von weithin bekannten Kulturschaffenden beschert.

Aber die Wolnzacher scheinen das nicht ausreichend zu würdigen. Also eröffnete Eduard Kastner seine aktuelle Ausstellung mit Böllerkrachen und Motorengeheul von teuren Sportwagen. Diese Art von Spezialeffekt hätte man sich sparen können, denn die Ausstellung ist an sich schon eine mittlere Sensation. Wie kam es dazu?

Was die Italiener den Bayern zu sagen haben und umgekehrt

Die Bayerische Landesausstellung 2010 des Hauses der Bayerischen Geschichte mit dem Titel „Bayern-Italien“ will heuer die wechselseitige künstlerische Beeinflussung von Deutschland und Italien sichtbar machen. Dazu zeigte die Bayerische Staatsgemäldesammlung unter dem Titel „Giro d`Italia“ die Werke italienischer Künstler des 20. Jahrhunderts im Augsburger Glaspalast. Allerdings fehlte zunächst der Vergleich, nämlich die Arbeiten bayerischer Künstler aus derselben Zeit.

Kastner springt mutig in die Bresche

An dieser Stelle erkannte Eduard Kastner die Lücke. Mit Hilfe des Galeristen Emil Ruf wurde eine weitere Ausstellung zum Thema in Wolnzach konzipiert und zahlreiche Künstler, Galeristen und Professoren an der Münchner Akademie der Bildenden Künste unterstützten das Unternehmen. Die Galeristen entschieden sich, besonders einige Werke von Günter Fruhtrunk, Günther Förg und Gerhard Merz in den Vordergrund zu stellen, alle drei Professoren der Münchner Kunstakademie. Dazu kam der Glücksfall, dass die Münchner Kunstakademie noch einen sehr speziellen Italienbezug hat: Giorgio de Chirico, einen Klassiker der Moderne. Er studierte von 1906 bis 1909 an der Münchner Akademie.

[nggallery id=6]

Die Ausstellung in Wolnzach offenbart die vielfältigen wechselseitigen Verflechtungen und Einflüsse seit den Zeiten de Chiricos, von dem drei Originale zu sehen sind.
Besonders eindrucksvoll wirken die strengen abstrakten Geometrien von Fruhtrunk und die Farbflächen von Förg, während die gezeigten Bilder italienischer Künstler ( Borta, Luzzati, Marini, Paladino, Guttuso… ) viel spielerischer sind.

Was man aus der Wolnzacher Ausstellung lernen kann:

Nachdem die Kunst des 20. Jahrhunderts sich immer mehr in die Abstraktion hinein bewegt hatte, wurde ca. 1980 mit Günter Merz eine Art Schallmauer erreicht. Mehr Abstraktion als ein reines Ultramarinblau und mehr Reduktion ist nicht mehr denkbar. Damit ist das innere Zentrum aller Sehnsüchte erreicht, eine heilige endgültige tiefe Konzentration.
Alles was danach gemalt wurde ist eigentlich ein Rückschritt. Das sieht man den ausgestellten Werken der Nachkömmlinge an. Sie wirken, so perfekt und ernsthaft sie gemalt sind, doch seltsam ratlos und leer.
Soll nun die klassische Malerei aufgegeben werden? Vermutlich ist es sinnvoll, die althergebrachten Maltechniken weiterhin an den Universitäten zu lehren. Der künstlerische Zug scheint aber immer mehr in eine ganz andere Richtung zu gehen: Performance, Rauminstallation, Fotografie, Videokunst, Computerkunst, Minimalismus, Land Art… um nur einige Stichworte zu nennen.

Als weitere Möglichkeit wäre die Rückkehr zur schon in der Steinzeit entwickelten Form der intuitiven Malerei zu nennen. Malerei aus einem unbewussten Impuls heraus, wie uns das ein Cy Twombly vorführt.

Video über eine Cy Twombly Ausstellung ansehen

Wie man in der Provinz Kitsch vermeidet:

Ein scheinbarer Mangel an Geld aber ein in Wirklichkeit viel schlimmerer Mangel an Sachverstand führt in kleinen Städten und Gemeinden oft zu Exzessen einer wahren –wie soll man so etwas benennen? – Friseusenkunst. Da werden irgendwelche Bastler und Pinsler mit schwülstigen Zigeunerinnen und linkischen Aquarellen ausgestellt und es wird dabei ignoriert, dass es in der Kunst sehr wohl so etwas wie eine Kennerschaft, ein Expertentum, ein reiches tradiertes Wissen gibt. Es gibt genug Kunstschulen im Land, Akademien, Universitäten, Museen, Biennalen, Kunstzeitschriften, Literatur zum Thema.
Ignoriert man all das, so stellt das eine Beleidigung derjenigen dar, die die Kunst mit Leidenschaft und oft unter Schmerzen studiert haben und die diesen schwierigen Beruf kompetent ausüben. Aber diese Art der Ignoranz ist auch eine Beleidigung des guten Geschmacks eines jeden Betrachters. Gute Kunst ist eben keineswegs beliebig.

Die Wolnzacher zeigen dank Eduard Kastner, dass es auch anders geht. Ohne Peinlichkeiten.
Auch die Stadt Neustadt hat mit ihrem Kunstpark Maßstäbe gesetzt.

Für kulturelle Aktivitäten in der Provinz empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Man erzeuge eine Kennerschaft indem man Museums- und Ausstellungsbesuche möglichst mit Führungen organisiert. Man orientiere sich an Profikünstlern, an Leuten, die Kunst studiert haben und die von der Kunst leben. Man arbeite zusammen mit Galeristen und Kritikern. Man sucht Kooperationen mit Kunstschulen und Akademien einzugehen. Sehr empfehlenswert ist es, Aktivitäten im Bereich der Kunst in die Hände eines Vereins zu legen, wie zum Beispiel in Ingolstadt.

Die gegenwärtige Ausstellung Bayern-Italien ist in Wolnzachs wunderschönem Hopfenmuseum und im Rathauskeller noch bis zum 10. Oktober zu sehen.
Die Exponate auf dem Weinberg von Eining/ Neustadt können noch bis zum 31. Oktober bewundert werden.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

Schon gelesen?

Geisenfeld -Protest der Landwirte nimmt kein Ende

Landwirte in Oberbayern auf dem Weg zu einem Protesttreffen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert