Landwirtschaftsminister gegen „Neue Bauernregeln“ aus dem Umweltministerium

Lesedauer 4 Minuten

Dieser Beitrag wurde bisher 37 x aufgerufen.

Strotzt der Boden vor Nitraten, kann das Wasser arg missraten“. Dachte sich auch die EU-Kommission und verklagt Deutschland aktuell vor dem Europäischen Gerichtshof. Doch statt eine drohende Milliardenstrafe abzuwenden, skandalisiert Landwirtschaftsminister Schmidt lieber eine öffentliche Diskussion über Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft.

Am 19. Januar war die Welt für Bundesernährungsminister Christian Schmidt noch in Ordnung. Da stellte er zum Auftakt der „Grünen Woche“ in Berlin ein neues Label vor. Sein Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) haut ja -gefühlt- jeden Monat neue Kampagnen oder starke Ministerauftritte raus.

Nach dem bei der EU-Kommission abgelegten „Kampf gegen giftige Tattootinte“, dem nicht weiterverfolgten „Ausgehverbot für unkastrierte Kater“ oder dem von Schweinefleisch-Fan Schmidt in der Branche als „Faktenblind“ verschrienen „Verbot von Fleischnamen für vegetarische Ersatzprodukte“ propagiert Schmidt in Berlin nun ein staatliches Tierwohllabel für „Mehr Tierwohl“. (Allein für die Werbekampagne sind 70 Mio Euro veranschlagt. Das Label, dessen Kriterien für bessere Haltungsbedingungen bisher noch nicht feststehen, soll 2019/2020 in die Läden kommen)

Man muss ihn einfach mögen, diesen Rechtsanwalt und jetzigen Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Ob er Ende Dezember 2016 die „Schweinefleischpflicht“ wieder aufwärmte (hat er explizit so nicht gefordert) oder über die „Verbrauchertäuschung“ bei „vegetarischer“ Wurst, Schnitzel oder Frikadellen herzog: Da er zu wissen scheint, das wir Verbraucher nicht all Zuviel substanzielles von ihm erwarten, sorgt er zumindest für Unterhaltung!

Neue Bauernregeln / Werbekampagne Umweltministerium (zum vergrößern anklicken)

Doch plötzlich sieht er sich von einer Ministerkollegin auf seinem vermeintlich ureigenen Terrain des Unterhalters bedroht. Wo er und sein Ministerium im Sinne der Agrarkonzerne und der Lebensmittelindustrie bisher farbenfroh aber furztrocken in großer Zahl Kampagnen „Label“ antackerte, kommt die Chefin des Umweltministeriums, Barbara Hendricks, mit einer Plakatkampagne für eine umweltverträgliche Agrarpolitik um die Ecke. 11, teilweise witzige „Neue Bauernregeln“ (Link zur pdf-Datei) will sie in über 70 Städten plakatieren lassen.

Es mag ja sein, „wenn alles bleibt, so wie es ist, kräht bald kein Hahn mehr auf dem Mist“. Doch, so Schmidt in einem Brief an Hendricks, diese „neuen“ Bauernregeln stellen zusammengenommen  einen „ganzen Berufsstand an den Pranger“. Er forderte die Ministerin auf, „die Kampagne sofort zu beenden und sich für den entstandenen Schaden bei den Bäuerinnen und Bauern öffentlich zu entschuldigen“.

Der Bauernverband schlug in dieselbe Kerbe und sprach -was auch immer damit gemeint sein soll- von „inhaltlicher Bankrotterklärung“ und einer „Verschwendung von Steuergeldern“.

Kurz gesagt, ein Sturm skandalisierender Entrüstung zog durch die Furchen der agrarbetonten Meinungswelt.

Neue Bauernregeln / Werbekampagne Umweltministerium (zum vergrößern anklicken)

Und obwohl man doch nur „auf spielerische und humorvolle Art“ auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen wollte, ruderte man im Umweltministerium zurück, Henfricks entschuldigte sich und stampfte die Plakataktion ein. (Im Vergleich zu Schmidts „Tierwohl“ Kampagne waren die „Bauernregeln“ mit 1,6 Millionen relativ günstig geplant)

Nicht ohne zuvor dem „sehr geehrten Kollegen“ Schmidt in einem Antwortbrief die „unbestreitbar enorme Umweltbelastungen aus der Landwirtschaft“ als Fehlentwicklungen seiner Landwirtschaftspolitik aufzuzeigen. Die sei es, nicht zuletzt wegen der Orientierung „an den Bedürfnissen der Agrarkonzerne und der Lebensmittelindustrie“, die „die Existenz vieler Bäuerinnen und Bauern gefährdet“, so Hendricks.

Vermutlich in Anspielung auf eine der kritisierten Bauernregeln, „Zuviel Dünger, das ist Fakt, ist fürs Grundwasser beknackt“ fügte sie im Brief an, das „die Belastungen unseres Grundwassers, unserer Seen und Flüsse … uns schon vor den europäischen Gerichtshof gebracht“ habe.

Wer meint, die Sache mit den Plakaten sei jetzt vom Tisch, hat die Rechnung ohne das „Deutsche Tierschutzbüro“ gemacht. Sie greifen aus der Plakat-Kampagne „Neue Bauernregeln“ besonders den Aspekt „Tierwohl“ auf, und werden am 15.02.2017 mit einem Plakatwagen vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium demonstrieren.

Dort wird dann, so Jan Peifer Vorstandsvorsitzender des Deutschen Tierschutzbüros, eine der „Neuen Bauernregeln“ aus der eingestellten Kampagne des Umweltministeriums zu lesen sein.

Mit „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein“ möchte man „dem Landwirtschaftsministerium, aber auch den Verbrauchern die Wahrheit aufzeigen, wie es um die Tierhaltung in den deutschen Ställen gestellt ist“.

Man führe nun fort, kann man auf der seit 17 Uhr (14.02.2017) freigeschalteten Kampagnen-Website lesen „was das Landwirtschaftsministerium, viele Bauern und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt nicht sehen und hören wollen“.

Ich weiß ja nicht wie Christian Schmidt das findet.

Ich finde es gut!

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

Schon gelesen?

Die Nebel um den Kampf gegen Desinformation

Als Journalisten und andere Akteure „Verschwörungstheoretiker“, „Fake News“ und „russische Desinformationen“ für sich entdeckten.