Manching – Verseuchtes Grundwasser, blubbernde Politiker, alleingelassene Bürger.

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Zu Schadenersatzforderung gibt es eine klare Aussage der Bundesregierung und ein klares Gerichtsurteil – Warum sprechen die örtlichen Politiker nicht darüber?

Wer sagt das, dass da nichts möglich ist“, wetterte CSU-Landtagsabgeordneter Karl Straub in der Kreistagssitzung vom 16. Juli 2018. „Wir sind ein Rechtsstaat. Das werden die Gerichte klären.“ (PK vom 19.07.2018)

Bei dieser Aussage konnte man ihn erneut erleben, den Typ Politiker, der beim angesprochenen Sachverhalt nur eingeschränkt im Bilde ist, aber publikumswirksam kompetent erscheinen möchte.

Was Straub hier als noch völlig offen, also von Gerichten noch zu klären erachtet, sind Schadenersatzforderungen von Bürgern und Landwirten an den Verursacher der im Bereich des Bundeswehr Flugplatzes Manching festgestellten Boden- und Grundwasserbelastung mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC).

Sowohl der Verursacher, die Bundeswehr, als auch die Forderung nach gerichtlich zugesprochenem Schadenersatz ist bereits geklärt.
Entsprechende Schadensersatzforderungen wurden von einem Gericht bereits abschlägig beschieden.

MdL Straub, ein phänotypisch an den von der „taz“ als „lebloser Mann mit der Mimik einer frisch exhumierten Moorleiche“ bezeichneten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erinnernder Politiker, war da wohl nicht auf der Höhe der Zeit.

Statt der örtlichen Heimatzeitung am 18. Juli 2018 den Text eines bis heute von Straub nicht verzeichneten Antrag an die Bayerische Staatsregierung zu diktieren, hätte er sich die Antworten der Bundesregierung auf eine diesbezügliche Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschaffen sollen.

(Auf der Internetseite der CSU-Fraktion und den Seiten des Bayerischen Landtags wurde zwischen Dezember 2016 und Stand 16.September 2018 kein diesbezüglicher, die Verunreinigungen in Manching betreffender Antrag von Hr. Straub verzeichnet)

In der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der „Grünen“ nach bestätigten PFC-Kontaminationsflächen und der Frage „inwiefern von der Belastung betroffene Anwohnerinnen und Anwohner Schadenersatz geltend machen können“ (Drucksache 19/1649 – 19. Wahlperiode 13.04.2018) werden nicht nur die 22 auf PFC untersuchten „von der Bundeswehr genutzten Liegenschaften des Bundes“ aufgelistet (darunter BW-Flugplatz Manching), sondern auch ein ernüchterndes, aber ebenso klares Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 2. August 2016 zur Frage des Schadenersatzes zitiert.

Kein Schadensersatz da nur zugelassene Löschmittel eingesetzt wurden.

Da „ ein Verschuldensvorwurf für den Einsatz bestimmter Stoffe nicht an nachträglich gewonnenen Erkenntnissen gemessen werden kann. Vielmehr kann für eine Verschuldenshaftung stets nur auf den Kenntnisstand im Zeitpunkt des Einsatzes des jeweiligen Stoffes abgestellt werden. Der Umstand, dass bei technischen Neuerungen aufgrund fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnisse nachträglich Risiken – auch bei seinerzeit sach- und fachgerechtem Umgang – erkannt werden, führe nicht dazu, dass rückwirkend eine Verschuldenshaftung für im Zeitpunkt der Vornahme der maßgeblichen Handlung nicht vorhersehbare Risiken begründet würde“.

Die „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ (BImA) geht davon aus, das der Einsatz PFC-haltiger Stoffe stets im Rahmen des zum Zeitpunkt des Einsatzes geltenden Rechts erfolgte. Da also der PFC- haltige Löschschaum bis 2008/2011 zugelassen war, und die Bundeswehrfeuerwehren danach nur noch die ab diesem Zeitpunkt zugelassenen Löschmittel einsetzten, fehle das nötige schuldhafte Verhalten. Somit liege kein Verschulden der Bundeswehr vor.

Der Einsatz von PFOS-haltigen Feuerlöschschäumen ist gemäß der EU-Richtlinie 2006/122/EG und entsprechend umgesetzter nationaler Gesetzgebung (ChemVerbotsV) seit dem 27.06.2008 nicht mehr gestattet.

Abweichend von diesem Verbot durften Feuerlöschschäume, die vor dem 27.12.2006 in Verkehr gebracht wurden, noch bis zum 27.06.2011 weiter verwendet werden“. (Seite 13-Bearbeitung von Verdachtsbereichen mit  per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) auf von der Bundeswehr genutzten Liegenschaften)

(Damit das für die Geschädigten nicht so absolut aussichtslos klingt, schob man mit folgendem Satz noch eine auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verweisende Trostpille hinterher: „Letztlich kommt es auf das Ergebnis der Einzelfallprüfung an“)

Im Falle des mit PFC verseuchten, und vom Landratsamt mit Entnahmeverbot belegten Grundwassers sollten sich Brunnenbesitzer und Landwirte in den betroffenen Manchinger Ortsteilen keinerlei juristische Hoffnungen machen. Auch hier führte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage der „Grünen“ das Urteil des Landgerichts Düsseldorf an:

Eine Belastung des Grundwassers stelle keine Eigentumsverletzung dar, „da Grundwasser nicht eigentumsfähig sei“.

Wie beschrieben, das alles konnte man -zumindest als ehrlich bemühter- Politiker wissen.

Doch nicht nur der sich in einer seiner Pressemeldung seiner seit 2017 laufenden Bemühungen und Gespräche auf allen politischen Ebenen zur Manching Problematik rühmende CSU-Landtagsabgeordnete Straub kannte das aufschlussreiche Schreiben des „Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit“ offensichtlich nicht.

Nein, auch der wie Straub ebenfalls in Wolnzach wohnende und für den Wahlkreis München-West/Mitte gewählte „Grüne“ Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek wusste offensichtlich nichts von dem Antwortschreiben das seiner „Grünen“-Fraktion vorlag .

Zumindest solange, bis er am 9. Juli 2018 die Antwort der Bundesregierung auf seine Frage nach der „Verantwortung für die Sanierung“ erhielt. Darin teilte ihm ein Parlamentarischer Staatssekretär aus dem Bundesministerium der Verteidigung mit abschließendem Verweis auf die oben erwähnte „Bundesdrucksache19/1649“ (Antwortschreiben auf die Anfrage der Grünen) in einem kurzen Text mit, das „nach derzeitiger Bewertung keine Schadensansprüche betroffener Dritter bestehen“.

Am 16. August ließ er, ohne den Inhalt der umfassend den Sachverhalt aufklärenden „Drucksache 19/1649“ auch nur ansatzweise aufzugreifen, nur Teile des kurzen Antwortschreibens in eine Pressemitteilung einfließen, um festzustellen das sich „die Bundesregierung recht negativ zu Schadensersatzansprüchen geäußert“ habe, und er nun „unbürokratische Hilfen statt rein zivilrechtlicher Haftung“ von der Bundeswehr erwarte.

Ich tippe mal, Janecek hat nur die 2-seitige Antwort auf seine Frage, aber die 9-seitige Antwort der Bundesregierung an seine Fraktion einfach nicht gelesen.

Als Beobachter wird man das Gefühl nicht los, die in der Sache „PFC-Manching“ mächtig Schlagzeilen machenden Politiker wollen durch ihren öffentlich zur Schau gestellten „Kümmerer“-Aktionismus die Bürger bei Laune halten. Zumindest bis die Landtagswahl am 14. Oktober gelaufen ist.

Die örtliche CSU stört sich an der Betriebsamkeit der anderen Parteien.

Die CSU braucht diesen Aktionismus, den die anderen Parteien an den Tag legen, nicht“, schreibt Birgid Neumayr, Ortsvorsitzende der CSU in Manching und stellvertretende Kreisvorsitzende des CSU Kreisverbandes Pfaffenhofen a.d. Ilm in einer Pressemeldung am 2. September 2018.

Klingt irgendwie gekränkt, wenn Neumayr feststellt, das sich außer ihren „gut vernetzten“ CSU Parteifreunden Karl Straub, dem „Bindeglied zwischen Manching, Landesregierung und Bund“, Erich Irlstorfer, dem ohne „viel Aufheben einfach seine Arbeit“ machenden, oder Landrat Martin Wolf, der Behördenvorsteher, der „ für Manching die rechtlichen Möglichkeiten zur Bewältigung der PFC Schäden auslotet“, auch Politiker anderer Parteien sich dieses PFC-Problems in Manching annehmen.

Ja, es ist Wahlkampf in Bayern. Da möchte nicht nur die mit starken Stimmenverlusten kämpfende CSU als bürgernah wahrgenommen werden.

Da spricht doch unverschämterweise der SPD Direktkandidat Markus Käser zusammen mit dem SPD Landtagsabgeordneten Florian von Brunn einfach mit Landwirten und betroffenen Bewohnern, um anschließend einen Brief an die „Sehr geehrte Frau Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerium der Verteidigung“ zu schreiben, in dem sie fordern die „weitere Eintragung von PFC aus dem Flughafengelände der Bundeswehr sofort zu stoppen“.

(Der „ohne viel Aufhebens seine Arbeit“ machende MdB Irlstorfer (CSU) mischte sich zusammen mit „Bindeglied“ Straub (CSU) unter die Gäste dieser SPD- Veranstaltung. Auf der örtlichen SPD-Website konnte man dazu folgendes lesen: “ Kurios dabei der Auftritt von MdB Irlstorfer. Wegen einem unangemessen langem Rechtfertigungs- Monolog, ermahnte ihn Gastgeber Florian von Brunn, er solle den Bürgern ihre Redezeit nicht wegnehmen und entzog ihm kurzerhand das Wort“).

MdL von Brunn stellte nach den Gesprächen in Manching frecherweise sogar einen Antrag an die Bayerische Staatsregierung, in der diese aufgefordert wird „sich dafür energisch einzusetzen, dass etwaige Geschädigte vom Verursacher entschädigt werden“. (Dieser Antrag wurde, im Gegensatz zu dem von CSU-MdL Straub angekündigten, im Landtag am 13.06.2018 als „Drucksache 17/22734“ auch wirklich eingereicht)

Zuvor waren auch der Bundestagsabgeordnete der AfD, Johannes Huber (Wahlkreis Landkreis Freising/ Landkreis Pfaffenhofen) und der AfD Direktkandidat für den Landkreis Pfaffenhofen, Tobias Teich zu Gesprächen mit Vertretern der „Interessengemeinschaft PFC-Westenhausen“ vor Ort.

Im Gegensatz zum CSU Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer wurde der zweite aus dem hiesigen Wahlkreis stammende Bundestagsabgeordnete Johannes Huber, vermutlich nach dem Motto „Spiel nicht mit dem Schmuddelkind“, weder von Manchings Bürgermeister Herbert Nerb (FW) noch von Landrat Martin Wolf (CSU), um Hilfe bei den zuständigen Regierungsstellen in Berlin gebeten. Um Bürgerinteressen sollen sich eben nur die „Richtigen“ kümmern dürfen. Selbst wenn der „Unerwünschte“ für die AfD im Petitionsausschuss des Bundestages sitzt.

Als zeitlich letzter, diesmal ortsfremder Politiker, nutzte der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Landtag, Hubert Aiwanger, Ende August einen Besuch des Barthelmarktes um Entschädigung für die Betroffenen zu fordern. Er wolle Bayerns Umweltminister Marcel Huber schriftlich auffordern, einen Härtefonds einzurichten.

Doch einem wie auch immer gearteten staatlichen Sanierungsfonds erteilte der Bayerische Umweltminister bereits in einem BR-„Kontrovers“-Interview eine Absage. In Fällen von PFC-Belastungen soll „jeweils der Verursacher der Belastung zur Verantwortung gezogen werden“.

Zwischenzeitlich veröffentlicht das Landratsamt „im Sinne einer transparenten Information der Bevölkerung“ einen 103 Seiten umfassenden, auf den für die betroffenen Bürger aufschlussreichsten 2 Seiten 49 + 50  geschwärzte Stellen aufweisenden „Endbericht zur abschließenden Gefährdungsabschätzung der PFC-Kontaminationsflächen am Flugplatz Manching“.

Und trotzdem. Auf den letzten Metern der Zielgeraden im Wettrennen um den Einzug ins Maximilianeum findet „auf Initiative von MdL Karl Straub am Dienstag, 18. September im Bayerischen Landtag ein Gespräch mit Umweltminister Dr. Marcel Huber statt“, teilte Straub in einer Pressemeldung mit. Eingeladen sind die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden, MdB Irlstorfer, Landrat Wolf und die Sprecher der „Interessengemeinschaft PFC Westenhausen“ und der „Bürgerinitiative PFC Flugplatz Manching“.

Was so verheißungsvoll mit all den in den letzten Monaten plötzlich nach „politischen Lösungen“ suchenden, die Landtagswahl vor der Brust habenden Politikern begann, dürfte sich vermutlich nach der Wahl als wertloses Geblubber herausstellen, das wie das giftige PFC ins Manchinger Grundwasser einsickerte.

Update
Nach diesem Termin bei Umweltminister Marcel Huber kam nicht viel. Nur: „Es wird keine Lösung geben, womit am Ende jeder zufrieden ist.“ (Erich Irlstorfer)

Und noch etwas. Zwei Tage nach Veröffentlichung dieses Kommentars vom 16.09.2018, wurde der von der Heimatzeitung als bereits eigereicht dargestellte Antrag, jedoch nachweislich noch nicht eingereichte Antrag vom MdL Straub (CSU) mit Datum vom 18.09.2018 als Drucksache17/23772 beim Bayerischen Landtag eingereicht und am 20.09.2018 in der Sitzung des „Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz“ über eine „N a c h t r a g s t a g e s o r d n u n g“ behandelt.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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