Pradi, Dolci oder Bruni Radisi?

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Mit welcher Tasche gehen wir heute auf den Markt?

Da stand wieder eine. Mitten im Politikteil der abonnierten Qualitätszeitung stand eine Schnute ziehende und dabei streng blickende Frau. Über ihrem rechten Arm hing eine Einkaufstasche die sie mit der Hand des anderen Arms offen hielt. Gleichzeitig fixierte sie den Zeitungsleser mit einem arg vorwurfsvollen Blick. Als ob sie ihn fragen wollte, warum er ihr den eben auf dem Markt gekauften Bund Radieschen aus ihrer überdimensioniert, wegen der grauen Farbe etwas altbacken wirkenden Tasche geklaut habe.

Das waren noch Zeiten, als Anzeigen für Frauen noch in Modeillustrierten, und im Politikteil der Tageszeitung ausschließlich männerrelevante Motive abgedruckt wurden.

Doch seit geraumer Zeit scheinen diese klaren Strukturen in Auflösung begriffen.

Da platzieren selbst Anzeigenabteilungen der seriösesten Zeitungen im Politikteil plötzlich neben Imageanzeigen von Auto-, Energie- oder Investmentgesellschaften auch „frauenaffine“ Anzeigen. Diese neuen, wegen des Fehlens der sonst Richtung, Lösung oder Orientierung vorgebenden Ansprache doch sehr verstörend wirkenden Motive führen Männer an bisher fern geglaubte Grenzen.

Warum zeigt man im Politikteil der Zeitung jetzt Anzeigen mit grimmig oder gelangweilt dreinschauenden, übergroße Taschen tragende Frauen, die anscheinend Werbung für nicht näher beschriebene Wochenmärkte machen?

Brumm, Surr, Klimper!
Wo sind hier die Signale auf die Männer jahrzehntelang von der werbetreibenden Wirtschaft konditioniert wurden?

Statt dessen jetzt das! Sind Umfragen, nach denen Frauen den Politikteil der Tageszeitung zügig überblättern, alle Humbug? Was also will diese Anzeige dem männlichen Zeitungsleser vermitteln?

Ragen in Abbildungen und Filmen als optisches Indiz des eben getätigten Einkaufs in Deutschland Lauchstangen, in Frankreich mindestens ein Baguette, und in Amerika eine übergroße Familienpackung Cornflakes aus einer Einkaufstasche, vermisst man(n) bei diesen abgebildeten Einkaufstaschen diese Leitplanken gelernter Gewissheiten in den völlig ohne Text daherkommenden Anzeigen.

Auf welchem Markt war die Frau? Was hatte sie in ihrer Tasche und jetzt nicht mehr? Warum sieht die Frau auf dem Bild so jugendlich aus, die Tasche aber nicht? Ist schon ihre Oma damit auf den Gemüsemarkt gegangen?

Alles Fragen auf die auch das einzige, am Fuß der Anzeige aufgeführte aber höchstwahrscheinlich falsch geschriebene Wort keine Antwort gibt.
PRADA steht da.

Als Mann greift man sich an die Stirn und plötzlich wird einem alles klar:
Die meinen den PradO, das spanische Nationalmuseum in Madrid!

O.K., die Werbeagentur hätte jetzt aus der Anzeige nicht unbedingt ein Rätsel für Zeitungsleser machen müssen. Warum man jetzt als Frau mit einer besonders großen Tasche in ein Kunstmuseum gehen sollte, erschließt sich auch auf den zweiten Blick nicht. Dafür wären Angaben über Eintrittspreis und Öffnungszeiten noch ganz schön gewesen.

Aber egal, bis man wieder nach Spanien kommt sind die Angaben veraltet und schon Schnee von gestern. Blätter, Blätter.

Beim Abendessen erzählt man seiner Frau von den unaufmerksamen Zeitungs- und Agenturleuten, und kramt die Zeitungsseite mit der PRADO-Anzeige hervor.

Was nun folgten dürfte, wäre ein lang andauernder Lachanfall und ein noch länger dauernder Vortrag über Frauen-Hand-Taschen im Allgemeinen, und Frauen-Mode und die derzeit angesagtesten Mode-Labels im Besonderen.

Derart aufgeklärt und um geistige Balance bemüht steht man nun vor dem Schrank mit den goldgelb schimmernden Spirituosen, lässt zwei bis drei Eiswürfel in ein wuchtiges Glas fallen und nimmt sich fest vor, über folgendes wirklich ernsthaft nachzudenken:

Warum kaufen Frauen für mächtig viel Geld klobig wirkende, annähernd applikations- und schnörkellos zu nennende Behältnisse, statt sich ein in Größe und Prickelfaktor ähnlich aussehendes Modelle von Oma Erna zu holen und sich mit dem so eingesparten Geld den wirklichen Luxus eines schnittigen Gebrauchtcabrios zu leisten.

Anzeigen dafür wären im Politikteil der Zeitung für Männer auch nicht so überraschend!

Nachtag:
Sollten sie in die Nähe des PRADOS kommen, besuchen sie ihn doch und sehen sich besonderes ein Bild des „Malers der Maler“ an. An dem Bild „Die Spinnerinnen“ von Diego Velázquez kann man die ewige Verbindung von Frauen und Mode eventuell nachempfinden.

Hier noch die ( in der oben beschriebenen Anzeige vermissten) ganzjährigen Öffnungszeiten und Eintrittspreise zum Bestaunen der Bilder von El Greco, Velázquez, Goya, Hieronymus Bosch, Tizian, Van Dyck und Rembrandt:

Von Montag bis Samstag von 10:00 bis 20:00 (An Feiertagen Abweichungen)
Eintritt Allgemein: 14€ / Ermäßigter Eintritt: 7€ /Gruppen: 14€
Freier Eintritt: Montags bis samstags 18.00-20.00 Uhr, sonn- und feiertags 17.00-19.00 Uhr, Arbeitslose, Behinderte, Angestellte der Staatlichen Museen des Kulturministeriums, offizielle Reiseführer, Journalisten, Lehrer, Mitglieder des ICOM (International Council of Museums) und Vereine, Angehörige kinderreicher Familien, Studenten von 18-25 J., Kinder und Jugendliche bis 18 J.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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