Man mag es kaum glauben wie sich die Dummheiten gleichen
Die Autorin des nachfolgenden Artikels stellt hier den Fantastereien, Wunschvorstellungen und faktenwidrigen Zustandsbeschreibungen unserer Medien historische Propaganda gegenüber. Ohne dem Vorgreifen zu wollen, füge ich hier die Äußerungen Adolf Hitlers ein, die er, nachdem er angesichts der drohenden Niederlage am 19. März 1945 den „Zerstörungsbefehl“ gab (Zerstörung von Industrie, Versorgungsanlagen u. Infrastruktur innerhalb des Reichsgebietes) den Aufzeichnungen des Chefs des Generalstabs des Heeres, Heinz Guderian zufolge mehrmals bekräftigte: „Wenn der Krieg verlorengeht, wird auch das Volk verloren sein. … den das Volk hätte sich als das schwächere erwiesen und dem stärkeren Ostvolk gehöre dann ausschließlich die Zukunft. Was nach dem Kampf übrigbleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen“. (Walter Hofer, „Der Nationalsozialismus, Dokumente 1933-1945“, August 1957, S.260)
Aber keine Panik, solange unsere Medien diese Sache mit dem „stärkeren Ostvolk“ nicht erwähnen, solange werden wir siegreich sein. Zumindest in der medial verabreichten Sichtweise.
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Die „potemkinsche Truppe im löchrigen Flecktarn“ und ihre historischen Vorbilder
Von Dagmar Henn
Russland bricht jederzeit zusammen, die russische Armee ist schlecht ausgerüstet und unmotiviert und westliche Waffen sind grundsätzlich überlegen – so etwas kann man ständig in deutschen Medien hören und sehen. Aber genau so hat es schon einmal geklungen.
Die westlichen Länder haben sich gewaltig verschätzt, das dürfte inzwischen unübersehbar sein. Nicht nur mit den Sanktionen, mindestens ebenso sehr mit ihren militärischen Erwartungen. Auch wenn die deutsche Presse nach wie vor von den westlichen Waffen schreibt, die denen Russlands so weit überlegen seien, die Wirklichkeit zeichnet ein anderes Bild. Obgleich alle politischen Akteure den Eindruck erwecken, wirklich an diese Fantasien zu glauben.
Das ist nichts Neues; im Gegenteil, die meisten Teile der heutigen Erzählung lassen sich genau so historisch wiederfinden. Das betrifft die militärische Technik ebenso wie die Sicht auf die russische Armee und Bevölkerung wie die Erwartung, der ganze Staat könne leicht kollabieren (ein Lied, das erst vor wenigen Tagen wieder einmal vielstimmig gesungen wurde).
Der Autor Connor Gallagher hat eine Zusammenstellung einiger Zitate geliefert, die der Gegenwart wirklich verblüffend nah scheinen. Sie stammen aus zwei Quellen: aus den Tagebüchern von Joseph Goebbels und aus Aufzeichnungen von Hitlers Tischgesprächen, die in Deutschland unter dem Titel „Monologe im Führerhauptquartier“ veröffentlicht wurden.
Erst einmal eine kleine Erinnerung daran, was in der deutschen Presse steht. „So schwach wie am Wochenende wirkte Russland seit Jahrzehnten nicht mehr“, schrieb beispielsweise die Zeit nach Prigoschins Putschversuch. Ein deutscher Oberst namens Markus Reisner sieht in der stecken gebliebenen Offensive dennoch „einen bemerkenswerten Erfolg der Ukraine“. Den Spiegel drängt es nach dem „Sieg über Putin.“
Jedes neu gelieferte westliche Waffensystem wurde in den Himmel gelobt. Ein aktuelles Beispiel: „ATACMS-Raketen für Kiew – Booster für die Offensive?“ titelte jüngst erst das Redaktionsnetzwerk Deutschland, der Inhaltslieferant für alle Zeitungen, die in Deutschland irgendwie der SPD gehören. Die Süddeutsche orakelt über die russische Staatlichkeit:
„Das Überleben russischer Machthaber seit Iwan dem Schrecklichen hängt zu einem entscheidenden Teil davon ab, wie gekonnt sie die natürliche Dominanz der Armee durch Leibgarden oder Geheimdienste einhegen.“
In einem anderen Artikel der SZ vor wenigen Tagen unter der Überschrift „Der Zustand des Militärs ist desolat“ wurde erklärt:
„Im Ukraine-Krieg entlarvt sich diese Streitmacht als Potemkin’sche Truppe in löchrigem Flecktarn. Moskaus Soldaten werden häufig miserabel geführt, begehen Kriegsverbrechen, brauchen Waffenhilfe von Söldnern, die aus Straflagern kommen.“
Wie schrieb das Joseph Goebbels am 1.8.1941?
„Die Bolschewisten kämpfen zwar stur und stumpfsinnig, aber es fehlt ihrem Angriff sowohl wie ihrer Verteidigung doch der entscheidende Elan. Es ist eben ein slawisches Volk, das bei einem entscheidenden Aufeinanderprall mit der germanischen Rasse immer unterlegen sein wird.“
Oder die entsprechenden Zitate von Hitler: „Wäre die russische Menschheit nicht durch andere, angefangen von den Warägern, zum Staat organisiert worden, so wären sie Kaninchen geblieben.“ (9/41) oder „Der Russe kann als Mensch unter Menschen nur leben in der Form des Kollektivs, das heißt zur Arbeit angehalten durch ungeheuren Zwang; soziale Haltung, Rücksicht des einen auf den anderen, ist ihm fremd.“ (27./28.9.41)
Allerdings gab es eingestreut Anfälle von Realismus. So schrieb Goebbels schon am 2. Juli 1941: „Insgesamt wird sehr hart und erbittert gekämpft. Von einem Spaziergang kann keine Rede sein. Das rote Regime hat das Volk mobilgemacht.“ Und am 1.8.41: „Die Bolschewisten zeigen doch stärkeren Widerstand, als wir vermuteten, und vor allem die materiellen Mittel, die ihnen dabei zur Verfügung stehen, sind größer, als wir angenommen haben.“
Richtig, wäre die heutige russische Armee tatsächlich in dem Zustand, wie die SZ ihn beschreibt, schlecht organisiert und mit völlig veralteten Waffen ausgerüstet, dann wäre die ukrainische Offensive weitaus erfolgreicher. Aber es gibt eben alte, tief sitzende Mythen, die sogar das Wissen um Fakten überwinden. Auch hier gibt es ein Beispiel aus den Monologen im Führerbunker vom 5./6. Januar 1942:
„Drei, vier Tage vorher [vor dem Überfall auf die Sowjetunion] habe ich noch eine Unterredung mit dem Reichsmarschall gehabt: Göring, es wird der schwerste Kampf, den wir je gehabt haben! Göring sagte, wieso, mein Führer?
Etwas hat mich noch bestärkt. Eine deutsche Kommission war zurückgekommen und hat berichtet, ein Werk fabriziere so viel an Panzern, als wir überhaupt aufbringen. Da habe ich mir gesagt, jetzt ist es höchste Zeit! Aber hätte mir einer erklärt, die haben zehntausend Panzer, ich hätte geantwortet: Sind Sie wahnsinnig?
Erfindungen hat der Russe nicht gehabt. Was er hat, hat er alles von anderen. Sämtliche Ingenieure und Werkzeugmaschinen hat er aus dem Ausland.“
Dieser Aberglaube hat sich trotz Sputnik bis heute gehalten. Und auch die Konsequenz, die wider besseres Wissen daraus gezogen wird:
„Waffentechnisch werden wir den anderen immer überlegen sein.“
Diese Zitate geben natürlich nicht das wieder, was damals der Bevölkerung gegenüber erklärt wurde. Die Zweifel und die gelegentlich aufbrechende Erkenntnis, dass man die Lage grundsätzlich falsch eingeschätzt hat, blieben auf enge Kreise begrenzt. So Goebbels in seinem Eintrag vom 19.08.1941:
„Der Führer ist innerlich über sich sehr ungehalten, dass er sich durch die Berichte aus der Sowjetunion so über das Potenzial der Bolschewiken hat täuschen lassen. Vor allem seine Unterschätzung der feindlichen Panzer- und Luftwaffe hat uns in unseren militärischen Operationen außerordentlich viel zu schaffen gemacht.“
Propagandistisch war das ein schwieriges Problem für Goebbels, der schließlich dafür verantwortlich war, dass die Deutschen bei der Stange blieben. Sein Eintrag vom 20.09.41 könnte sich ähnlich in einem aktuellen Tagebuch von NATO-Propagandisten finden.
„Man kann daraus unschwer entnehmen, dass die Labilität in der psychologischen Haltung des deutschen Volkes während des Ostfeldzugs zum großen Teil auf die optimistischen, um nicht zu sagen illusionistischen Darstellungen der Lage im OKW-Bericht zurückzuführen war.
Allerdings ist das auch zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass wir eben das bolschewistische Potenzial ganz falsch eingeschätzt haben und aus dieser falschen Einschätzung heraus auch unsere falschen Schlüsse ziehen mussten.“
Falsche Einschätzungen finden sich heute zuhauf; das ganze Sanktionsdebakel beruht darauf. Seitdem müssen dem Publikum immer wieder ukrainische „Siege“ präsentiert werden, um es bei Laune zu halten. Der ganze Wahnwitz der laufenden „Offensive“ beruht darauf.
Und selbstverständlich ist die Vorstellung, ganz Russland gehorche nur einem Mann und dessen Fehlen würde zu einem sofortigen Zusammenbruch führen, auch nicht neu, sondern nur recycelt:
„Wenn dem Stalin etwas passiert, bricht das asiatische Großreich zusammen. Genauso, wie es entstanden ist, wird es zerfallen.“
Das war Hitler am 28.08.1942. Man sieht, die Hoffnungen wie die Fantasien haben sich nicht geändert. Die treibende Kraft dahinter ist die gigantische Beute, die ein zerfallendes Russland (ebenso wie zuvor eine zerfallende Sowjetunion) darstellen würde.
„Der russische Raum ist unser Indien, und wie die Engländer es mit einer Handvoll Menschen beherrschen, so werden wir diesen unseren Kolonialraum regieren.“
Das sagte Hitler im September 1941. Übrigens hatte er an diesem Tag auch etwas zu den Ukrainern zu sagen: „Den Ukrainern liefern wir Kopftücher, Glasketten als Schmuck und was sonst Kolonialvölkern gefällt.“ Ein Zitat, das bei den aktuellen Hitler-Anhängern dort mit Sicherheit nicht sehr bekannt ist.
Gegen Ende der Monologe findet sich eine Stelle vom 06.09.1942, die im Grunde alles zusammenfasst, was in den Zitaten zuvor zu sehen war: die Selbstüberschätzung, die Gier, die Bemühung, jede Erkenntnis, die der Verwirklichung der eigenen Pläne im Weg steht, zu verleugnen, selbst wenn sie sich gelegentlich Bahn bricht. Gespräche der NATO in Vilnius könnten ähnlich klingen.
„Die Russen haben einen Fehler gemacht: Sie haben sich auf Stalingrad geworfen! Man kann einen Krieg immer nur gewinnen, wenn der andere mehr Fehler als man selbst macht!“
Nun, wie diese Geschichte endete, ist bekannt, mit einer Unterschrift in Karlshorst unter die bedingungslose Kapitulation. Man sollte annehmen, dass sich eine solche Haltung nicht wiederholt. Oder dass man zumindest innezuhalten imstande ist, sobald sich die eigenen Erwartungen als illusorisch erweisen. Aber nichts in der Spanne zwischen „Die russische Wirtschaft ist in Fetzen“ (Ursula von der Leyen) und „die Ukraine muss siegen“ deutet darauf hin, dass in dem Spannungsfeld zwischen Hybris und Gier die Vernunft eine bessere Chance hat als beim historischen Vorbild.
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Der Artikel von Dagmar Henn, der wir für das Recht der Zweitveröffentlichung danken, erschein zuerst beim Feindsender RT.