Wohnungslos in Deutschland und der Region Pfaffenhofen

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Der Blick auf Krisengebiete versperrt die Wahrnehmung gewaltiger Probleme im eigenen Land

Es ist herzzerreißend obdachlose Kinder und Familien auf der Straße zu sehen – sie leben in Moscheen, Schulen oder sogar in kaputten Bussenschreibt eine UNICEF-Mitarbeiterin aus dem syrischen Aleppo. Doch was ist mit den derzeit 29.000 Kinder und den insgesamt für Deutschland bis 2018 prognostizierten 536.000 wohnungslosen Menschen?

Die Zahl der wohnungslosen Menschen ist in den letzten Jahren in Deutschland deutlich angestiegen, von 248.000 im Jahr 2010 auf 335.000 in 2014, darunter waren 29.000 Kinder und 306.000 Erwachsene – 86.000 Frauen und 220.000 Männer.

Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung vom 25. November 2016 auf eine Anfrage der Partei „Die Linke“ zur Wohnungslosigkeit hervor. (Nach Schätzungen des „BAG Wohnungslosenhilfe e. V.“ beträgt der Anteil wohnungsloser Menschen mit Migrationshintergrund dabei 31%)

Wobei die Regierung in ihrer Antwort anfügt, an fehlendem Wohnraum liege Wohnungslosigkeit oft nicht, „sondern hat in der Regel eine Reihe anderer sozialer und zum Teil auch psycho-sozialer Ursachen“.

Dem wiederspricht die „Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe“ und verweist auf die ihrer Meinung nach wesentlichen Ursachen dieses Problems: Eine „seit Jahrzehnten verfehlte Wohnungspolitik in Verbindung mit einer unzureichenden Armutsbekämpfung“ in Deutschland. (Seit 2002 gibt es eine Million Sozialwohnungen weniger)

Eine Problemlage, die auch im Landkreis Pfaffenhofen gesehen wird.

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Für den Landkreis gibt es zwar keine belastbaren Zahlen oder Schätzungen. Doch, in der -derzeit noch- wirtschaftlich glänzend dastehenden- Region zwischen München und Ingolstadt kann man es schnell übersehen: Auch hier sind immer wieder Einwohner vom Verlust ihrer Wohnung unmittelbar bedroht. Steigende Mieten, Verlust des Arbeitsplatzes und unbezahlbarer Wohnraum: Das sprichwörtliche „Dach über dem Kopf“ kann einem auch in unserer Region schnell abhandenkommen.

Um für die Bürger das „Platte machen“ zu vermeiden, also ohne jede Unterkunft auf der Straße leben zu müssen, fährt man vielerorts die „präventiven Maßnahmen“ für Obdachlose hoch.

Zum Beispiel in Geisenfeld und der Kreisstadt Pfaffenhofen.

In Geisenfeld mietete man als Ersatz für die bisher unansehnlichen 6 Unterbringungsmöglichkeiten ein Gebäude mit jetzt 10 Plätzen und in Pfaffenhofen, hier werden aktuell 50 Wohnungslose untergebracht, steht man vor der Fertigstellung von zusätzlichen 34 Wohneinheiten.
(Die Zahl 50 aus Pfaffenhofen schwankt täglich. Die dortige Verwaltung ist konsequent darum bemüht, Bürger aus den Wohnungslosenunterkünften in für sie bezahlbare Wohnverhältnisse zu vermitteln)

Sollten sich die Flüchtlingszahlen demnächst wieder nach Oben hin verändern, in der Einleitung habe ich ja auf die Situation in Syrien hingewiesen, könnten sich die daraus ergebenden sozialen Spannungen durch die dann angehobenen Zuteilungsquoten auch im Landkreis Pfaffenhofen auf den Wohnungsmarkt auswirken.

Müsste man aus Kapazitätsgründen das derzeit geltende Arrangement anpassen, nachdem derzeit anerkannte Asylbewerber noch in den vom Landkreis angemieteten Unterkünften bleiben können –nach geltendem Recht wären sie keine „Bewerber“ mehr und müssten nun in der jeweiligen Gemeinde von dieser untergebracht werden– stünden Gemeinden mit vom Landkreis verwalteten Asylunterkünften vor enormen Problemen.

Und nur so nebenbei: Verstärkt würde dieses Problem durch die seit 1. September in Bayern geltende „Wohnsitzpflicht für Flüchtlinge“, nach der der Freistaat -das Abwandern in die Großstädte soll vermieden werden- den Aufenthaltsort für die ersten drei Jahre nach Abschluss des Asylverfahrens vorschreibt. Also möglichst in der Gemeinde bleiben, in der die bereits begonnene Integration vor Ort erfolgte.

Also sollte man jetzt sofort die Ursachen bekämpfen.

Das gilt für Fluchtursachen wie für Obdachlosenursachen gleichermaßen. An beiden ist die deutsche Regierung beteiligt, bei beiden kann die Regierung etwas tun. In Syrien -und anderen Krisengebieten- die wie auch immer geartete, aber unbestriten verfassungswidrige militärische Beteiligung beenden und dort rein humanitäre Hilfestellung leisten. Und in Deutschland die sozialen Verwerfungen nicht nur andere aufzeigen lassen, sondern sie selber eruieren, um daraus gebotene Handlungen ableiten zu können.

Da die Bundesregierung die Wohnungslosigkeit zwar „verfolge und ernst“ nehme, jedoch keine eigene Statistik zur Wohnungslosigkeit führt, greift sie auf Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zurück. (Laut Auskunft der Bundesregierung sei auch weiterhin keine Statistik zur Zahl der wohnungslosen Menschen geplant. Genau diese Statistik mahnt der „BAG Wohnungslosenhilfe e. V.“ aber an, und fordert die Bundesregierung auf, umgehend einen entsprechenden Gesetzesentwurf ins Parlament einzubringen)

 

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.