Sie wollten nicht hin, aber trotzdem dort gewesen sein? Dank „fakecation“ waren sie dort, tranken in der Volksfestsaison ihr Bier tatsätzlich im Bierzelt und verschicken alles als tolle Urlaubsimpression.
Au weia, das will ich im Urlaub aber nicht erleben, denkt sich der Betrachter des Unterwasserbildes, das ihm seine Freunde aus dem Urlaub auf sein Handy schickten. Doch wer drückte hier auf den Auslöser und wie entkamen alle Beteiligten dem im Hintergrund aufgetauchten Riesenhai?
Als im Sommer eine gewisse Zilla van den Born durch die Presse geisterte, die Holländerin hatte für ein Uniprojekt das Prinzip der perfekt gefakten -also gekonnt gephotoshopten- Urlaubsbilder auf die Spitze getrieben und profane Einzelbilder zu gelungenen Urlaubsfantasien zusammenkomponierte, dürfte auch dem letzten Facebook- oder Instagram-Verliebten klar geworden sein, dass vermeintliche Gewissheiten und Wirklichkeiten des Lebens der Fantasie, technischen Spielereien oder dem Trend zur „fakecation*“ entspringen können.
*“fakecation“, ein Kunstwort aus Fake („Täuschung“) und Vacationing („Urlauben“).
Da werden ein Unterwasser-Selfi aus dem Freibad und die Abbildung exotischer Fische zum Nachweis eines aufregenden Südseetauchganges zusammenmontiert. Per Computer oder App, die qualitative Bandbreite bestimmt den Arbeitsaufwand.
Diese vermeintlichen, in Massen an „Freunde“ verschickten Urlaubsbilder können der Rubrik „mehr Scheinen als Sein“ zugeordnet werden. Sie sind dem eher unkreativen Bestreben entsprungen, einem bestimmten Umfeld etwas vorzugaukeln. Meist nicht gut gemacht, dafür umso öfter verschickt.
Etwas anders verhält es sich mit Bildern aus einem Urlaub, den man zwar vor Ort verbrachte, doch wegen „besonderer Umstände“ nicht angemessen dokumentieren konnte.
Bestes Beispiel Hong Kong. Da die Skyline meist nur hinter einem Dunstschleier erkennbar ist, wurden für die Touristen im Hafen riesige Bildwände mit klar erkennbarer Metropolsilhouette aufgestellt. Damit klappt es auch mit den Urlaubsbildern.
Wirklich gut sind Bilder, deren Witz im offensichtlich Unglaubwürdigen liegt und nicht versucht wird, eine neue Wirklichkeit zur optimierten Selbstdarstellung zu kreieren.
Weitere Gründe, sich die Wirklichkeit mit „Fakecationing“ etwas zurecht zu biegen, könnten zeitliche, finanzielle oder einfach kulturelle sein.
Nach dem Urlaub ist bekanntlich „Wiesnzeit„.
Bierzelte, in Tracht gequetschte Freibierlätschn und Gesichtsprominenz, quietschige Landhaus-Pseudo-Tracht und überteuerter Gerstensaft verschmelzen in schwitziger Atmosphäre zu Klängen der „Original kniebieselnden Dödelsäcke“ zu bayerischer Tradition.
Jetzt möchte man zwar Festbier trinken, doch andere Musik dazu hören. Das Ganze in finanziell erträglichen Dimensionen bekommen und im Kreise angenehmer Zeitgenossen abhängen. (Zum Preis von zwei Maß im Bierzelt, befüllt man sich den heimischen Kühlschrank mit dem Inhalt eines ganzen Trägers)
Also montiert man ein Bild von sich (im leichten Bieranzug) in ein typisches Bierzeltfoto mit Promilleschönheiten
oder aufgekratzten, ausländischen „Hobby-Ethnologen“,stellt diese Impressionen eines gelungenen Bierzeltbesuches gegen 22 Uhr als Stimmungsnachweis auf sein Facebook- Profil und kann -ohne Rippenprellung, ohne tinnitusbeschleunigenden Lärmpegel und doch bei guter Musik- mit guten Freunden zu Hause das eine oder andere Fläschchen Festbier extra trinken.
Ach ja: Wir haben den Hai aus obigen Aufmacher Foto gebeten, sich doch ohne Taucher fotografieren zu lassen. Und sie werden es nicht glauben, er hat uns den Gefallen getan.