Gewerkschaft bestreikt die Stadtpfarrei St. Emeran in Geisenfeld

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Kirchenpersonal beklagt Sparzwänge, Priestermangel und zunehmenden Glaubensverfall

Kein Weihrauch, keine Messen, keine Trauungen und keine Beichten. Noch vor den morgigen Streiks der Piloten und nach den letztwöchigen Ingolstädter Warnstreiks im Klinikum, der Brauerei Herrnbräu und vielen Kindertagesstätten sind die Warnstreiks heute in der Stadtpfarrei St. Emmeram und der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Geisenfeld angekommen.

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Mathilde Kebbi (Name von der Redaktion geändert) hatte schon vieles gesehen. Doch was sie heute in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt erleben musste, stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Vor der Kirche eine große Anzahl ihr unbekannter Pfarrer und Kapläne mit Gewerkschaftstransparenten und in der Kirche überall Plakate mit Streikhinweisen.
Dabei wollte sie heute nur die am Samstag wegen eines defekten Absolutions-Sakramentes ausgefallene Beichte nachholen.

Streikplakate versperren die Beichtstühle

Doch die Beichtstühle wurden durch Plakate mit Streikhinweisen versperrt und ein ortsfremder, extra aus dem Bistum Regensburg angereister Diakon nahm sie vor einem Beichtstuhl beiseite um ihr die ungewohnte Situation zu erklären.

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Da trotz massivster Warnstreiks der Gewerkschaft Verdi von den Arbeitgebern für den auslaufenden Tarifvertrag für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes kein Gegenangebot vorgelegt wurde, ließ die für die Region 10 zuständige Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Steffi Kempe die Streiks auf die Diözese Regensburg, im Speziellen auf das Dekanat Geisenfeld ausweiten.

Der Zeitpunkt für den Streik war gut gewählt, weilte doch Stadtpfarrer Thomas Stummer gerade zur Fortbildung in Rom und Martina Götz, die gerade wiedergewählte Sprecherin des GeisenfelderPfarrgemeinderates besuchte Verwandte auf Helgoland und ihre neue Stellvertreterin war noch nicht eingearbeitet.

Pfarrer-Initiative“ beklagt prekäre Zustände

Personell derartig geschwächt war es für die aus benachbarten Gemeinden und Dekanaten angereisten Seelsorger keine große Herausforderung, Transparente um und in der Kirche anzubringen, sich davor zu postieren und Passanten und Kirchenbesucher auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.

kGSündesein-zhd28Einige von ihnen kommen direkt aus dem alten Benediktiner-Kloster in Schwarzach, dem kircheneigenen Therapiezentrum für verzweifelte Seelsorger, deren Seelen krank wurden.

Der mitgereiste Leiter, Wunibald Müller, Theologe und Psychotherapeut in Personalunion erklärt den Umstehenden die Lage „seiner“ Patienten.“Die Geistlichen sind immer mehr Verwalter und immer weniger Seelsorger„, sagt Müller, „daran zerbrechen viele“.

Er spricht von Überforderung und ausgebrannten Geistlichen.

Etwas abseits unterhält sich eine kleine Gruppe über eine nicht näher bezeichnete „Pfarrer-Initiative“, die, ausgehend von Österreich, innerkirchlich gegen prekäre Zustände vorgeht. Auch bei den Nachbarn führen fehlender Nachwuchs und zusammengelegte Pfarreien zu „Gemeinde-Hopping“, weniger Seelsorge und mehr Management.

Die feste Verwurzelung in einem Ort mit einer überschaubaren Gemeinde ist für viele Priester auf beiden Seiten der Alpen nur noch ein Wunschtraum.

Selbst bei der Beichte wird gelogen

Ein älterer Pfarrer wird gegenüber „Bürgersicht“ noch deutlicher. Neben den öffentlich bekannten Personalproblemen gäbe es ein der Öffentlichkeit gegenüber verschwiegenes Tabu-Thema, das nur in internen Internetforen von langjährig tätigen Seelsorgern diskutiert wird.

Man fühle sich beim stundenlangen verharren im Beichtstuhl mit der Regelmäßigkeit von Beichte und Vergebung einer mittlerweile nur noch schwer erträglichen Trivialität ausgeliefert.

Die Beichten hörten sich langweilig, nicht mehr ehrlich und kaum noch aufrichtig bereuend an.

Auf Nachfrage erklärt er, er und viele seiner Kollegen haben den Eindruck, dass selbst bei der Beichte noch gelogen wird. Aus Mangel an Aufrichtigkeit sind viele Beichten deshalb nichts wert!

Mit dem Warnstreik in der Pfarrei Geisenfeld möchte man die katholische Kirche insgesamt aufrütteln, sich als einer der größten Arbeitgeber im deutschsprachigen Raum den Sorgen und Nöten ihrer geistlichen und nichtgeistlichen Mitarbeiter zu stellen, sich nicht länger zu verschließen und für die zunehmend erschwerten Arbeitsbedingungen gemeinsam nach Lösungen suchen!

Warnstreiks in Geisenfeld durch „Beichtmobil“ gelindert

In vielen wichtigen Punkten sind die Positionen noch deutlich auseinander„, erklärt Verdi-Verhandlungsführer Frank Bsirske auf einer in München abgehaltenen Pressekonferenz die Gründe zur Fortsetzung der Warnstreiks auch in Geisenfeld.
Dabei habe man auch an Notsituationen gedacht.

Beichtmobil-350-web-hdWie bei der Notfallversorgung letzte Woche im Klinikum Ingolstadt habe man auch für „Sünden-Notfälle“ eine Lösung.

Sollte die Last der angehäuften Sünden für einen Gläubigen unerträglich werden, er sogar Gefahr läuft, unter ihr zusammenzubrechen, so habe man vorgesorgt.

In München stehe für Notfälle ein mobiles „Beichtmobil“ auf Abruf bereit.

Der weltweit einzigartige „fahrende Beichtstuhl„, ein umgebauter VW-Bus mit Pater Hermann-Josef Hubka am Steuer,

könne für derartige Notfälle unter Telefon: +49 / 89 / 64 24 888 – 0
bei „Kirche in Not“ angefordert werden.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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