BND verschweigt eine seit 2005 entdeckte Hintertür bei amerikanischen Überwachungskameras
Ein US-Sicherheitstechnik-Hersteller hat nach Recherchen des ARD-Magazins FAKT geheime Zugänge für US-Geheimdienste in seine Kameraüberwachungssysteme eingebaut. Dies belegt ein als geheim klassifizierter Bericht des Bundesnachrichtendienstes aus dem Jahre 2005.Statt es der deutschen Spionageabwehr zu melden, schwieg man lieber. Grund: Mögliche „politische Implikationen“.
Überwachungssysteme mit Kameras werden vielerorts an Straßen und in Gebäuden eingesetzt. Wie praktisch für ausländische Geheimdienste, wenn diese die Systeme gleich mit nutzen können.
Wie das ARD-Magazin „Fakt“ am gestrigen Dienstag in einem Beitrag nun berichtet, kannte der „Bundes Nachrichten Dienst“ diese Praktiken. Behielt seine Erkenntnisse aber für sich.
Die Fakt-Redaktion schreibt dazu; Eine Quelle hatte den BND bereits 2004 auf diesen Vorgang hingewiesen. Eine technische Überprüfung eines der Geräte durch den Bundesnachrichtendienst ergab, dass das System verdeckt eine Verbindung mit einem amerikanischen Militärserver herzustellen versuchte. Überwachungssysteme von NetBotz werden vor allem in hochsensiblen Sicherheitsbereichen wie Serverräumen installiert, so etwa am Frankfurter Flughafen, der koreanischen Raumfahrt-Universität oder einem Datenzentrum der thailändischen Regierung.
Verfassungsschutz (BfV) wurde nicht informiert
Die Information über die manipulierte Sicherheitstechnik erreichte die zuständige Spionageabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz offensichtlich nicht. Die zuständige Abteilung des BND verzichtete nach dem Bericht aus dem Jahr 2005 darauf, diese Information in die BND-Berichterstattung aufzunehmen. Der Grund war die Befürchtung möglicher politischer Implikationen bei Offenlegung dieser Information. Recherchen von FAKT belegen nun erstmals, dass die zuständige Abteilung Spionageabwehr des BfV tatsächlich nicht informiert wurde.
Stattdessen erfuhr das Bundesamt für Verfassungsschutz erst durch Ermittlungen der Bundesanwaltschaft im Jahre 2015 von dem Vorgang.
Martina Renner, Obfrau der Linken im NSA-Untersuchungsausschuss kritisierte dieses Verhalten des BND im Gespräch mit FAKT scharf. „Der normale Weg wäre, das BfV zu informieren, möglicherweise Strafanzeige zu stellen“, sagte sie. „Es geht ja hier um geheimdienstliche Agententätigkeit, da hätte man frühzeitig die Strafverfolgungsbehörden einschalten können und dann hätte man prüfen müssen, ob diese Technik in Ministerien oder Behörden oder in kritischen Bereichen der Industrie eingesetzt ist.“
Offensichtlich prüft der Generalbundesanwalt den Vorgang. Der BND beobachtete bereits 2005, dass NetBotz massiv an Kunden wie Regierungsstellen, z.B. das Auswärtige Amt und Kunden im Bereich der High-Tech- und Rüstungsindustrie herantrat. Im Bereich der deutschen High-Tech-Industrie wurden Überwachungssysteme verkauft. Dabei bot NetBotz die Überwachungslösungen offenkundig unter Wert an und lehnte eine umsatzstärkere Anfrage einer Einzelhandelskette ab.
Gezielte Suche nach deutschem Mutterunternehmen
Seit 2007 ist NetBotz Teil des französischen Großkonzerns Schneider Electric. Aus dem BND-Papier geht hervor, dass der Hersteller der Sicherheitstechnik vor der Übernahme durch Schneider Electric sich gezielt von einer deutschen Firma übernehmen lassen wollte, um die amerikanische Herkunft der Technologie zu verschleiern.
So sollte der Zugang zu Kunden aus sicherheitsrelevanten Bereichen erleichtert werden. Ob diese Strategie auch bei dem Verkauf an Schneider Electric verfolgt wurde, dazu hat FAKT die französischen Sicherheitsbehörden und Schneider Electric angefragt. Schneider Electric äußerte sich dahingehend, dass der Konzern weder von deutschen, noch französischen Behörden über diesen Vorgang informiert worden sei. Die französische Cyber-Defense-Behörde ANSSI hat auf Anfrage von FAKT eingeräumt, die Geräte bisher nicht untersucht zu haben.
Konstantin von Notz, Obmann der Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss: „Wenn der BND die Franzosen nicht gewarnt hat, dann hätte man einen engen Partner in Europa bewusst in Unkenntnis gelassen, das wirft zumindest in Hinblick auf das Vertrauensverhältnis von Frankreich und Deutschland im Hinblick auf geheimdienstliche Kooperation doch einige Fragen auf.“
Alle von FAKT angefragten deutschen Behörden – darunter das Kanzleramt, der BND, das BfV, das Bundesinnenministerium und der Generalbundesanwalt – wollten sich zu dem Vorgang inhaltlich nicht äußern.