Deutschland geht es gut – Der Zauber mit den Arbeitslosenzahlen

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Damit die Wohlfühlrhetorik in der Arbeitsmarktpolitik rein rechnerisch stimmig bleibt, haben wir in Deutschland nicht nur „einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt“ (Kanzler Gerhard Schröder 2005 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos), sondern -jedes Mal aufs Neue- auch einen Weg gefunden, bei den Arbeitslosenzahlen zu zaubern.

Olaf hat Husten, ist arbeitslos, krankgeschrieben und verfolgt die Live-Übertragung aus dem Deutschen Bundestag über die Abstimmung zum Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Das war am 1. Oktober 1981.

Der -schlussendlich erfolgreiche- Misstrauensantrag der Unionsparteien gegen Kanzler Schmidt (SPD) wurde mit der Regierungsunfähigkeit seines SPD-Minderheitskabinett begründet, das die hohe Zahl von fast 1,8 Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik nicht in den Griff bekäme. (Das Statistische Bundesamt verzeichnete später nur 1.271.574 Arbeitslose für das Jahr 1981)

Mit 256 von 495 Stimmen (235 Neinstimmen, vier Enthaltungen) wurde Schmidt aus dem Kanzleramt raus- und Helmut Kohl reingewählt. Und der kranke Olaf? Er war immer noch drin! Zumindest in der offiziellen Arbeitslosenstatistik.

Im Gegensatz zur damaligen Statistik genießen seit 2009 Arbeitslose die das Bett hüten müssen, einen Sonderstatus. Deren Arbeitslosigkeit ist „Arbeitslosigkeit im weiteren Sinne“.

Bild:Die LINKE
Bild:Die LINKE

Krankgeschriebene Arbeitslose sind nach den geltenden Berechnungsregeln nicht wirklich arbeitslos, würden demzufolge dem Arbeitsmarkt nicht wirklich zur Verfügung stehen und werden nach den aktuell geltenden Berechnungsregeln aus der Arbeitslosenstatistik entfernt. Der kranke Olaf würde heute, wie 2016 rund 1 Million andere Arbeitslose, in der offiziellen Arbeitslosenstatistik nicht mehr mitgezählt.

(Detail am Rande: 230 000 Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren sind ohne Beschäftigung und nehmen nicht an Bildungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen teil)

Dieser „Schwund“ in der Arbeitslosenstatistik von rund 27 Prozent ist ja schon ärgerlich. So richtig ärgern aber kann man sich, wenn man das große Ganze betrachtet. Der „Focus“ dazu:

Obwohl die Arbeitslosigkeit derzeit so niedrig ist wie seit 1991 nicht mehr, erhielten im Mai 2016 laut Bundesagentur für Arbeit insgesamt 6,91 Millionen Menschen Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen. Das sind fast zweieinhalb Mal so viele Menschen wie vor 25 Jahren. Diejenigen, die freiwillig oder unfreiwillig auf Hilfen verzichten, sind dabei nicht einmal eingerechnet“.

Jetzt komm ich aber ins Grübeln: Weswegen wurde Schmidt damals das Misstrauen ausgesprochen?

Wem das oben beschriebene zu trocken, zu wenig unterhaltsam oder einfach zu unzeitgemäß erschien, der kann sich hier die Zaubershow „Phantastische Arbeitslosenzahlen und wie man sie zaubert“ ansehen. (Eine Ausschnitt aus der ZDF Kabarettshow „Mann, Sieber!“ vom 30.11.2016)


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Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.