Wenn jetzt in den etablierten Medien viel darüber zu lesen ist, wie Onlinemedien mit falschen und manipulierten Nachrichten regelrecht geflutet werden, vergessen die Lamentierer die verheerende Rolle ihrer eigenen Medien dabei. Jens Berger von den „Spiegelfechtern“ hat da für die „NachDenkSeiten“ nochmal nachgeblättert.
Fake News? Das ist doch ein alter Hut
Von Jens Berger (Der Beitrag erschien zuerst in den „NachDenkSeiten“)
Der Begriff „Fake News“ ist in aller Munde. In einem kurzen Erklärvideo fragt sich jetzt sogar die Tagesschau wie „gefährlich Fake News“ sind. Wir haben die Antwort: Fake News können extrem gefährlich sein und sind für Millionen Todesopfer verantwortlich. Als besonders gefährlich haben sich dabei jedoch die „Fake News“ herausgestellt, die nicht nur über die Sozialen Medien, sondern über die klassischen Medien verbreitet werden.
Gefährlich, gefährlich; da hat offenbar ein Mann in einer Pizzeria in Washington um sich geschossen. Warum? Weil er einer Falschmeldung aus den sozialen Netzwerken geglaubt hat, nach der niemand anderes als Hillary Clinton in genau dieser Pizzeria einen Kinderpornoring betreibt. Solche Meldungen kommen heutzutage nicht nur in den Nachrichten, sondern treiben zahlreiche Kollegen der „seriösen“ Medien sogar zu sehr ernsten Gedanken. Was man früher als Ente oder Falschmeldung bezeichnet hat, wird heute „Fake News“ genannt und ist das Thema der Stunde.
Ja, wie gefährlich können solche „Fake News“ sein, liebe Kollegen? Ein kurzer Blick auf die jüngere Geschichte zeigt, warum die Sorge mehr als berechtigt ist. 1990 meldeten beispielsweise fast alle Zeitungen und Fernsehsender, dass irakische Soldaten im besetzten Kuwait Säuglinge aus Brutkästen rissen und auf dem kalten Boden elendig verrecken ließen. Die Nachricht schlug ein, die „Weltgemeinschaft“ war empört und George Bush konnte seine lang geplante Invasion des Irak starten. Was folgte, war der erste Irakkrieg, Sanktionen und rund 1.500.000 Tote. Später kam heraus, dass die Story eine astreine PR-Lüge der Agentur Hill & Knowlton im Auftrag der kuwaitischen Exil-Regierung war. Eine Falschmeldung oder „Fake News“, wie man heute so schön sagt.
Fast zehn Jahre später, im April 1999, zeigten auch deutsche Medien, wie man folgenreiche „Fake News“ unters Volk bringt. Im Kosovo verfolgten die Serben einen „Hufeisenplan“; Kosovaren würden in Katakomben zusammengetrieben, nun müsse die Menschheit ein „zweites Auschwitz“ verhindern. Auch in der Tagesschau liefen diese Meldungen, so wie im SPIEGEL und allen anderen so „seriösen“ Qualitätsmedien. Die Deutschen glaubten die Meldungen, waren empört und die rot-grüne Regierung konnte das Volk auf den ersten deutschen Angriffskrieg seit 1945 einstimmen. Der Wahrheitsgehalt dieser Meldungen? Es war Lügen, „Fake News“, die rund 13.000 Opfer forderten.
Dass „Fake News“ auch von allerhöchster Stelle kommen können, bewies US-Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat. Faktenreich – heute würde man wohl eher „postfaktisch“ sagen – legte er dort Beweise vor, aus denen klipp und klar hervorging, dass Irak Massenvernichtungswaffen besitzt. Und da die Quelle ja über jeden Zweifel erhaben war, zeigten die Medien weltweit Powells PowerPoint-Folien und lieferten Bush jr., Blair und ihrer „Koalition der Willigen“ damit die Rückendeckung für den Zweiten Irakkrieg. Massenvernichtungswaffen wurden nicht gefunden, Powells „Beweise“ waren Fälschungen, die Berichte darüber „Fake News“. Nur dass diese „Fake News“ nicht nur die Deckenverkleidung einer Washingtoner Pizzeria, sondern rund 500.000 Menschenleben auslöschten.
Oh ja, „Fake News“ können Menschenleben gefährden, liebes Team der Tagesschau. Ja, auch die alternativen Medien und natürlich auch die Nutzer in sozialen Netzwerken produzieren zahlreiche Fehlmeldungen, Lügen und „Fake News“. So berichtet eine sehr beliebte alternative Internetseite aus Kanada beispielsweise bereits seit rund 10 Jahren alle paar Monate darüber, Insiderinformationen darüber zu haben, dass die USA – wahlweise auch Israel – Iran angreifen würden. Mit ein wenig Medienkompetenz erkennt man solche Aufschneider aber schnell. Und so ärgerlich „Fake News“ der alternativen Medien auch sind – durch sie ist bislang kein Mensch ums Leben gekommen. Die „Fake News“ der klassischen Medien haben indes Millionen Menschenleben ausgelöscht.
Um so wichtiger wäre es daher, dass die klassischen Medien sich ihrer Verantwortung endlich bewusst werden. Doch davon ist leider nicht auszugehen. „Fake News“ verbreiten – so auch das Erklärvideo der Tagesschau – immer die anderen, Facebook, die Sozialen Netzwerke. So paradox es klingt: Ausgerechnet die Mainstream-Medien, die durch Falschmeldungen Millionen Menschenleben mit auf ihrem Gewissen haben, nutzen nun den Begriff „Fake News“ zur Eigen-PR. Vertraut uns, wir sind die Guten. Im Netz warten nur „Fake News“ … postfaktisch und populistisch. Na klar.
WDR-Journalist Demian von Osten schließt sein Erklärvideo mit dem Tipp, Sie, also die „Nutzer“, sollten sich selbst immer zuerst fragen, ob diese Geschichte denn wahr sein kann. Diesen Tipp sollten Sie in der Tat befolgen – aber nicht nur auf Facebook, sondern auch bei der Tagesschau.
(Anmerkung von Bürgersicht: Hier noch ein weiteres Beispiel. Diesmal Video-Fake-News. Das Pentagon hat der britischen PR-Firma Bell Pottinger mehr als eine halbe Milliarde Dollar bezahlt, um gefälschte Terroristenvideos zu produzieren. Zum Beispiel TV-Nachrichten, die so aussehen mussten, als stammten sie von arabischen Sendern)