Inflationstreiber Nahrungsmittelindustrie  – EDEKA verliert die Geduld

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Ungewohnt kämpferisch geht EDEKA gegen überzogene Preiserhöhungen von Herstellern vor

Teuer, teurer, noch teurer. In nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens werden Verbraucher mit bereits vollzogenen, oder für die nahe Zukunft angekündigten Preiserhöhungen konfrontiert.

Da auch Nahrungsmittelhersteller, aus Sicht des Lebensmitteleinzelhandels besonders bei deutschen Verbrauchern durch in der Höhe unberechtigte Preisforderungen in teils unverantwortlicher Weise ihre Renditen aufbessern wollen, reagiert EDEKA jetzt ungewohnt offensiv auf Preisforderungen des Lieferanten „Mars GmbH“

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Durch stark steigende Energie- und Verbraucherpreise sieht sich ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung kaum noch in der Lage, die regelmäßigen Ausgaben oder drohende Nachzahlungen für Energie und Strom  stemmen zu können. (Im August stiegen die Nahrungsmittelpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 16,6 %, Energiepreise um 35,6 %)

Anders als bei den aktuell erneut stark anziehenden Preisen an den Zapfsäulen, denen Verbraucher i. d. Regel vollkommen machtlos ausgeliefert sind, haben Deutschlands Verbraucher in den großen Lebensmitteleinzelhändlern mächtige Verbündete, die Nahrungsmittel-Herstellern „völlig überzogene Preiserhöhungen – oft ohne nachvollziehbaren Grund“ nicht durchgehen lassen.

Mögen Mineralölkonzerne, wie aktuell am 30. August 2022 in den „ZDF-heute Nachrichten“ der Sprecher des „Wirtschaftsverbandes Fuels und Energie“, mit hanebüchenen Begründungen wie „Saudi Arabien denke laut darüber nach, die Ölförderung zu drosseln“ mögliche, in der Zukunft liegende Veränderungen am Ölmarkt zur sofortigen Erhöhung der Benzinpreise nutzen, sagt z. B. Edeka-Chef Markus Mosa den Nahrungsmittel-Herstellern, die „ihre Renditen mit überhöhten Preisforderungen maximieren wollen“ den Kampf an.

Die laut Ranking des „EHI Retail Instituts“ mit großem Abstand bei Umsatzstärke und Verkaufsstellen unter den TOP 30 im deutschen Lebensmittelhandel führende EDEKA-Gruppe (Vollsortimenter EDEKA u. Diskounter Netto Marken Discount) sieht sich gegenüber ihren Kunden in der Verantwortung. Markenartikel fliegen, egal ob von Multinationalen Schwergewichten oder von sich unverzichtbar wähnenden deutschen Herstellern, bei überzogenen Preisforderungen aus den EDEKA-Regalen.

Wobei Verbraucher lt. einer Umfrage der Unternehmensberatung Oliver Wyman dem Handel dabei den Rücken stärken, da 74 Prozent der Befragten die Kundeninteressen eher vom Handel als von den Herstellern vertreten sehen. 52 Prozent sei es nach eigenem Bekunden sogar egal, wenn der Handel einzelne Markenprodukte aus dem Sortiment streicht. Drei von Vier Verbrauchern merken das Fehlen nicht mal.

Mit „wir stehen für Preise, die allen schmecken“ gab EDEKA-Chef Mosa bereits auf einer Handelstagung im Herbst letzten Jahres der Industrie zu verstehen, dass man „unberechtigte Forderungen“ wie z.B. eine 25%ige Preisanhebung eines Teigwarenherstellern nicht akzeptieren werde. In der EDEKA-Zentrale in Hamburg habe man ausreichend Expertise, um die von den Herstellern als Grund für Preiserhöhungen angeführten gestiegenen Rohwaren-oder Frachtkosten mit Rohstoffindizes und dem Zugriff auf ein für Logistikpreise zuständiges Agentennetz einem Realitätscheck zu unterziehen. Erzielt man nach mehreren Verhandlungsrunden keine Einigung über die Höhe des Preises, fliegt das Produkt bei EDEKA aus den Regalen. (Nennt sich Auslistung) Oder gleich mehrere Produkte des Herstellers, da die Preiserhöhung für keines dieser Produkte von EDEKA  akzeptiert wurde.

(Wobei Hersteller einer sich ankündigenden Auslistung ihrer Produkte zuvorkommen wollen, und mit einem vermeintlich Gesicht wahrenden Lieferstopp reagieren. Wie aktuell die „Mars GmbH“ oder im letzten Jahr z.B. „Kraft-Heinz“ mit seinen Ketchups. EDEKA nutzte die Zeit und füllte die Lücke mit einer eigens kreierten neuen Ketchup-Marke. Nach Monaten und einem zwischenzeitlichen Einbruch der „Kraft-Heinz“-Aktie einigte sich „Kraft-Heinz“ mit EDEKA, doch die Nachfrage nach„Kraft-Heinz“ Produkten, nicht zuletzt wg. der von Kunden gut angenommen Eigenkreation von EDEKA, blieb hinter den vor der Auslistung erzielten Verkaufszahlenzahlen zurück)

Sukzessive wird man aktuell einige Produkte des Lieferanten „Mars GmbH“ in den Regalen bei EDEKA nicht mehr finden.

Der Lieferant „Mars GmbH“ hat uns als EDEKA für einige seiner Produkte ein zu teures Angebot gemacht. Deshalb nehmen wir diese Produkte solange aus dem Regal, bis der Preis für alle stimmt“.

Ein im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ungewöhnlich offensiv kommunizierter, meist nur Fachkreisen vorbehaltener Blick auf das Reißen von Geduldsfäden, mit der man seinen Kunden -auf ausliegenden Informationsblättern in den Supermärkten- den Kampf gegen die aus Sicht der EDEKA wahrgenommene Preistreiberei erklärt.    

Da Verbraucher nur sehr selten verschiedene Marken mit nur einem einzigen Hersteller in Verbindung bringen, dürften sie sich jetzt wundern, wie viel verschiedene Produkte der ursprünglich als Riegel-Hersteller bekannte Lieferant mittlerweile herstellt, und jetzt einige davon, nach und nach aus den Regalen bei EDEKA verschwinden.

Wobei EDEKA an den dadurch entstehenden Regallücken ganz gezielt auf qualitativ hochwertige Alternativprodukte hinweist.

Der deutsche Einzelhandel ist derzeit auch irritiert von den Preisen die der US-Multi „Mondelez für seine in Deutschland (Lörrach) produzierte, und in Dutzende Länder gelieferte 100 Gramm Tafel „Milka“-Schokolade aufruft. Während in Deutschland – mit Ausnahme von Lidl- die Tafel im Standartpreis für durchgängig  1,29 Euro in den Regalen steht, zeigt ein Blick in die Nachbarländer, das die Tafel dort im Standartpreis um bis zu 42 Prozent günstiger verkauft wird.

Demzufolge kritisiert auch Hans-Jürgen Moog, Einkaufschef von Rewe-der aktuellen Nummer Drei im Ranking des Lebensmittelhandels in Deutschland, das „freche Vorgehen“ einzelner Nahrungsmittel-Konzerne, da „deutsche Konsument von den Konzernen als Erster und am stärksten abkassiert werden sollen“.

Im Gespräch mit der „Lebensmittelzeitung“ sprach Moog, wie zuvor schon EDEKA-Chef Mosa, die Preistreiberei an. „Teile der Industrie verhalten sich so, dass die Inflation nach oben getrieben wird“. Die Preiserhöhungen in Deutschland seien nicht mit den internationalen Preisen im Einklang. „Die Hersteller sagen ganz offen: Der deutsche Kunde gibt das her“, so der Manager. „Ein besonders freches Verhalten internationaler Konzerne und nationaler Großkonzerne“.

Doch viele der Hersteller überschätzen die Zugkraft ihrer eigenen Produkte. Denn Kunden sind keineswegs bereit jeden Preis zu zahlen oder zahlen zu können. Zumal, und die offen kommunizierte Kampfansage der EDEKA verdeutlicht es den Kunden jetzt sehr augenfällig, viele Markenprodukte austauschbar sind und gleichwertige und preiswerte Alternativen deren Platz einnehmen könnten.

Ein Umstand der es Markenprodukten erschweren kann -siehe „Kraft-Heinz“-  nach längerer Abwesenheit in den Regalen frühere Käuferschichten zurück zu gewinnen. 

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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