Kanzler Scholz bei Biden – „Cyrano de Bergerac“ wäre ein guter Begleiter

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Vasallentum oder Speichellecken wären Cyranos Sache nicht.

Unser Bundeskanzler Olaf Scholz absolviert heute Abend (07.02.2022) seinen Antrittsbesuch bei US-Präsident Joe Biden in Washington. Beide haben viel zu besprechen. In Anbetracht der derzeitigen Konfliktlage dürfte das Thema Russland vs. USA/NATO dabei eine besondere Rolle spielen.

Ginge es nach den Deutschen Medien, sollte Scholz sich wie ein braver Bub auf den Schoß von Biden setzen, ihm keine Wiederworte geben und komplett vergessen, das er als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland fundamentale eigene Interessen auch Biden gegenüber zu vertreten habe.
(Wie es mit der Souveränität Deutschlands bestellt ist, und ob es die ominöse „Kanzlerakte“ wirklich gibt, -von der aus dem Dienst ausgeschiedene ausländische Geheimdienstler immer mal wieder raunen und in der die Gentleman’s Agreement z.B. zwischen den USA und Deutschland beschrieben sein sollen- soll hier außen vor bleiben)  

Als Bürger sollte man sich jedoch die Frage stellen, warum Scholz das tun sollte? Dieses von den Medien massiv befeuerte sich ins eigene Fleisch schneiden, beim Kriegsgeschrei und den Drohungen gegenüber Russland brav mitzumachen.

Muss nicht sein? Darf nicht sein! Und in Anbetracht unserer deutschen Geschichte schon zweimal nicht!

Ich bin sicher unser Kanzler hat im Laufe seines Lebens schon viel Literatur gelesen, etliche Theateraufführungen besucht oder auch viele Filme gesehen. Es wäre ermutigend, hätte er auch „Cyrano de Bergerac“ gelesen, auf einer Bühne oder als Film irgendwo gesehen. Und die Quintessenz darin verstanden!

Ich hab’s zwar noch nicht geschafft, die im südwestfranzösischen Département Dordogne rund um die Stadt Bergerac ausgebauten und hochgelobten Roséweine -weder vor Ort noch im Handel- zu degustieren, doch der Name Bergerac hatte aus einem für mich viel wichtigeren Grund schon immer einen guten Klang.

Das liegt am Theaterschriftsteller Edmond Rostand, der1897 mit dem komödiantisch heroischen Versdrama „Cyrano de Bergerac“ dem hochherzigen Dichter, Draufgänger und Vorläufer der Aufklärung Hector Savinien de Cyrano (1619- 1655), genannt Cyrano de Bergerac, ein Denkmal für dessen freidenkerischer Gesinnung setzte.

Die Rahmenhandlung des Stücks beschreibt einen scharfzüngigen, schöngeistigen Offizier und virtuosen Degenfechter, dessen lange Nase ihn zum leidenden Liebenden werden lässt.

Doch das eigentlich für mich faszinierende, die charakterliche Tiefe dieses tragikomischen Cyrano de Bergerac, lässt Rostand an vielen Stellen dieses Stücks aufscheinen. In messerscharfen Erwiderungen und Monologen lässt er Cyrano angewidert auf Willkürherrschaft, Ränkespielchen und (sorry) Arschkriecherei reagieren.

Duckmäusertum und Speichelleckerei, im heutigen Sprachgebrauch politisch auch als „Vasallentum“ bezeichnet, in „Cyrano de Bergerac“ könnte man die Abscheu und die Verachtung darüber als Zuschauer in den vorderen Reihen einer Theateraufführung nicht nur an den Versen, sondern bei guten Darstellers auch an deren Mimik erkennen.

(In einer zeitgenössischen, etwas freieren Fassung, z.B. auf einer Experimentalbühne, würde Cyrano nach jedem dieser die Charakterlosigkeit der heutigen Zeit anprangernden Verse demonstrativ ausspucken)

Folgender Monolog aus dem Stück (2. Aufzug, 8. Auftritt, Übersetzung von Ludwig Fulda, Reclam) wäre nicht nur für einen deutschen Bundeskanzler ein guter Lebensbegleiter:

Wie soll ich’s halten künftig?
Mir einen mächtigen Patron entdecken
Und als gemeines Schlinggewächs dem Schaft,
An dem ich aufwärts will, die Rinde lecken?
Durch List empor mich ranken, nicht durch Kraft?
Nein, niemals!

Oder soll ich, wie so viele,
Ein Loblied singen auf gefüllte Taschen,
Soll eines Hofmanns Lächeln mir erhaschen,
Indem ich seinen Narren spiele?
Nein, niemals!

Oder soll ich Kröten schlucken,
Auf allen vieren kriechen, gleich dem Vieh,
Durch Rutschen wund mir scheuern meine Knie,
Kreuzschmerzen leiden durch beständ’ges Ducken?
Nein, niemals!

Soll ich einem Schäfchen gleichen,
Um selbst mir eins ins Trockene zu bringen?
Soll Honig streun, um Zucker einzustreichen?
Und unermüdlich Weihrauchfässer schwingen?
Niemals!

Soll ich als lust’ger Zeitvertreiber
Nach großem Ruhm in kleinem Kreise spähn,
Damit sich von den Seufzern alter Weiber
Des Dichterschiffleins schlaffe Segel blähn?
Niemals!

Für meine Verse dem Verleger,
Der sie mir druckt, bezahlen runde Summen?
Niemals!

In der Verbrüderung der Dummen
Gefeiert werden als der Bannerträger?

…. Nein, niemals, niemals, niemals!

Dazu noch ein Satz aus dem französischen Original: „…. und wenn ich unter Menschen gehe, lasse ich Wahrheiten wie Sporen klingen.“

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Nachtrag 2023:Stern“-Titelbild, Ausgabe Nr.10 vom 2. März 2023

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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