Merkels Terroranschläge – Wer möchte schon gerne „verhöhnt“ werden.

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Merkels dumme Einlassung auf ihrer Pressekonferenz und die Kunst von uns Deutschen, unter ihrer Führung die Realität einfach auszublenden. Das ist es, was wir Deutschen wirklich schaffen.

Please, your next“ bedeutete der noch unschlüssig an der Getränkeausgabe eines belgischen Musik-Festivals vor sich hin grübelnde Deutsche einem hinter ihm stehenden Besucher. „Oh, nice. Thanks“ bedankte sich der angesprochene, ging vorbei und orderte sein Getränk.

Um sich gleich darauf umzudrehen und den nun hinter ihm stehenden, immer noch in Englisch, nach seiner Nationalität zu fragen. „I`m German“. „Nein!?“ entfuhr es dem Vorgelassenen jetzt in Deutsch (mit Schweizer Akzent) „Du musst meine Überraschung entschuldigen“, versuchte der Schweizer seinen ungläubigen Gesichtsausdruck zu erklären, „aber du bist der erste nette Deutsche den ich je kennengelernt habe“.

Das musst du erst mal verdauen“, erzählte mir später der „nette“ Deutsche von seinem Erlebnis auf dem belgischen Tomorrowland-Musik-Festival. (Auf Bürgersicht gab es dazu ein Festival-Tagebuch)

Was schaffen wir denn wirklich?

Für an Politik weniger interessierte Mitmenschen mag diese für uns Deutsche wenig schmeichelhafte Bemerkung unverständlich klingen. Hat man jedoch die Chance, mit Landsleuten zu sprechen, die beruflich in Europa und östlich davon unterwegs sind, weiß man schon länger von derartigen Reaktionen.

Ob mit oder ohne Rollstuhl, Deutschland wird von Europäern über seine Politiker als arrogant, oberlehrerhaft, rechthaberisch und alles andere als nett wahrgenommen.Einem Deutschen im Ausland begegnet man seit geraumer Zeit auf Teilen unseres Kontinents wieder genauso, wie Mitte des letzten Jahrhunderts üblich: mit abweisender Distanz.

Nicht wenige in Europa wünschten sich heute, die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher und Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand wären bei ihrer Haltung geblieben, die deutsche Einheit abzulehnen, weil sie in einem wiedervereinigten, größeren Deutschland, für Europa eine zu große Störung des europäischen Gleichgewichts sahen.

In den Krisengebieten an den Grenzen Europas nimmt man Deutschland als Verfechter der westlichen Werte im Inneren war, das diese Werte aber sofort mit Füßen tritt, wenn es gilt „übergeordnete“ Ziele, zum Beispiel missliebige Regierungen oder Machthaber auszuwechseln (Regime change) und im Verbund mit anderen aus der „westlichen Wertegemeinschaft“ diese Interessen rücksichtslos durchzusetzen. Um am Ende -Irak, Syrien, Libyen oder Afghanistan lassen grüßen- nur „demokratisch“ verbrannte Erde zu hinterlassen.

Und wir Deutsche? Wir sollten unseren Trash- Drogen- und Trivialitätenkonsum  -zumindest den ohne medizinische Notwendigkeit-  etwas einschränken um zu erkennen, das in Deutschland nicht mehr viel übrig blieb, vom Aufruf des damaligen Kanzlers und Sozialdemokraten Willy Brandt, als er im Spätherbst 1969 in seiner ersten Regierungserklärung als Kanzler uns Deutschen, den Europäern und der Welt versprach „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Innern und nach außen.“ Selbst die Vorturner in der SPD scheinen die Erosion der eigenen Ansprüche  nicht mehr zu bemerken.

Was wir in Deutschland nicht sehen wollen (oder mangels Berichterstattung nicht sehen sollen): In anderen Ländern sieht man uns schon länger „auf dem falschen Dampfer“ auf ungemütliche Zeiten zu schippern. Den eigenen Nabel dabei fest im Blick habend!

Merkels vermeintliche Sätze für die Ewigkeit

Auf der mit Spannung erwarteten Bundesspressekonferenz vom 28.Juli 2016 sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel auch über die jüngsten von Flüchtlingen in Deutschland begangenen Gewaltverbrechen. Die Täterdie als Flüchtlinge zu uns gekommen waren, verhöhnen das Land, das sie aufgenommen hat“.

Das klang nach einer wohlkalkulierten, von ihrem Redenschreiber schlagzeilenträchtig ausformulierten und von der Kanzlerin akkurat vorgelesenen Aussage, die von der Hauptstadtpresse nach Merkels letztjährigen „Wir schaffen das“ in die Welt getragen werden sollte.

Doch, und das prophezeite ein Hauptstadt- Korrespondent bereits Sekunden nach der Live-Übertragung am Phoenix Mikrofon, „die“ Presse werde sich wohl hart tun, aus den 94 eher belanglosen Minuten mit Merkel eine gute Schlagzeile zu basteln. Sollte man im Kanzleramt mit „verhöhnen“ auf größtmögliche Wirkung gezielt haben,  dann haben sich -die nachfolgende kleine Headlineschau verdeutlicht es- die dortigen Strategen mächtig verkalkuliert.

BILD wärmte „Wir schaffen das“ auf, die Berliner Zeitung titelte gleichwohl originell „Merkel bleibt beim -wir schaffen das“, die Süddeutsche verlängerte mit „Wir schaffen das-trotz allem“, die taz bemerkte „100 Prozent Merkel“, der Tagesspiegel erkannte „Dies ist eine historische Bewährungsprobe“ und die Rhein Zeitung entnahm den Äußerungen Merkels „Wir sind im Krieg mit dem IS“.

Nur die Frankfurter Allgemeine mit „Attentäter verhöhnen Deutschland“ und die Welt mit „Die Täter verhöhnen das Land das sie aufgenommen hat“ sprangen auf Merkels Aussage an.

Doch weil diese Aussage mit dem Wort „Verhöhnung“ im Kontext mit Terror so dumm und sinnentstellt ist, sollte man der Kanzlerin diese „Verhöhnung“ persönlich übel nehmen.

Wer verhöhnt hier wen?

Keiner der in Deutschland oder in Europa verübten Terroranschläge geschah, weil die Täter etwas „verhöhnen*“, also sich über etwas lustig machen oder etwas verspotten wollten. Terroristen wollen Angst, Schrecken, Leid und Tot verbreiten. Und leider gelingt ihnen das auch.

Greift man das Wort „verhöhnen“ in dem von der Kanzlerin gebrauchten Sinn jedoch in einem anderen Zusammenhang auf, könnte man sich im Umkehrschluss auch etwas länger über die „Verhöhnung“ der von uns verschuldeten Opfer und den von unserer „westlichen Wertegemeinschaft“ herbei gebomten „Fluchtursachen“ beschäftigen.

Man kann das tun wie Tilo Jung, Betreiber der Plattform „jungundnaiv.de, der der Kanzlerin auf ihrer Pressekonferenz eine Frage zur unterschiedlichen Bedeutung von Terroropfern zum Beispiel in Frankreich und den kürzlich von „uns“ in Syrien verursachten zivilen Opfern stellte.

Wir tun mit – Aber Krieg habe ich nie unterstützt

Außer das „wir“ bei der Anti-IS-Koalition „mit tun“ und zivile Opfer durch den Einsatz „unserer Tornado-Flieger“ eigentlich verhindern wollen, kam nichts von der Kanzlerin.

(Für die Antwort auf eine zweite Frage von Jung, ob es ein Fehler von ihr war, den Irakkrieg unterstützt zu haben -in dessen Folge ISIS ja erst entstehen konnte- sollte man sich eine Brechtüte bereitlegen. Und sich die deutsche Übersetzung ihres Gastbetrags „Schroeder Doesn’t Speak for All Germans“ -Orginal nicht mehr abrufbar- in der „Washington Post“ einen Monat vor Kriegsbeginn des zweiten Irakkrieges besorgen. HIER das Duplikat auf der Website der „Welt“)

Oder man öffnet sich mit dem Artikel „Globalisierte Gewalt“ den Blick auf die Frage „ob wir Deutsche mal begreifen, dass wir die Gewalttaten auch unserer Bundeskanzlerin und den Kriegen ihrer Freunde in den USA etc. zu verdanken haben?

Danach kann man ja erneut über den Gebrauch des Wortes „verhöhnen“ reden.

*„Verhöhnen“: Das Wikiwörterbuch vermerkt dazu, „sich über jemanden lustig machen; jemanden verspotten“. Als „Gegenwörter“ werden „anerkennen, ernstnehmen“ angeführt.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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