NEU: Erscheinungspflicht für Zeugen bei der Polizei

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Wussten sie es: Einer Vorladung zur Zeugenaussage bei der Polizei musste man bisher nicht nachkommen. Das wurde jetzt -klammheimlich- geändert.

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Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, versteckte man am 22. Juni in dem Gesetz über Führerschein-Entzug nicht nur den „Staatstrojaner“ sondern eine weitere, gravierende Änderung: Anders als bisher sind Zeugen künftig verpflichtet, nicht nur Vorladungen der Staatsanwaltschaft, sondern auch der Polizei Folge zu leisten und zur Sache auszusagen.

Bisher war das völlig anders“, schreibt Udo Vetter, Fachanwalt für Strafrecht in seinem „law blog“. Mit der Polizei musste niemand reden, auch wenn das landläufig vielleicht gar nicht so bekannt ist. „Es gab keinerlei Verpflichtung, sich auf Gespräche mit Polizeibeamten einzulassen“.

Das galt völlig unabhängig davon, ob dem Zeugen darüber hinaus noch besondere Zeugnisverweigerungsrechte (zum Beispiel Verwandtschaft mit dem Beschuldigten) oder Aukunftsverweigerungsrechte (Gefahr der Selbstbelastung) zustehen. Wer nicht mit der Polizei reden wollte, musste dies nicht. Die Polizei hatte keinerlei Zwangsmittel, um nicht aussagebereite Zeugen zu Angaben zu zwingen.

Doch die am 22. Juni vom Deutschen Bundestag verabschiedete Wundertüte mit Namen „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ brachte nicht nur die medial viel beachtete „Dreistigkeit“ (SZ) der Einführung staatlicher Online-Durchsuchung sondern auch eine vom medialen Mainstreem wenig beachtete Änderung der Strafprozessordnung.

Hieß es im § 161a der Strafprozessordnung (StPO) Zeugen müssen „auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft erscheinen“ wurde im nachfolgenden § 163 der Absatz 3 durch „Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen“ ersetzt. (Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind Polizisten)

Juristen sehen im Gegensatz zur bisherigen Regelung die neue, sehr vage Abfassung des Gesetzes (keine schriftliche Ladung, keine Ladungsfrist) auch im Hinblick des möglichen Übergangs während der Zeugenbefragung von Zeuge (Selbstbelastung) zu Beschuldigter kritisch. „Gerade bei Menschen, die sich ihrer Rechte nicht sicher sind, führt dies zu der Gefahr, dass diese als vermeintlich erscheinens- und aussagepflichtiger Zeuge erst mal Angaben zur Sache machen, die sie ohne Pflicht zum Erscheinen nie gemacht hätten“ so Vetter im „law blog“.

Dass die dafür geschulte Polizei zur Strafverfolgung Zeugen vernimm, gehört zu ihren Kernaufgaben. Doch wer sich künftig als einigermaßen rechtsunkundiger und in Fragetechnik ungeübter Bürger auch nur ansatzweise Sorgen macht, zu Recht oder zu Unrecht in eine Sache reingezogen zu werden, wird es nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes nicht leichter haben.

Zeuge kann innerhalb von Sekunden jeder werden, und das völlig unverhofft. Umso wichtiger wird es dann sein, dass man die dürftigen Rechte zumindest ansatzweise kennt, die man im Umgang mit der Polizei künftig noch hat.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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