Im „Spannungs- und Verteidigungsfall“ kommt neuerdings auch auf 17-jährige einiges zu.
Was da am Donnerstag, 6. Juni, 2019 um ca. 18:30 Uhr im Bundestag als Gesetz „zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr“ so alles beschlossen wurde, erkennt man nicht an der dazu im Plenarsaal geführten Debatte, (Ausnahme: Matthias Höhn, Die Linke) es erschließt sich erst nach Studium des 166 Seiten umfassenden Gesetzestextes. (Bundeswehr-Einsatzbereitschaftsstärkungsgesetz – BwEinsatzBerStG)
Debattiert wurden vor der Abstimmung über dieses Gesetz ausschließlich nur die „sozialen Verbesserungen für Soldaten“ (neue Posten mit guter Vergütung, Kostenerstattung bei der Einbeziehung von Angehörigen in die Therapie Einsatzgeschädigter durch Änderung der Bundeswehr-Heilfürsorgeverordnung)
Doch weit gravierenderes versteckt sich hinter den Änderungen von allerlei Einzelgesetzen und Verordnungen die mit diesem „BwEinsatzBerSt“-Gesetz gleich mitbeschlossen wurden.
Sobald die Bundesregierung den „Spannungs- oder Verteidigungsfall“ ausruft greift wieder die bisher ausgesetzte Wehrpflicht.
Und jetzt „unverzüglich“ nach Hause, zurück nach Deutschland.
Nachfolgend ein fiktives, jedoch nach den Vorgaben des neuen Gesetzes verfasstes Schreiben:
„Nach Maßgabe Wehrpflichtgesetz §48, Abs. 5c teilen wir ihnen nach Anordnung des „Spannungs- und Verteidigungsfall“ durch die Bundesregierung mit, unverzüglich in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren und sich beim zuständigen oder nächsten Karrierecenter der Bundeswehr zu melden“.
Erreicht die Betroffenen diese Aufforderung und kehren daraufhin aus dem Ausland zurück „haben sie, da sie das 17. Lebensjahr vollendet haben, Vorsorge dafür zu treffen, dass Mitteilungen der Wehrersatzbehörde sie unverzüglich erreichen, auch wenn sie der Wehrüberwachung nicht unterliegen“.
Sie dürfen das Land ohne Genehmigung des Kreiswehrersatzamtes „Karrierecenters“ nicht mehr verlassen.
Auch Widersprüche gegen Musterungs- und Einziehungsbescheide haben dann ab sofort keine aufschiebende Wirkung mehr. Zudem kann ein Wehrpflichtiger, der seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt hat, zum Zivildienst einberufen werden, bevor über den Antrag entschieden worden ist.
All das nennt sich „Weiterentwicklung des soldatischen Dienstrechts durch Schaffung einer neuen Art des Wehrdienstes …… zur temporären Verbesserung der personellen Einsatzbereitschaft“.
Hinsichtlich dieser „Weiterentwicklung“ der Personalstärke im „Spannungs- und Verteidigungsfall“ sollte man auch die bereits im Jahr 2011 verabschiedete Anhebung der Altersgrenze auf 60 Jahre zur „Aktivierung von Reservistinnen und Reservisten im Spannungsfall“ beachten.
Soweit man es überblicken kann, entfalten die hier angesprochenen Änderungen im „Spannungs- und Verteidigungsfall“ ihre Wirksamkeit nur für das Gebiet der Bundesrepublik. (siehe GG, Artikel 80a (Spannungsfall) und 115a (Verteidigungsfall) , ….. daß das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht“.
Wie aber verhält es sich, wenn ein NATO-Partner den Bündnisfall ausruft?
Absehbar müssten diesem Fall „internationale Spannungen“ vorausgehen. (NATO Prinzip der kollektiven Selbstverteidigung: Ein Angriff gegen eines oder mehrere ihrer Mitglieder stellt einen Angriff gegen alle dar)
Überlegung:
Der „Spannungsfall“ könnte vom Bundestag ja ausgerufen werden, weil man einen Angriff auf die Bundesrepublik befürchten müsse.- Was man, unter Berücksichtigung der derzeitigen politischen Gegebenheiten im Bundestag, mit der permanenten Behauptung/Feststellung der (angeblichen) russischen Bedrohung an jeder Ecke Europas rechtfertigen könnte.
Frage:
Müssen dann 17-jährige Deutsche z.B. in Estland, Lettland oder Litauen an die Front?
Antwort:
Nur wenn 2/3 der Bundestagsabgeordneten dem zustimmen würden!
Frage:
Aus welchen Parteien kämen diese 2/3 der Stimmen?
Antwort:
Wer kann das heute schon sagen!?
(Unten: Szene aus dem Spielfilm „Die Brücke“ mit Volker Lechtenbrink ,(c) APA)