Globales ängstigt uns Deutsche mehr als die Verschlechterung persönlicher Lebensumstände
Frei nach Arthur Schopenhauer verbringen wir die erste Hälfte des Lebens damit, dem Glück hinterher zu sausen, und die Zweite damit, uns über mögliches Unglück zu sorgen.
Diese Zweiteilung mag einer dem fortschreitendem Alter innewohnenden angemesseneren Vorstellung vom Leben und der dabei gewonnenen individuellen Risikoerfahrung entsprechen. Doch zeigt ein Vergleich der TOP 7 aus den letzten 27 Jahren der jährlich durchgeführten Studie „Die Ängste der Deutschen“ (R+V Versicherung), einen bemerkenswerten Gleichklang zwischen den Generationen hinsichtlich der Bewertung von Risiken und Gefahren im Leben.
Waren es fast 22 Jahre lang Existenzsorgen wie schwere Krankheit, Arbeitslosigkeit, sinkender Lebensstandard oder der Pflegefall im Alter die den Deutschen lt. Studie hauptsächlich Angst machten, ängstigte man sich ab 2010 zunehmend vor überforderten Politikern, Flüchtlingen, Terrorismus, Ausländern oder politischem Extremismus.
Um sich im letzten Jahr vorrangig nur noch außen- und innenpolitische Sorgen zu machen. Aus den TOP 7, also den größten Ängsten der Deutschen, sind individuelle Existenzsorgen vollends verschwunden. Ein bemerkenswertes, aber nur wenig thematisiertes Detail dieser ansonsten medial ausgiebig zitierten R+V-Studie.
Die größte Angst der Deutschen war mit 69 % die „Gefährlichere Welt durch Trump-Politik“. Bemerkenswert! (Befragungszeitraum: 8. Juni bis 18. Juli 2018, Repräsentative Stichprobe von 2.335 Personen im Alter ab 14 Jahren)
Was man bei Trump erstmals mit der direkten Frage nach „Gefährlicherer Welt“ durch seine Politik abfragte, umschrieb man bei der Frage nach den eigenen „Politikern“ euphemistisch mit „Angst vor Überforderung“ der Politiker. (Diese Angst tauchte ab 2001 fast durchgängig auch 02/ 03/ 04/ 05/ 06/ 07/ 08/ 09/10 /11/ 12/ 16 und 2018 in den TOP 7 auf.)
Dieser schleichende Prozess, weg von den unmittelbaren Existenzängsten hin zu mehr oder minder diffusen, weder persönlich noch im gesellschaftlichen Umfeld direkt spürbaren, dafür medial eindringlich vermittelten, weit außerhalb des eigenen Lebens befindlichen möglichen Bedrohungen macht stutzig.
Zugegeben, es wäre fatal die Augen vor internationalen Entwicklungen und Ereignissen verschließen zu wollen. Doch verstellen diese als übergeordnet zu bezeichnenden Vorgänge wirklich den Blick auf die eigene kleine Welt und die sie unmittelbar beeinflussenden Umstände? Seit wann ist den Deutschen die Hose näher als das eigene Hemd?
Wie kann es sein, das in Deutschland persönliche, individuelle Lebensumstände und unmittelbar erlebte Realität einen geringeren Stellenwert einnehmen als die Angst vor mittelbaren Gefährdungen?
Wie können zum Beispiel steigende Altersarmut, Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse, galoppierende Mieten, verkorkste Energiewende mit steigenden Strompreisen und ein für jedermann spür- und sichtbar erodierendes gesellschaftliches Wohlergehen von den Befragten der Studie als zweit- oder gar drittrangig angesehen werden?
Haben sich die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen der deutschen Bevölkerung denn seit 2015 so enorm verbessert, dass man die jahrelang domminierenden Ängste vor einer diesbezüglich auftretenden Problemstellung als vernachlässigbar erachtet, und diese Ängste 2018 im TOP 7 „Angst-Ranking“ nicht mehr auftauchen?
Nein, das ist nicht der Fall.
Auch ohne einzelne Zahlen zur sozialen Lage der Deutschen hier auflisten zu müssen, reicht ein Blick auf die neue länderübergreifende Umfrage der „OECD Risks That Matter“ Umfrage. (Durchgeführt im März, veröffentlicht im April 2019) Sie untersuchte, wie Menschen ihre sozialen und wirtschaftlichen Risiken wahrnehmen. Bei dieser Abfrage der bedeutendsten Risiken wünschten sich mehr als ¾ der Deutschen, dass die Regierung mehr dafür tut, ihre wirtschaftliche und soziale Sicherheit zu gewährleisten.
Wobei Krankheit, Behinderung oder finanzielle Schwierigkeiten als kurzfristige, und die Sorge um die Rente als die langfristige Hauptsorge der Deutschen genannt wurden.
Diese OECD-Studie steht mit ihren Ergebnissen im absoluten Widerspruch zu den Ergebnissen der R+V-Studie, die als Angst Nr.1 -überspitzt ausgedrückt- feststellt, „Ich weiß zwar nicht ob ich morgen noch was zu essen haben werde, doch was mir wirklich Angst macht ist die „Gefährlichere Welt durch Trump-Politik“.
Wie kann das sein?
Um sich der Antwort auf diese Frage zu nähern soll hier nicht die Erhebungsmethode oder die R+V-Studie an sich in Frage gestellt werden. (Die Teilnehmer sollten in einer Liste mit 21 vorgegebenen „Risiken und Gefahren“ von 1 (gar keine Angst) bis 7 (sehr große Angst) angeben, inwieweit „Sie sich davon bedroht fühlen“)
Es ist die verengte Sichtweise die interessiert.
Die Verengung der Ängste auf komplett exogene Vorgänge, also Faktoren und Ereignisse, die sich weit weg vom persönlichen Leben und Erleben abspielen. Ganz sicher können Naturkatastrophen, Terrorismus, politischer Extremismus oder ein Politiker wie Trump angstmachende Faktoren sein. Und durchaus auch überforderte deutsche Politiker.
Doch all diese genannten Angstmacher sind selbst zusammengenommen nicht so wirkmächtig und könnten das eigene Leben vordergründig so angstmachend beeinträchtigen wie die in den vergangenen Jahren die Statistik dominierenden Ängste vor Krankheit, finanzieller Notlage, Arbeitslosigkeit oder der sinkende Lebensstandard im Alter.
Sind die in der R+V-Studie aufgezeigten dominierenden Ängste der Deutschen einer realistischen Wahrnehmung geschuldet oder bilden sie eventuell nur den vom Kieler Wahrnehmungs- und Kognitionsforscher Professor Rainer Mausfeld in seinen Büchern und Vorträgen als „verengten öffentlichen Debattenraum“ bezeichneten, allgemein zugänglichen Informationsrahmen ab.
Was in diesem Informationsrahmen nicht vorkommt, nicht beschrieben, nicht gezeigt, nicht thematisiert wird, sollte im täglichen Leben keine große Rolle mehr spielen.
Dieser Debattenraum wird in der Regel von Medien und Politikern bespielt. Und zwar in thematisch sehr eingeschränkter Form.
Angefangen vom medial wirkungsvoll in Szene gesetzten „unseren täglichen Trump gib uns heute“, über den politisch in Dauerschleife penetrierten „Kampf gegen den Terror“ bis zu den wiederkehrenden Politikerauftritten und Talkrunden zum Thema Anstieg des „politischen Extremismus“:
Behandelt werden vorrangig Themen und Befürchtungen aus den Bereichen „nicht von deutscher Politik zu steuernde, äußere Einflüsse“ und „Katastrophen aller Art“. Dort aber, wo für die Bürger die eigentliche Musik spielt, im ihr Leben unmittelbar beeinflussenden Maschinenraum des Regierungshandelns, dort leuchtet der politisch/mediale Scheinwerfer nur selten hin.
Ablenkung und Bange machen, zwei überaus erfolgreiche Vorgehensweisen im täglichen Politikgeschäft.
Werden im Inland Konfliktlinien virulent, stelle dich als Sachwalter einer viel größeren Aufgabe dar, lenke den Blick auf Nebenschauplätze und/oder begib dich unter dem Stichwort „Verantwortung für die Welt“ auf Auslandsreise.
Mit Unterstützung einer willfährigen Medienlandschaft, die im Zweifel eher staatstragendes stützend leitartikelt und dies in Artikeln ausgiebig bespiegelt, als über staatliche Unwuchten gegenüber seinen Bürgern berichten zu wollen, gelingt die Ablenkung fast immer. Mit etwas Glück hat sich in kurzer Zeit die Aufregung über innenpolitische Probleme, nicht zuletzt aufgrund fehlender Berichterstattung, gelegt.
(Dazu eine Beobachtung aus berufenem Munde. Der ehemalige WDR-Intendanten und langjährige Journalist Fritz Pleitgen in einem aktuellen „Handelsblatt“-Interview: „In vielen wichtigen Fragen beobachte ich eine homogene Berichterstattung. Alle marschieren in eine Richtung, nicht selten im Einklang mit der vorherrschenden Meinung in der Politik. Bedenklich!“)
Soweit die Ablenkung.
Nun zum Bange machen, also Ängste verbreiten.
Als Beleg hierfür dient eine Aussage des bereits in vielen politischen Ämtern tätig gewordenen CDU Politikers Wolfgang Schäuble. Darin schwadroniert er über einen von ihm erkannten „Bewusstseinsmangel“ in der Bevölkerung hinsichtlich einer -nur vermeintlich- tatsächlichen Terror-Gefahrenlage. In der „Frankfurter Rundschau“ vom Mai 2007 findet man unter der Überschrift „Feindbilder und Sündenböcke schüren die Angst“ folgende Passage:
„So beklagte schon zu Ende der rot-grünen Regierungszeit [2005] der damalige Oppositionspolitiker und heutige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), das Bedrohungsbewusstsein der Deutschen lasse zu wünschen übrig: Nur 39 Prozent fühlten sich bedroht – während es in den USA 71 Prozent und im EU-Schnitt 51 Prozent seien. Schäuble machte „Versäumnisse in der Aufklärung“ über die tatsächliche Gefahrenlage für diesen „Bewusstseinsmangel“ verantwortlich. Es sei notwendig, die Bedrohungslage deutlicher als bisher darzustellen“.
(Das hohe Bedrohungsbewusstsein in den USA rührte vermutlich daher, das die „Homeland Security“ die amerikanische Bevölkerung mit häufigen Wechseln ihrer Alarmstufen im „Advisory System“ (Warnstufen System) zwischen den Bedrohungsstufen „blau“ (niedriges Risiko eines terroristischen Angriffes) und „gelb“ (hohes Risiko eines terroristischen Angriffes) in ständiger Alarmbereitschaft hielt.
Da nach dem 11. September 2001 aber keine vergleichbaren Anschläge mehr stattfanden, die Bedrohungslage jedoch staatlicherseits –wg. der Einschränkung von Bürgerrechten- unbedingt aufrecht erhalten werden musste, berichtete die New York Times im April 2012 davon, dass „fast alle der in den Vereinigten Staaten nach 9/11 verhinderten Terroranschläge vom FBI selbst inszeniert wurden“)
Doch in Deutschland „fühlte“ man sich nicht bedroht. Das müsste man doch ändern können.
Schäuble, der sich später als Bundestagspräsident besonders in der Rolle des Mahners gefiel, und 2014 als Finanzminister zum Beispiel die AfD als „Schande für Deutschland“ bezeichnete, „die hemmungslos alles demagogisch missbraucht, was man missbrauchen kann„, wäre es wohl nie in den Sinn gekommen, dass die von ihm geforderte „Bewusstmachung“ ein ebenso zu kritisierendes demagogisches oder propagandistisches politisches Mittel darstellt, um es für Ängste zu missbrauchen.
Doch so richtig klappte die Umsetzung dann doch nicht.
Nur im Jahr 2007 tauchte nach zweijähriger Pause „Terrorismus“ in den TOP 7 der größten Ängste der Deutschen erneut auf. Um sich erst wieder 2015, aber dann dauerhaft, in den TOP 7 festzusetzen.
Und schon sind wir etwas näher an der Beantwortung der Frage „Warum wir uns vor den falschen Dingen fürchten“.
Der Autor des gleichnamigen Buchs, Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund, meinte auf die Frage, ob ihn zum Beispiel die Terrorgefahr nicht ängstige: „Meine eigene größte Sorge ist, ins Krankenhaus zu kommen und dort Keime aufzulesen. In Deutschland sterben daran schätzungsweise 25’000 Personen jedes Jahr. Beim bisher schlimmsten Anschlag in Europa im November 2015 starben in Paris rund 150 Menschen. Das ist tragisch. Aber allein an einem verlängerten Osterwochenende kommen in Frankreich fast genauso viele Menschen bei Autounfällen ums Leben“.
(Das klingt zwar nach unzulässiger Relativierung, doch verdeutlicht es die eigentlichen Gefahrenpotenziale)
Dass er bei einem Terroranschlag ums Leben käme, schließe er aus. „Eher werde ich vom Blitz erschlagen“ meint Professor Krämer.
(Hier lohnt sich auch ein Blick in den Artikel „Terror in Europa“ der Schweizer Website „watson“. Er dokumentiert, abseits subjektiver Gefühle, den Rückgang des Terrors in Westeuropa. Von 2001 bis 2015 entfielen nur 0,3 Prozent der Terroropfer auf Westeuropa. Über das Jahr 2015 hinausgehende Berechnungen -einschließlich der Anschläge 2016 in Brüssel (32 Tote), Nizza (84 Tote) und 2017 in Manchester (22 Tote)- ergeben ein ähnliches Bild)
Dass dieses „Bedrohungsängste schüren“ funktioniert (und sich ggf. für staatliche Zwecke dienstbar machen lässt) kann man nachlesen.
Und zwar im Forschungsreport 1/2017, „Die Quellen der Angst – Populistische Kommunikation und journalistische Berichterstattung im Vergleich“ des Arbeitsbereichs „Kommunikation – Medien – Gesellschaft“ am Institut für Kommunikationswissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster.
Um diesen Quellen und den Angstreaktionen nachspüren zu können, wurde ein Online-Experiment mit über 800 Probanden durchgeführt. (Aufgeteilt in acht Experimentalgruppen mit jeweils rd. 100 Probanden) Untersucht wurde anhand zweier Themenkomplexe. (die sogenannte „Flüchtlingskrise“ und die vermeintliche „Islamisierung“ der deutschen Gesellschaft)
Dazu wurden jeweils vor und nach Sichtung von typischen ARD und ZDF Nachrichtenbeiträgen, sowie typischen Facebook-Posts und Pressemitteilungen der AfD fünf diskrete Emotionen gemessen (Eigenauskunft zu Angst, Ärger, Traurigkeit, Entspannung und Freude).
Es zeigte sich, „dass sowohl die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender, als auch die politische Online-Kommunikation der AfD signifikante Effekte auf die Emotionen der Probanden ausübt“.
In sechs der acht Experimentalgruppen „wurde eine deutliche Steigerung der Angst nach Rezeption eines entsprechenden Beitrags gemessen“.
Berücksichtige man noch die Tatsache, „dass die Probanden lediglich einen einzigen Videobeitrag bzw. Textbeitrag von ca. zwei Minuten Länge rezipierten“, ließe sich erahnen was passiert, „wenn eine komplette Nachrichtensendung [über Wochen und Monate hinweg] mehrere Beiträge der gesehenen Art enthält“. (Im Untersuchungszeitraum 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2016 stellte Berichterstattung dieser Art den Regelfall dar)
Aufschlussreich fiel die Antwort auf die Frage aus, was mehr Angst auslöste: Die parteipolitische Kommunikation über Flüchtlinge und Islam, oder die journalistische Berichterstattung darüber in ARD und ZDF?
Überraschens Ergebnis: Entgegen der allgemeinen Annahme sind „die gemessenen Werte der Angststeigerung nach Rezeption eines Nachrichtenbeitrags von ARD oder ZDF in vielen Fällen höher als in den jeweiligen Vergleichsgruppen mit AfD-Beiträgen“.
Die Verantwortlichen der Studie zogen folgendes Fazit:
„Ohne es dramatisieren zu wollen: Die Medien tragen zum Klima der Angst, das[s] sie so häufig und gerne beklagen, einen namhaften Teil bei“. (Anmerkung: Und das, obwohl nach Bekunden von ARD und ZDF Nachrichtenbeiträge meinungsfrei, also neutral gehalten würden)
Schauen wir nun noch in unsere Nachbarländer nach Österreich und in die Schweiz.
Auch dort geht jeden Morgen die selbe Sonne auf, lebt man in einem vergleichbaren Sozialgefüge, verfolgt das selbe Weltgeschehen, und auch dort gibt es Sorgen, Ängste, Studien und Umfragen dazu.
Doch welche Überraschung. Im Gegensatz zu den Ängsten der Deutschen sorgte man sich 2018 nicht vor Trump, sondern z.B. in Östereich hauptsächlich noch immer vor dem Naheliegenden. Finanzen, Krankheit, Rente usw. (Umfrage der Raiffeisen Versicherung Österreich, 2018)
Als Hauptsorgen der Schweizer -auch hier spielt Trump keine Rolle- wurden lt. einer Befragung der gfk Bern in nachfolgender Reihenfolge genannt: Altersvorsorge, Gesundheit, Ausländer, Flüchtlinge, Umweltschutz. (Credit Suisse Sorgenbarometer 2018)
Was also ist los mit uns Deutschen? Um uns herum ängstigt man sich hauptsächlich vor Verschlechterung von unmittelbar absehbaren Einflüssen auf das persönliche Leben. Doch wir Deutschen ängstigen uns vor Dingen des großen Ganzen.
Ist da was dran an der uns zugeschriebenen kollektiven Verhaltensweise die mit „German Angst“ im Ausland umschrieben wurde? Suchen wir wirklich nach Problemen, vor denen man Angst haben sollte auch wenn sie uns nicht unmittelbar betreffen würden?
Oder lassen wir uns ungewollt medial und politisch dahingehend dirigieren, den in der Regel auf unseren eigenen Bauchnabel gerichteten Blick auf „wichtigeres“ zu fokussieren.
Dazu ein Beispiel zur Verdeutlichung dieser Annahme. Eine zufällig ausgewählte Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen vom 9. Juli 2019. Die „Tagesschau“, die Hauptnachrichtensendung der öffentlich-rechtlichen ARD um 20:00 Uhr. (Am 9. Juli fing ich an, mich mit diesem Thema zu beschäftigen)
Von den insgesamt 12 Meldungen in dieser Tagesschau betrafen inkl. Wetterbericht nur ganze 3 Meldungen (und eine Halbe) innerdeutsches.
- Aufmacher: Bedeutendster Schlag gegen organisiertes Doping: Razzien in mehr als 30 europäischen Ländern. (Warum dieser Aufmacher in der gezeigten Form glatter Nonsens und ein Musterbeispiel für irreführenden, schlechten Journalismus war, findet man am Ende des Artikels in einer Fußnote beschrieben (1))
- Geldwäsche in Deutschland. Die Meldestelle für Geldwäsche und Terrorfinanzierung bekommt deutlich mehr Hinweise
- Schweizer Autor Lukas Bärfuss erhält deutschen Georg-Büchner- Preis
- Wetterbericht
Die restlichen Meldungen betrafen Europas ringen um eine gemeinsame Flüchtlingspolitik, weitere Ermittlungen in der österreichischen Ibiza-Affäre, Radikale Taliban in Afghanistan, Hongkongs umstrittenes Auslieferungsgesetz, Neue Verhaftungen in der Türkei, Forderungen zur Besetzung des Internationalen Währungsfonds, Frankreichs Ökosteuer auf Flugtickets und neues Kabinett in Griechenland.
Welche Meldungen eventuell für deutsche Zuseher -wg. der unmittelbareren Auswirkung auf ihr Leben- interessanter gewesen wären, konnte man am nächsten Tag in der Zeitung lesen. (Nachrichten des Tages die bis etwa 19/20 Uhr aufgelaufen sind, finden sich bekanntlich erst am nächsten Tag in der gedruckten Zeitung) Hier eine Zusammenstellung von Meldungen aus SZ, FAZ, Bild und Handelsblatt die den selben Nachrichtentag (9. Juli) abbilden, jedoch NICHT in der Tagesschau vorkamen:
- Verkehrstote in Deutschland nehmen zu – Drastischer Anstieg bei Fahrradunfällen
- Gewinnwarnung bei BASF – Gesamte deutsche Wirtschaft befürchtet Konjunktureinbruch
- Milliardenentlastung für Stromkunden – BGH bestätigt Absenkung der Netzentgelt
- Verschärfung sozialer Unterschiede – IWF kritisiert deutsches Exportmodell zugunsten d. Oberklasse
- Deutsche genervt über Fahrverbote in Österreich – Auch Brüssel kann nicht vermitteln
- Geld für überschuldete Städte – Finanzministerium gibt Geld
- Pipeline wieder geöffnet – Öl fließt wieder nach Schwedt
- Arbeitsmarkt – FDP verteidigt sachgrundlose Befristung
- Asiaten finanzieren Mainzer Krebsmedizin – Chinesen finanzieren Mainzer Forschungsprojekt
- Sprachassistent „Alexa“ – Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages hält ihn für gefährlich
Die Frage, welche dieser Nachrichten eigentlich auch in die Hauptnachrichtensendung der ARD gehörten, kann sich jeder selber beantworten.
(Wobei an dieser Stelle ein Hinweis auf eine Episode der „Bürgersicht“ Hörstücke „Die Gschwendlingers“ erlaubt sei. In dem Hörstück „Halbwahrheiten In Medien? – Bei uns doch nicht!“ unterhält sich das bayerische Ehepaar über Nachrichten in den öffentlich-rechtlichen Medien. Sie hören sich dazu einige Meldungen an, und müssen dabei erkennen, dass man oftmals erst auf den zweiten Blick erkennt, wie man manipuliert wird)
Wenn Angst als Folge einer subjektiven Bedrohungsinterpretation bei gleichzeitig geringer Bewältigungseinschätzung entsteht (gängiges Angstmodell) sollten wir uns selbst zuliebe versuchen, etwas Objektivität und Distanz zu den von außen -womöglich in manipulativer Absicht- an uns herangetragenen Ängsten zu entwickeln.
Wie oben beschrieben, können Medien aber auch Politiker Ängste erzeugen. Gewollt oder ungewollt. Wenn Medien und Politik es aber nicht vermögen, diese Ängste durch aufklärenden Journalismus oder wahrhaftiges Auftreten abzumildern, sie sogar verstärken, sollte man ihnen keine Aufmerksamkeit mehr schenken.
Wer braucht schon Mies- oder Angstmacher bei der Bewältigung des eigenen Lebens und der darin jederzeit möglichen kritischen Lebensereignisse.
Um sich darüber klar zu werden ob SIE sich vor den falschen Dingen fürchten, müssten sie sich nur fragen, was einflussreicher auf ihr persönliches Leben wäre:
Der nächste Tweed von Trump oder der Autounfall in den sie demnächst verwickelt werden könnten?
(1) Weder gab es bei dieser Aktion von Euriopol einen spektakulären Fahndungserfolg, noch eine Verhaftung in Deutschland zu vermelden. Auch konnte man bei dieser Drogenrazzia nicht von einer Polizeiaktion -wie die Überschrift zu diesem Bericht irreführend anführte- gegen „organisiertes Doping“ sprechen, da es sich bei den Dopingfunden um Präparate für den Freizeit- oder Breitensport handelte.
Und doch ließ man einen umstrittenen Wichtigtuer, den freien Journalisten und bei der ARD als „Dopingexperte“ geführten Hajo Seppelt Interviews mit in der aktuellen Sache unbeteiligten deutschen Personen, u.a. den Präsidenten des deutschen olympischen Sortbundes zu organisiertem Doping in Deutschland führen.
Um dann gegen Ende des Beitrags mit unheilvoller Stimme und Bildern von den Olympischen Spielen die für Freizeitsportler bestimmten Dopingpräparate mit einen „irgendwie“ möglichen, eventuell größeren Dopingzusammenhang im Leistungssport zu bringen.
Wer zuvor die Hauptnachrichtensensendung des ORF, die ZIP1 um 19:30 Uhr gesehen hatte, wurde darüber informiert, dass die weltweit unter Federführung der italienischen und griechischen Polizei in 23 Mitgliedstaaten und 10 Drittländer durchgeführten Razzien schwerpunktmäßig auf die Zerschlagung von Untergrundlaboren und Versandnetzwerken abzielte. So konnte u. A. ein illegales österreichisches Versandunternehmen ausgehoben werden, das im großen Stil in Indien produzierte Dopingpräparate sowie gefälschte Arzneimittel in kleinere Einheiten umpackte um sie an private Abnehmer, z.B. Fitnessstudios in ganz Europa zu verschicken)