Augen zu und durch. Lasst uns lieber die Welt, statt die Zustände in Deutschland beklagen.
Fast scheint es so, als spiele den deutschen Leit(d)medien der Massenmord in Las Vegas oder die Vorfälle im Umfeld der katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen zur rechten Zeit in die Karten. Müssten sie sich doch sonst in die Niederungen der deutschen Innenpolitik begeben, und die durch Regierungshandeln nicht erst nach der Bundestagswahl klar sichtbaren Verwerfungen auf- und nachbearbeiten.
Schreckliche Vorfälle bestimmen die Berichterstattung in Deutschland. Eine ganze Nation fragt sich: Wie konnte das nur geschehen? Trauer, Wut und die Forderung nach Aufarbeitung bestimmen den multimedial transportierten Alltag der Betroffenen.
Nein, nein, diese Beschreibung bildet nicht die derzeit vorherrschende Berichtswelt deutscher Medien nach der Bundestagswahl vom 24. September 2017 ab. Aus den Fenstern der Redaktionsstuben blickt die schreibende und sendende Zunft der marode gewordenen „Gewissheitslieferanten“ viel lieber auf die aufrüttelnde Welt der Anschläge und Bürgeraufstände um Deutschland herum.
Kein Zweifel, diese Dinge bewegen einen. Doch gäbe es für uns Deutsche nichts bewegenderes?
Aber ja doch, gäbe es. Besonders nach der Bundestagswahl vom 24. September! Doch „Die“ Medien verfahren hier nach dem Muster angeschlagener Politiker. Wenn’s Innenpolitisch schwierig wird, lenkt man durch außenpolitischen Aktionismus von innenpolitischen Problemfeldern ab.
Dieses Ausweichen auf Nebenschauplätze erleichtert dem Redakteur das Leben, erspart ihm Gehirnschmalz und er kann durch den Abdruck von Agenturmeldungen in der -vermeintlich unangreifbaren- vom Mainstream vorgegebenen staatstragenden Deckung bleiben.
Wenn schon Innenpolitik, dann nur Personalien im Stile von „wer mit wem“, „wer wird was“ oder „warum der und nicht der andre“. Und natürlich das unumgängliche „warum Merkel das schaffen wird“.
Analyse der Problemfelder im Inneren? Wer will schon schlecht über sein Land schreiben!?
Also findet man nach der Bundestagswahl nur vereinzelt etwas darüber, warum sich zum Beispiel der gesellschaftliche Riss nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch durch Westdeutschland zieht.
Keine Erklärung, warum man dieses Auseinanderdriften angeblich erst nach der Auszählung der AfD-Stimmen bemerkt haben will. (68 Prozent der bei der Bundestagswahl für die AfD abgegebenen Stimmen kamen aus Westdeutschland)
Auch nichts erhellendes, warum man den Wahlkampf gegen die AfD partout weiterführt, dabei die durchaus bei prominenten AfD-Mitgliedern vorhandenen „völkischen“ Einlassungen zum „Nazisprech“ der „Echten Nazis“ überhöht, (dabei sträflicherweise den eigentlich besorgniserregenden Kern des autoritären Nationalradikalismus der AfD übersieht) um medial zu verschleiern, dass nach 1945 nicht wenige der „Echten Nazis“ jahrelang in Bundestag, Gerichten, Behörden und Schulen tätig waren, und mit ihren „nationalsozialistisch“ deformierten Charakteren in der jungen Bundesrepublik Einfluss nehmen konnten.
Man drückt sich vor der Antwort, warum man höchst lustvoll dem SPD-Kandidaten Martin Schulz wegen seines Abschneidens (-5,2 %) bei der Bundestagswahl den Rücktritt nahelegt (Mit 20,5 % das schlechteste Nachkriegsergebnis für die SPD), der prozentual weit schlechter abschneidenden Angela Merkel (-8,5 %) aber nicht. (Mit 33 % das schlechteste Wahlergebnis seit 1949 für die CDU)
Warum brandmarkt man Merkels Einlassung vom Wahlabend, „ich wüsste wirklich nicht, was wir anders machen sollten“ nicht als vollkommen abgehobene Arroganz der Macht, und konfrontiert ihre unkritische Betrachtungsweise der von ihr verantworteten Zustände nicht mit objektiven Fakten.
Zum Beispiel mit dem Umstand, dass im heutigen Deutschland, dem wirtschaftlich stärksten Land in Europa, in dem wir nach Merkels Aussageangeblich „gut leben“, die Armut, Armutsgefährdung und die Zahl der Flaschensammler steigt, und 40 % der Arbeitsnehmer heute weniger verdienen als noch vor 20 Jahren. (Neben den Fragen zum Verfall der Rente, der Infrastruktur oder dem Bildungsniveau gäbe es noch einiges, was man Merkels „Alternativlosigkeit“ entgegen halten könnte)
Ein weites Themenfeld würde sich da auftun. Doch statt vor der eigenen Haustür zu kehren, thematisiert man lieber die andernorts sich zeigenden Probleme.
Armes Deutschland, diesen feigen Journalismus hast du nicht verdient.
Ich bin gespannt auf die kommenden Arbeitsproben. Stichwort: Nach der Wahl in Niedersachsen.