Die Halbjahres-Zeugnisse der Geisenfelder Schulen sind geschrieben und werden am Freitag Vormittag an die Schüler ausgehändigt. 510 Zeugnisse an der Volksschule und 750 Zeugnisse an der staatlichen Realschule. Keine Panik meint „Bürgersicht.de“ und versucht etwas Hilfestellung zu geben. Nachfolgend finden sie KummerNummern für Schüler und Eltern, Einsichten, Ansichten und Ratschläge von Pädagogen.
Unter nachfolgenden „Nummern gegen Kummer“ des Kinderschutzbundes können sowohl Schüler wie Eltern sich offen, vertraulich und anonym beraten lassen, wenn sie Probleme haben.
Keine Frage ist zu klein, kein Problem zu groß um sich an diese Nummer zu wenden:
Bundesweit und kostenfrei von Festnetz und Handy: Kinder- u. Jugendtelefon, montags bis samstags zwischen 14 und 20 Uhr
Bundesweit und kostenfrei von Festnetz und Handy: Elterntelefon, Montag bis Freitag von 9.00 – 11.00 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 17.00 – 19.00 Uhr
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Interview mit Gabriele Bachhuber, Rektorin der Volksschule Geisenfeld (Grund- u. Hauptschule)
Warum werden Zwischenzeugnisse als notwendiges Übel wahrgenommen?
Nach den Viertklässlern, die ihre Leistungsbeurteilung bereits im Januar erhielten, bringen am Freitag weitere 510 Schüler ihrer Schule diese Zwischenbescheide nach Hause.Vergleicht man die Schulzeit mit einer Gipfelbesteigung, so ist es jedem klar, dass die Gipfelstürmer immer einmal stehen bleiben und sich umsehen müssen, um festzustellen, welche Strecke bereits zurückgelegt worden ist und welche Hindernisse noch vor einem liegen. Nichts anderes ist das Zwischenzeugnis: Feststellen, wo ich als Schüler/in gerade stehe bzw. wo das Kind alleine weiter kommt oder wo es Hilfe benötigt.
Was sollten Schüler und Eltern beim Lesen des Zeugnisses beachten?
Eltern müssen zusammen mit ihren Kindern das Papier genau hinterfragen. Es gibt Auskunft über die Zusammenfassung der mündlichen und schriftlichen Leistung des Kindes. Es zeigt auf, wo der erbrachte Arbeitsaufwand reicht oder in welchem Fach die Leistungen nicht genügen.Genügen sie nicht, muss in Ruhe beraten werden, was getan werden kann oder muss. Lob ist auf alle Fälle trotz allem notwendig. Jede Leistung ist die Folge eines Einsatzes! Die Bemerkung und die Noten ergeben den weiteren Arbeitsaufwand der Kinder und Hilfsaufwand der Eltern.
Und wenn es trotzdem „knatsch“ gibt?
Finden beide Seiten keinen Ausweg, so sollte umgehend der Lehrer oder die Schulleitung aufgesucht und ein gemeinsamer Hilfeplan aufgestellt werden. Reicht der eingeholte Rat nicht, kann die Staatliche Schulberatung konsultiert werden.
(Schulleitung: Tel. 08452/735500, Schulberatung: Tel. 08452/ 2017)
Was raten sie Eltern im Umgang mit „Schule“?
Wenn Eltern ihre Kinder wirklich „kennen“ oder „kennen wollen“, auf die Schule hören und glauben, was die Schule sagt, dann kann in Ruhe und Gemeinsamkeit immer der beste Weg für das betreffende Kind gefunden werden. Und bitte vergessen sie nicht: Jedes Kind ist in seiner Eigenart einzigartig und ein Geschenk, das es zu wahren und bewahren gilt!
Sie hatten am Mittwoch gerade Herrn Prof. Dr. Helmut Zöpfl, Professor für Schulpädagogik an der Schule. Gab es von ihm eine Kernaussage für die Schüler?
Professor Zöpfl versuchte meinen SchülerInnen klar zu machen, dass jeder etwas Besonderes ist und mit Freundlichkeit und einem freundlichen Lächeln im Gesicht einen gewaltfreien Umgang untereinander erreichen kann. Er zitierte auch diesen schönen Satz von Janusz Korczak, einem polnischen Arzt, Schriftsteller und Pädagogen : „Das Kind hat ein Recht auf sein Kindsein.“ Das heißt, man darf einfach nicht vergessen, dass das Kind auch Zeit braucht, die eigene Gegenwart erleben zu können.
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Realschulrektor Peter Reil, Schulleiter der staatlichen Realschule Geisenfeld betonte auf Anfrage die an der Realschule gepflegte Prävention. Um Überraschungen an Zeugnis-tagen zu vermeiden, telefonieren Lehrer bereits im Vorfeld sich abzeichnender schlechter Noten mit den Eltern betroffener Schüler.
Dies sei „das A und O pädagogisch verantwortlichen Handelns und damit sind wir bislang immer sehr gut gefahren“. Bei den Eltern der Geisenfelder Realschüler dürfte es durch die 750 ausgestellten Halbjahres-Zeugnisse keine Überraschungen geben.
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Eingetragen von fraha, 11. Febr. 2010, 20:38 Uhr
Experteninterview zum Thema Schulstress
Eine aktuelle FORSA-Umfrage belegt, dass jedes zweite Kind von der Schule gestresst ist. An die zehn Prozent der Kinder leiden vor der Schule unter Bauch- oder Kopfschmerzen.
Wir haben hier in Geisenfeld eine ganz ausgezeichnete Expertin zu diesem Thema, die Sozialpädagogin Michaela Finsterer. Sie ist Lerntherapeutin, Familientherapeutin und Inhaberin der Multisensorischen Lernwerkstatt.
Frau Finsterer, wie reagieren Eltern, wenn ein Kind ein Zeugnis nach Hause bringt, das nicht ihren Erwartungen entspricht?
M.F.: Es gibt Eltern, die aufbauend reagieren mit Worten wie „mach Dir nichts draus“ oder „das wird schon besser“. Diese Eltern vermitteln Zuversicht und Rückhalt. Dann gibt es aber auch Eltern, die Druck ausüben, die die Kinder abwerten und beschämen- auch mit Worten. Häufig kommt es zu Strafen wie Hausverboten von Freundinnen und Freunden oder zu Sanktionen bei den Hobbies. Hochgezogene Augenbrauen oder ein Stoßseufzer werden von den Kindern mindestens genauso schlimm empfunden, läuft doch die menschliche Kommunikation zu fast 90 % über die Körpersprache.
Warum ist das so schlimm, wenn die Eltern ihr Kind wegen der schulischen Leistung kritisieren?
M.F.: Kinder sind grundsätzlich sehr loyal der Familie gegenüber. Sie lernen für ihre Eltern und für den Lehrer als weitere Bezugsperson. In einer übertrieben leistungsbezogenen
Gesellschaft erleben die Kinder schon sehr früh, dass sie Liebe, Anerkennung und Zuwendung für gute Leistungen, Strebsamkeit und Angepasstheit bekommen.Wenn ein Kind merkt, dass es nicht gut genug ist, obwohl es für die Eltern alles zu tun bereit ist, dann zerbricht eine Welt. Diese Kinder sind verunsichert. Sie zweifeln an sich selbst. Sie quälen sich mit Verlust- und Versagensängsten. Sie ziehen sich zurück oder verfallen in wüsten Trotz.
Was ist also die beste Reaktion, wenn das Kind mit dem Zeugnis kommt?
M.F.: Zeugnisse sind allenfalls Hinweise. Die Noten sagen wenig über das eigentliche Leistungsvermögen des Kindes aus. Auch der augenblickliche Leistungsstand ist relativ. In einer Klasse mit hohem Leistungsniveau mag ein Kind nicht besonders gut bewertet sein. Zwei Zimmer weiter in einer weniger guten Klasse würde sich dasselbe Kind eventuell im oberen Drittel wieder finden.Das Entscheidende ist aber immer die gute Beziehung zum Kind. In erster Linie braucht das Kind Trost, Zuversicht und Hoffnung. „Du bist unser Superkind, auch wenn das mit der Schule jetzt gerade nicht klappt“. Das sollten die Eltern ausdrücken.
Natürlich könnten sich die Eltern auch selbst hinterfragen: Passen die Alltagsstrukturen? Gibt es feste Lernzeiten? Fordern wir zuviel von unserem Kind? Wo sind seine Schwächen? Haben wir den schulischen Weg für unser Kind schon festgelegt oder hat es selbst die Freiheit zu entscheiden?
Nicht jedes Kind ist ein intellektuelles. Nicht jedes Kind hat Lesen zum Hobby.Viele sind sehr alltagspraktisch und handwerklich geschickt. Das heißt für Eltern konkret, sich von der ein oder anderen Vorstellung zu verabschieden. Nichts desto trotz ist die Schule für viele Kinder ein rotes Tuch- sind sie doch ausgeliefert.
Hört man da eine leichte Kritik am Schulsystem heraus, wenn Sie von den Irregularitäten der Leistungsbewertung sprechen? Sagen wir es anders: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie am Schulsystem ändern? M.F.: Erstens den Notendruck rausnehmen. Gras wächst nicht besser wenn man daran zieht.
Zweitens sollten wir den Schülern Freiheit geben. Das enge Korsett von vorgegebenen Lernstrukturen, Denkmustern und Handlungsabläufen entspricht nicht der Lebenswelt der Kinder. Kinder lernen durch experimentelles Handeln, getrieben von ihrer Neugier. Nur wenn ich etwas nachvollziehen kann und verstehe, wird es auf Dauer abgespeichert und nur so kann es zu Transferleistungen kommen. Wer das berücksichtigt, erzieht lockere selbstbewusste effektive und glückliche Menschen.Drittens wünsche ich mir eine Schule, in der Beziehung als wichtigster Inhalt gepflegt wird. Da denke ich an die Schüler-Lehrer-Beziehung, an die Beziehung der Lehrer zu den Eltern, der Eltern zu den Schülern und der Schüler untereinander.Positiv gestimmtes Lernen gelingt nur als gemeinsame Herausforderung, die von allen Beteiligten angenommen wird.
Noch ein Schlusssatz?
M.F.: Noten haben eine relative Bedeutung, die Beziehung zum Kind gilt absolut.