5G, der BND und die Medien

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Vom Hirngespinst gut informiert zu sein – Ein Kommentar von Dirk Pohlmann.

Geheimdienste und Medien haben, zumindest in einem bestimmten Bereich, identische Aufgaben. Beide sollen Nachrichten sammeln, analysieren und an ihre Auftraggeber weitergeben, damit zielgerichtet gehandelt werden kann. Sie sollen Einzelereignisse aufzeichnen, ohne sich in den Einzelheiten zu verlieren, sie sollen die Wirklichkeit verdichten, Wesentliches von Unwesentlichem trennen, Zusammenhänge ermitteln und vermitteln.

Ihre Aufgabe ähnelt der eines Kartographen. Eine Landkarte soll einen Überblick liefern. Eine Landkarte, die alles genau abbildet, wäre genauso kompliziert wie die Wirklichkeit, sie wäre eine Fotografie in Originalgröße und damit als Orientierungshilfe wertlos. Eine gute Karte zeigt nur die wesentlichen Informationen, sie dampft die immense Vielfalt der Realität zu einem Stück bedruckten Papier ein, mit dem man sich zurechtfinden und sein Ziel erreichen kann.

Der Unterschied zwischen Medien und Geheimdiensten ist der Adressat ihrer Arbeit.

Geheimdienste sind Werkzeuge von Regierungen, die ihre Macht erhalten oder ausweiten wollen. Ihre Nachrichtenauswahl ist richtig, wenn sie alle Faktoren im Blick behält, die systemrelevant sind und die es der zweiten großen Abteilung des Geheimdienstes neben „Intelligence“, nämlich „Operations“ ermöglicht, die richtigen Leute zu töten oder zu fördern, zu denunzieren oder in Machtpositionen zu bringen, Regierungen zu stürzen, Wirtschaftsordnungen zum Einsturz bringen oder zu unterstützen. Je weniger die Wahrheit kennen, und den wahren Zweck der Datenanalyse, um so besser.

Für alle Menschen außerhalb der Regierung oder Elite, die den Geheimdienst nutzt, gilt die „Champignon-Regel“: „Halte sie im Dunkeln und füttere sie mit Bullshit.“ Denn Wissen ist Macht.

Für Otto Normalstaatsbürger gibt es eine andere Art von Intelligence. Die Medien haben den Staatsbürger als Adressat ihrer „Intelligence“, sie sollen ihn, zumindest wird das so behauptet, wahrheitsgemäß informieren, damit er sich in der Wirklichkeit zurechtfindet.

Man könnte sich fragen, ob das so stimmt, und warum der Staat so viel Wert darauf legt, dass der Staatsbürger informiert wird, wenn er doch nur alle 4 Jahre einmal Macht ausüben kann: bei der Stimmabgabe an der Wahlurne. Und das war es dann auch. Wenn er seine Stimme abgegeben hat, im Wortsinn, hat er keine mehr.

Eigentlich ist es doch egal, ob Otto Normalstaatsbürger weiß, warum es Krieg in Syrien gibt, oder die Arktis abtaut, Venezuela gehäckselt wird oder die Börse kollabiert. Er kann und wird doch nichts daran ändern. Eigentlich genügt eine Lokalzeitung. Die Informationen, die darin stehen, sind tatsächlich relevant für das tägliche Leben des Staatsbürgers.

Trotzdem will auch die Regierung, oder sagen wir besser, die herrschende Elite, nicht darauf verzichten, dass der Bürger sich gut informiert glaubt. Gut informiert glaubt, wähnt, fühlt, das ist nicht das gleiche, wie tatsächlich gut informiert sein. Warum das wichtig ist? Weil die Herrscher die Zustimmung des Bürgers für ihre Handlungen wollen.

Um das zu ermöglichen, müssen die Informationen entsprechend gefiltert und formatiert werden. Es ist zielführend, wenn relevante „Intelligence“ nicht an die Bevölkerung durchgereicht wird, sondern nur eine Fußgängerversion. Die echte „Intelligence“ ist ein Herrschaftsmittel. Und die wird doch nicht Hinz und Kunz bereitgestellt.

Was Hinz und Kunz erhalten, ist eine Art Schmiermittel, das reibungsarme Herrschaft ermöglicht.

Eine steile These?

Es gibt verdammt viele Gegenargumente, ich weiß. Z.B. Wie soll diese Gleichschaltung quer durch so verschiedene Medien mit so verschiedenen Eigentümern funktionieren? Trotzdem ist es so. Noam Chomsky hat es für die Privatmedien der USA beschrieben, aber seine Analyse trifft auch auf die deutschen öffentlich-rechtlichen Medien zu. Zu erklären, warum das so ist, trotz verschiedener Organisations- und Eigentumsformen, wäre eine interessante Aufgabe für Kommunikationswissenschaftler.

Anstatt Aufmerksamkeit auf die Vertreter der Relotiusmedien zu verschwenden, die sich jetzt rituell ereifern und ob meiner Ausführungen den „Verschwörungstheorie“ und „Lügenpresse-Vorwurf“ in Stellung bringen, bitte ich den geneigten Zuhörer, den Relotius-Journalisten ein Taschentuch zu reichen, damit sie den Schaum vor dem Mund wegwischen können und mir einen Moment zuzuuhören. Danach können Sie ihr Urteil fällen. Über mich, die Regierung, die Eliten und die Medien.

Ich möchte mein Argument an einem Beispiel klarstellen. Am Beispiel 5G.

5G ist ein Thema, das zur Zeit in aller Munde ist, in der medialen Öffentlichkeit, in den sozialen Medien und in Privatgesprächen.

Worüber wird diskutiert?

Zum einen darüber, wie gefährlich 5G ist. Zum Beispiel, ob in Brüssel bei einem Test die Singvögel tot von den Bäumen gefallen sind, oder ob das Fake News ist. Warum die Brüsseler Bürgermeisterin in ihrer Stadt 5G verbieten will. Was wir über die gesundheitliche Auswirkung von Mobilfunk-Frequenzen im Allgemeinen und 5G im Besonderen wissen. Darüber, warum und in wessen Interesse 5G so rasant durchgewunken werden soll, bevor wir wissen, ob es gefährlich für Menschen ist und wenn ja, wie gefährlich.

Zum anderen darüber, wozu man 5G braucht. Über selbstfahrende Autos und das Internet der Dinge.

Man erinnert sich auch daran, dass eine Huawei Managerin auf Antrag der USA in Kanada inhaftiert wurde, weil Huawei das US Embargo gegen Iran umgangen habe. Wo kämen wir auch hin, wenn sich China nicht an Embargos der USA hielte?

Und es wird darüber diskutiert, ob der chinesische Konzern Huawei bei 5G mitmischen darf. Ob wir im „Freien Westen“ zulassen dürfen, dass uns Huawei mit Handys flutet, die in Wahrheit Abhörwanzen sind und alle Daten nach China funken.

Was in den Relotius-Medien weitestgehend unerwähnt bleibt, ist die naheliegende Frage, warum sich ausgerechnet das US-Imperium, das ja Angela Merkels Handy und die Handys aller anderen Menschen abhört, Sorgen darüber macht, dass Handys abgehört werden können, und dass die entsprechenden Hintertürchen für den totalen Lauschangriff in den Schaltkreisen fest eingebaut sein könnten.

Georg Mascolo, dem mit allen Weihwassern der Kirche des heiligen Relotius überreich begossenen Chef-Investigativ Journalisten des Spiegel und des angeschlossenen Recherchenetzwerkes von Süddeutscher, NDR, WDR und wer-weiß-schon-wem-noch, dem völlig zu Recht gute Beziehungen zum BND unterstellt werden, weist im Spiegel darauf hin, dass der BND schon frühzeitig vor Huawei gewarnt habe. Wegen der Abhörgefahr. Potzblitz! Das erinnert an einen Pornodarsteller, der sich auf dem Nachhauseweg von Filmaufnahmen Sorgen macht, ob es seine Frau mit der ehelichen Treue genau nimmt.

Worüber in den Relotius-Medien nicht diskutiert wird: Edward Snowden hat uns darüber informiert, dass die NSA 2010 in die interne Firmenkommunikation von Huawei eingedrungen war und alle Emails mitlas, sowie die Quellcodes aller Huawei Produkte ausspionierte.

In einem internen NSA Briefing hieß es: „Wir haben derzeit guten Zugang und erhalten so viele Daten, dass wir nicht wissen, was wir damit anfangen sollen.

Geleakte Präsentationen zeigten, dass die NSA Hintertüren in Huawei Software einbauen wollte, genau so, wie sie es bei US Produkten, z.B. von Cisco, getan hatte. Das Ziel war, alle Nationen ausspionieren zu können, die Huawei Netzwerke verwendeten.

2014 veröffentlichte die New York Times, The Times und Reuters, dass auch alle Topmanager von Huawei sowie alle Datennetzwerke der Firma durch die NSA überwacht wurden. O-Ton NSAViele unserer Zielpersonen kommunizieren mit Geräten von Huawei. Wir wollen sicher gehen, dass wir in der Lage sind, diese Geräte ausbeuten zu können, dass wir Zugang zu allen uns interessierenden Netzwerken weltweit haben.

So viel zum Thema Totalüberwachung. Das Motto lautet wieder einmal: Böcke zu Gärtnern!

Wovon wir nichts erfahren, ist die strategische Bedeutung von Huawei und 5G. Die merkwürdig effektive chinesische Form eines Kapitalismus unter staatlicher Lenkung der kommunistischen Partei hat den US Unternehmen den Rang abgelaufen.

Obwohl Donald Trump, James Bolton und andere US Regierungsmitglieder diese staatliche Lenkung als „Sozialismus“ brandmarken, die nur zu Elend und Verzweiflung führen können, breitet sich in China der Mittelstand rasant aus, während er in den USA verschwindet und ein Drittel der Bevölkerung in Elend und Verzweiflung lebt.

Während Apple den Shareholder Value im Auge behielt, baute Huawei die gesamte Fertigungskette aller Komponenten von 5G auf.  Huawei produziert jetzt jedes Element der Kette selbst, Computerchips, Software, Sender, Antennen, Handys. Huawei ist schneller, besser und billiger als alle seine Konkurrenten. Der Vorsprung ist wahrscheinlich nicht mehr aufholbar.

Der 5G Infrastruktur Markt betrug 2018 528 Millionen US Dollar und wird auf 26 Milliarden US Dollar im Jahr 2022 geschätzt.

China hat bereits 2 Millionen 5G Sendestationen, die USA 200.000.

Chinas Fünfjahresplan weist einen Betrag von 400 Milliarden US Dollar für die Entwicklung von 5G und dazugehöriger künstlicher Intelligenz aus. China setzt auf 5G, um seine Industrieproduktion auf den technisch neuesten Stand zu bringen. Bis 2025 sollen 82% der Netzwerke 5G Standard sein und mittelfristig will China der weltweit wichtigste Produzent von Telekommunikationsausrüstung werden.

Glauben Sie wirklich, dass der BND das nicht weiß? Glauben Sie wirklich, dass sich der BND vor allem Sorgen darum macht, ob ihr Handy abgehört werden kann? Dass er deswegen vor Huawei warnt?

Glauben Sie wirklich, dass die USA den freien Markt und den freien Welthandel schützen, auch auf Gebieten, bei denen die Konkurrenz wie Huawei zunehmend die Nase vorn hat?

Glauben Sie wirklich, dass angesichts dieser Zahlen und Zukunftsaussichten irgend eine Regierung ernsthaft erwägt, erst medizinische Tests zu veranstalten, bevor 5G eingeführt wird?

Glauben Sie wirklich, dass Sie, Otto Normalstaatsbürger, um so besser informiert sind, je mehr Zeit sie mit Spiegel Online oder anderen Relotiusmedien verbringen?

Und wenn Sie 24 Stunden am Tag damit zubrächten, sie hätten doch keine Ahnung, um was es in Wirklichkeit geht. In Syrien, in Venezuela, in China, in Deutschland.

Denn die „Intelligence“, die sie von diesen Medien bekommen, ist nicht die gleiche, die hinter verschlossenen Türen ausgegeben wird. Das betrifft nicht nur geheime Einzelheiten, sondern auch die Überblickskarte.

Die Intelligence, die die Bundesregierung vom BND erhält, ist nicht die gleiche, die die Geheimdienste der 5 Eyes, der westlichen Siegermächte des 2. Weltkrieges, ihren Regierungen liefern, also den USA und Großbritannien, und dann noch Kanada, Australien, Neuseeland (Und seit einiger Zeit kann man auch Israel dazu rechnen.)

Wissen ist Macht. Und Sie, Verehrter Otto Normalstaatsbürger, gehören nicht zu dem exklusiven Club, dem dieses Wissen mitgeteilt wird. Sie müssen leider draußen bleiben.

Sie gehören zu den Empfängern der Champignon Version, die ihnen jeden Tag in der ersten Reihe der Relotiusmedien serviert wird. Medien, die ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr erfüllen.

Dieser Beitrag erschien am 9.April 2019 bei KenFM. Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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