Dort wo früher die Stasi heimlich Wohnungen verwanzte, erledigt das heute eine aus eigenem Antrieb aufgestellte Wanze.
Befasst man sich mit den Themen Ausspähen oder Überwachung, kann man einerseits Preise gewinnen, andererseits aber auch negativ auffallen. (Oder muss wie der Ex-NSA-Mitarbeiter, Edward Snowden, nachdem er uns und der Welt die monströsen Ausspähaktivitäten amerikanischer Geheimdienste vor Augen führte, sein Leben im russischen Exil verbringen)
Ausspähen unter Freunden ….
Für den Film „Das Leben der Anderen“, eine Schilderung historischer Aspekte zwischen Stasi Bespitzelung und Kunstbetrieb in der DDR, konnte sich Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck 2007 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film in Los Angeles abholen. Anlässlich eines darauffolgenden Empfangs von Regisseur, Schauspieler und Teilen der Filmcrew würdigte der damalige Bundespräsident, Horst Köhler „diesen eindrucksvollen Film“ aus dem ihm „die Bilder von erbarmungsloser Kontrolle, Überwachung und Einschüchterung durch die Staatssicherheit der DDR im Gedächtnis“ bleiben werden.
Zum selben Thema, dem Ausspionieren des Lebens von Anderen, gewann einige Jahre später auch das Bundeskanzleramt einen Award. Dem Amt wurde 2014 der BigBrotherAward wegen „geheimdienstlicher Verstrickungen in den NSA-Überwachungsskandal“ verliehen. Jedoch wurde diese Auszeichnung weder vom Kanzleramtsminister noch von der Hausherrin des Kanzleramtes, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel entgegengenommen oder gar abgeholt.
Dabei hätte es keinen geeigneteren Ort für Merkels „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“ gegeben. Den Satz, den sie bereits am 24.10.2013 als vermeintlich scharfe Reaktion auf die publik gewordene NSA-Abhörpraxis auch ihres Handys formulierte. Wie sich später herausstellen sollte, war die Äußerung der Kanzlerin eine reine Luftnummer. Bilaterale, zum Teil streng geheime Zusatzabkommen (zum Beispiel im NATO-Truppenstatut) erlaubten u.A. der NSA diese somit gesetzeskonforme Schnüffelei.
Alexa, wer weiß denn sowas?
Ein SPD-Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, ein Gremium zur Kontrolle der Nachrichtendienste zeigte sich „überrascht, dass manche überrascht sind“.
Und obwohl man, wie Kanzleramtsminister Ronald Pofalla kräftig Nebelkerzen warf, (Der US-Geheimdienst NSA als auch der britische Geheimdienst hätten schriftlich erklärt, dass sie sich in Deutschland an „Recht und Gesetz“ hielten) oder sich wie Innenminister Hans-Peter Friedrich wegen des Verdachts gegen die NSA genervt gab, („diese Mischung aus Anti-Amerikanismus und Naivität geht mir gewaltig auf den Senkel„) die Bespitzelung durch „befreundete“ Geheimdienste war nicht mehr klein zu reden.
Die Katze war aus dem Sack, der Drops gelutscht und die grundrechtverletzende Paste konnte nicht mehr in die Tube zurück gedrückt werden.
Alexa, was ist ein PR-Problem?
Welche Metapher man auch bemüht, die Ausspähung und Überwachung unserer elektronischen Kommunikation dürfte seit der NSA-Spähaffäre flächendeckend im bundesrepublikanischen Bewusstsein angekommen sein.
Nur nicht im Bundeskanzleramt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, immer noch die Hausherrin, sagte am 16.02.2017 als Zeugin vor dem NSA-Untersuchungsausschuss zur Verstrickung des Deutschen Nachrichtendienstes BND, „Informationen über die Gewinnung von Informationen hatte ich nicht“.
Das was ein früherer Bundespräsident mit Blick auf die Bespitzelung durch Organe der DDR „erbarmungslose Kontrolle“ nannte, war bei vergleichbarer Vorgehensweise der NSA in der Bundesrepublik für die deutsche Bundeskanzlerin nur noch „ein PR-Problem in der deutschen Öffentlichkeit“ (Ben Rhodes, stellvertretender Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama)
Alexa, warum hast du so große Ohren?
Bei so viel Lässigkeit der Regierungschefin im Umgang mit Grundrechtsverletzungen verwundert es nicht, das auch Verfassungsschutz und BND, eigentlich der Nachrichtendienst für die Auslandsaufklärung, neben der Telefon- und Internetüberwachung, nun auch „automatisierte technische Zugänge“, also direkten Zugriff auf die verschieden, in deutschen Wohnungen aufgestellten Sprachassistenten wollen.
„Direkt“ heißt, die deutschen Dienste wären nicht mehr auf die Hilfe ihrer amerikanischen Spitzelbrüder angewiesen, denen es nach amerikanischen Recht gestattet ist, bei US-Unternehmen -unter bestimmten Voraussetzungen- Ton- und Textdateien abgreifen zu können.
(Nach dem sogenannten „USA Patriot Act“ sind US-Unternehmen verpflichtet, den US-Sicherheitsbehörden (FBI, NSA, CIA) Zugriff auf ihre Server zu gestatten, und zwar auch ohne richterliche Anordnung. Dabei ist es unerheblich ob die Daten in den USA oder im Ausland anfallen oder gespeichert werden. Entscheidend sei, wer die Kontrolle über die Daten habe und nicht, wo diese z.B. gespeichert wären)
Alexa, warum sind Sprachassistenten für Geheimdienste so interessant?
Sprachassistenten wie Alexa und Co. interagieren alle mit einem Cloud-basierten Voice Service übers Internet. Dabei werden gesprochene Befehle und Fragen des Nutzers glasklar und unverfälscht übermittelt, denn „mit sieben Mikrofonen, Richtstrahltechnologie und Geräuschunterdrückung hört Echo Sie aus jeder Richtung.“ (Amazon Eigenbeschreibung)
Der neue feuchte Traum der Spitzelbranche. Nicht nur Gespräche am Telefon, nein, auch Gespräche und sonstiges ohne viel Aufwand im privatesten aller Bereiche mithören.
Alexa, warum hast du so viele offene Türen?
Dass man sich mit einem intelligenten Sprachassistenten nicht nur einen bequem zu steuernden Befehlsempfänger in die Wohnung holt, sickerte zuerst nur peu à peu zu Hacks und später durch sich häufende Berichte über Datenpannen im Zusammenhang mit der Nutzung der smarten Lautsprecher an die Öffentlichkeit.
„Dass Amazon Echo mit ein paar Kniffen ein hervorragendes Spionagegerät wird“ interessierte zuerst vermutlich nur die technikaffinen Leser der „MOTHERBOARD“. Die berichtete am 1. August 2017 von einem Sicherheitsexperten, der ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen, Schadsoftware auf Amazon´s Echo aufspielte, wodurch er permanent mithören konnte. (Selbst ein Firmware-Update könnte diese Funktion nicht mehr eliminieren. Etwa sieben Millionen Echo-Geräte der betroffenen Baureihen waren bis dahin weltweit bereits verkauft)
Im April 2018 folgte ein Bericht über die Lauschangriffe gestattende „Designschwäche des Amazon Echo“. (Amazon räumte darauf im Mai die „Schwäche“ ein, und betonte gleichzeitig Abhilfemaßnahmen getroffen zu haben)
Im gleichen Jahr, am 20. Dezember 2018 wurden die Praktiken hinter dem Voice-Service durch einen Bericht des Computer Magazins C’t bekannt. Darin wurde von einem „unglücklichen Fall“ infolge „eines „menschlichen Fehlers„(Amazon) berichtet.
Ein Kunde von Amazon machte von seinem Recht auf Selbstauskunft gebrauch und durfte sich seine persönlichen Daten auch herunterladen. Überraschung! Denn darunter waren auch „ca. 1700 Alexa-Sprachaufzeichnungen aus Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad einer fremden Wohnung“.
Am 11. April 2019 konnte man lesen, das“ Alexa“ kein ausschließlich selbstlernendes, sondern ein von Amazon Mitarbeitern laufend trainiertes Programm ist. Tausende transkribieren und kommentieren die privaten Sprachaufzeichnungen und spielen es anschließend in die Software zurück, um Lücken in Alexas Verständnis der menschlichen Sprache zu beseitigen und besser auf Befehle reagieren zu können.
Am 24. April erfuhr man, dass dieses Trainingsteams auch auf Standortdaten und Telefonnummern von „Alexa“-Nutzern zugreifen kann. Die standartmäßig zugeordnete Versandadresse reichte wohl nicht. Da wirkt es wenig beruhigend wenn Amazon versichert, das „der Zugriff auf interne Tools streng kontrolliert und nur einer begrenzten Anzahl von Mitarbeitern gewährt wird, die diese Tools für die Schulung und Verbesserung des Services benötigen“.
Weiß man allein nur von den oben beschriebenen Fehlern, Pannen oder Nachlässigkeiten, und denkt sich noch nicht erkannte Backdoors dazu, braucht es nicht viel Fantasie um die Begehrlichkeiten der deutschen Geheimdienste zu verstehen.
Alexa, geht da schon was?
Geht der oben verlinkte Bericht zu den Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste noch von einem Gesetzesentwurf aus, der den Diensten durch eine Novellierung der Geheimdienstgesetze den „technischen Zugang“ zu Alexa und Co. ermöglichen solle, wollte Martina Renner, eine Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“, von der Bundesregierung wissen, ob dieses „wir wollen“ schon der Schnee von gestern, und stattdessen ein „wir können“ Stand der Dinge sei.
Frage: (Umgangssprachlich formuliert, „was geht ab“)
„Welche Bundesbehörden (BKA, ZKA, BfV, BND usw.) sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der Lage, smarte Lautsprecher wie Amazons „Echo“, „Echo Dot“ oder„Echo Show“ technisch zu infiltrieren und als Abhöreinrichtung, beispielsweise für die Wohnraumüberwachung zu nutzen?“
Antwort: (Umgangssprachlich formuliert, „geht sie nichts an“)
Alexa, kennst du das Grundgesetz?
Sind Sprachassistenten auch ohne staatliche Schnüffelei nicht schon durch ihre intransparente Funktionsweise bei Aufzeichnung und Verarbeitung des gesprochenen Wortes erhebliche Risiken für die Privatheit der Nutzerinnen und Nutzer, insbesondere für deren Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung?
Nein, nicht wirklich, verwies Innenstaatssekretär Dr. Günter Krings auf eine individuelle Risikoabschätzung des Nutzers als Antwort auf eine diesbezügliche Anfrage des Grünen Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz. „Die Bereitschaft zur Nutzung Cloud-basierter digitaler Sprachassistenten ist in Privathaushalten somit das Ergebnis einer individuellen Risikoabschätzung des Nutzers . Diese hängt maßgeblich vom Vertrauen des Nutzers in den Bereitsteller entsprechender Dienste ab“.
(Wobei Amazon darauf hinwies, dass man Menu Einstellungen ändern und auch den Knopf zum Ausschalten benutzen könnte)
Alexa, gibt es nur Ärger mit Leuten die dich nicht nutzen?
Erregten sich über die Intransparenz von Sprachassistenten außer Datenschützern nur Mitglieder aus Parteien, die z.B. Alexa nicht für ihre Zwecke nutzten?
(Linke und Grüne nutzen keine der sogenannten „Alexa Skills“. Skills sind selbsterstellte Programme zur Sprachsteuerung, durch die z.B. spezielle Nachrichtenangebote abgerufen werden können. Beispiel: „Alexa, starte CSU Ottmaring“)
Nein, auch Johannes Huber, ein Bundestagsabgeordneter der AfD, eine Partei die im Verglich mit anderen Parteien geradezu exzessiv Alexa Skills nutzt, zeigt sich angesichts des jüngsten Skandals um Alexa besorgt.
„Wir wissen, dass Alexa nicht nur durch Amazon abgehört wird, sondern auch durch US-Geheimdienste. Weiterhin müssen wir davon ausgehen, dass das durch Herrn Seehofer geführte Innenministerium und dessen unterstellte Dienste ebenfalls unsere Bürger abhören. Erneut erleben wir einen tausendfachen Grundrechtsbruch. Umfangreiche Untersuchungen sind jetzt das Gebot der Stunde.„
Alexa, bist du ein Spielzeug?
War es für die in der DDR aufgewachsene Angela Merkel damals noch ein Spaß, wenn sie mit anderen „oft in Gaststätten an die Lampe geklopft und gesagt [haben]: „Wenn ein Mikrofon drin ist – einschalten!“, kollidiert der Spaßfaktor der überwiegend als „lustiger Zeitvertreib statt nützlicher Alltagshelfer“ gesehenen Sprachassistenten mit zunehmenden Datenschutzbedenken.
Aktuell dominieren Zweifel an deren Nützlichkeit und auch die Furcht, damit in der häuslichen Umgebung ausspioniert zu werden. Als häufigste Gründe gegen einen Kauf werden „fehlender Bedarf“, „Angst vor Überwachung“ und die „Ablehnung der Sammlung privater Daten“ genannt, so die Ergebnisse einer Studie der „NORDLIGHT research GmbH“.
Was mich am Ende dieses Artikel nur noch zu einer Frage bringt: Welchen smarten Lautsprecher bieten eigentlich „die Russen“ oder „die Chinesen“ in Deutschland an?
Das sind doch die, die uns angeblich permanent abhören, bespitzeln und überall unsere Daten klauen. HUAWEI verkauft keine Sprachassistenten und die russische „Alice“ von Yandex spricht nur russisch. (Und wird deshalb auch nur im Inland vertrieben)
Man müsste Alexa und Co. mal fragen,
wer uns denn nun wirklich abhört.
Probieren wir es doch: