Landkreis – Beruhigende Haushaltszahlen und ein Hauch von „Viva la Revolution“

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Wie der am 11. April tagende „Kreisausschuss“ Ohren zum klingeln und SPD und Grüne zum Kopfschütteln brachte.

Es wird nicht viele im Landkreis Pfaffenhofen geben, die mit dem Begriff oder der Arbeit des „Kreisausschuss“ etwas anfangen können. Ein gegenüber dem Kreistag personell abgespecktes, trotz allem das Kräfteverhältnis der im ungleich größeren Kreistag vertretenen Parteien wiederspiegelndes Gremium, das weitreichende, in der Regel Haushaltsrelevante Entscheidungen trifft oder dem Kreistag zur Entscheidung vorlegt. In der aktuellen Sitzung wurde viel gelobt, es wurden die ganz großen Zahlen besprochen aber auch aufgezeigt, wie schnell man diffuse Standortvorteile mit politischer Bedarfsweckung verwechseln kann.

Am Montag den 11. April, etwa zwischen 15:00 Uhr und 15:15 Uhr dürfte es zu massiven akustischen Kommunikationsstörungen in der Verwaltung des Landkreises Pfaffenhofen gekommen sein. Verursacht von einem alle Ebenen der Verwaltung durchdringenden gewaltigen Klingeln in den Ohren der Mitarbeiter.

Ein Klingeln, das etwa zur gleichen Zeit entsteht, wenn der Ohrenträger von einer nicht anwesenden Person heftig gelobt wird.

Dieses hochfrequente Phänomen wurde ausgelöst von Mitgliedern des zu dieser Uhrzeit im Sitzungssaal des Rentamt tagenden Kreisausschuss. Neben nicht enden wollendem Lob auf die Mitarbeiter des Landratsamtes, ausgelöst durch den beruhigende Zahlen zum Kreishaushalt vortragenden Kreiskämmerer Walter Reisinger, und dem aus diesen Zahlen ersichtlichen Arbeitspensum einiger mit dünner Personaldecke kämpfender Abteilungen, verdient ein Umstand besondere Beachtung.

Die Einwohner des Landkreises Pfaffenhofen leben in einer kommunalen Gebietskörperschaft, die ihre Aufgaben mit den geringsten, auf die Einwohner aller oberbayerischen Landkreise umgerechneten Gemeindeabgaben belastet.

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Grafik: Landratsamt Pfaffenhofen

Alle weiteren Angaben und Zahlen zum Entwurf des dieses Jahr 113 Millionen Euro umfassenden Kreishaushalts finden sich im HIER verlinkten Artikel von „pfaffenhofen-today.de“, in dem Tobias Zell die fachsprachlichen Termini „Verwaltungs- und Vermögenshaushalt“ zu den allgemein verständlichen Begriffen „Sparbuch und Girokonto“ in Bezug bringt.

Abgesehen von einem einzigen, durchaus noch im allgemeinen Interesse liegenden Ausschuss-Beschluss „Kostenloses Impfangebot für Ehrenamtliche“, eine Reaktion auf die im Februar diesen Jahres öffentlich gewordenen Begleitumstände (und von „Bürgersicht“ hier genauer beleuchtet) des Todes eines mit Hepatitis B infizierten Asylbewerbers, und der darüber bekannt gewordenen Infektionsgefahr für Geisenfelder Asylbetreuer, lohnt es sich nur noch, einen weiteren, „aus Gründen der Aktualität“ unmittelbar vor Sitzungsbeginn eingeschobenen Tagesordnungspunkt zu beleuchten.

Unter diesem Tagesordnungspunkt sollte gegen Ende der öffentlichen Sitzung eine Empfehlung an den am 25. April tagenden Kreistag beschlossen werden, um sich mit einer Beteiligung des Landkreises Pfaffenhofen a.d.Ilm am „Digitalen Gründerzentrum (Sitz Ingolstadt)“ und einer damit verbundenen Investitionen von 336.000,- Euro (plus einer Einlage von 4 Tsd. Euro) einer „digitalen Revolution“ anzuschließen.

Die Sache eilt, soll bis zum 13. Mai 2016 unter Federführung der Stadt Ingolstadt, mit Beteiligung privater Investoren, Eichstädter Uni und Technischer Hochschule und aller in der Region 10 zusammengefassten Landkreise unter dem Schwerpunkt „Digitale Mobilität“ beim bezuschussenden Freistaat zur Förderung eingereicht werden.

Man konnte die Anspannung mit Händen greifen, als der, in Vertretung des wegen einer Sitzung der Ingolstädter Sparkasse verhinderten Landrats Martin Wolf den Sachverhalt vortragende Landrat- Stellvertreter Anton Westner mit mehr Nachdruck und weitschweifender als üblich, zum Gegenstand der „Beratung“ sprach.

Um es vorweg zu nehmen: Was folgte war keine Beratung, sondern eine größtenteils von den im Gremium sitzenden CSU-Bürgermeistern vorgetragene Aneinanderreihung diffuser, der Komplexität des Vorhabens und der vorliegenden, dünnen Leistungsbeschreibung nicht angemessener „da müssen wir, auch aus Verantwortung gegenüber der gesamten Region dabei sein“- Gründe.

Nachdem sich Max Hechinger für die Freien Wählern als erster für eine Beteiligung aussprach, wie es schien, sahen einige im Gremium seine Zustimmung noch vor der Sitzung als nicht gesichert an, schlossen sich die Vertreter der CSU seinen Ausführungen an und schwadronierten, ihre eigene Zustimmung unterstreichend, durch die digitale Welt der Smartphone, des schnellen Internets, und der Telemedizin mit seinen bald vernetzten Apotheken. (Kein Witz)

Als Kerstin Schnapp von den Grünen ihre Ausführungen damit begann, man könne auf Grundlage nicht nachvollziehbarer, zum Teil sich widersprechender Daten und nicht näher qualifizierter und quantifizierter Ausgestaltung der Aufgabenstellung der Beteiligung zu diesem Zeitpunkt nicht zustimmen, verfinsterten sich die ersten Mienen.

Als dann noch Marcus Käser (SPD) mit der ironischen Einleitung „den hier anwesenden Fachleuten“ dürfte bei der Beurteilung des vorliegenden Konzeptes sicher nicht entgangen sein, dass in dem Papier „keine überzeugenden Mehrwerte für die ganze Region, für unseren Landkreis oder für unsere im Landkreis in breiter Branchenvielfalt beheimateten Firmen“ erkennbar seien, seine Ablehnung an der Beteiligung eines am Schwerpunkt Digitale Mobilität ausgerichteten Gründerzentrums bekundete, war die gute Stimmung vollends dahin.

Käser vermisse die Sicherstellung, dass dieses „Zentrum“ nicht Firmen aus den Landkreis-Kommunen abziehe, sondern im Gegenzug die Möglichkeit biete, sie auch hier anzusiedeln.

Diese Haltung erinnere ihn „an die geplatzte Sparkassenfusion mit Ingolstadt“ meldete sich der in der Fusionsangelegenheit als betroffener Anteilseigner auffällig zurückhaltend agierende Geisenfelder Bürgermeister Christian Staudter (AUL) zu Wort. Blieb aber beim Bekunden seiner Zustimmung zur Beteiligung die Erklärung schuldig, wo der Zusammenhang einer gescheiterten Fusion der Sparkassen Pfaffenhofen und Ingolstadt, die bekanntlich wegen der einhellig vom Stadtrat der Kreisstadt Pfaffenhofen beschlossenen Ablehnung nicht zustande kam, mit der Beteiligung an einem digitalen Gründerzentrum sein soll.

Das verblüffendste Argument zur Bejahung einer Beteiligung des Landkreises am Gründerzentrum war die aus der Ecke der CSU vorgebrachte Einlassung, man werde sich doch auf das einstimmig vom Eichstätter Kreistag beschlossene JA zur Beteiligung verlassen können. „Die werden die Sachlage doch genau geprüft haben!?“.

Eine besondere Qualität politischer Meinungsbildung, das eigene Abstimmungsverhalten mit einer zwar nicht bekannten, dafür aber konsequent unterstellten Prüfung durch Andere zu begründen.

Bevor der -natürlich nicht einstimmig getroffene- Beschluss erging, dem Kreistag die Beteiligung am Digitalen Zentrum in Ingolstadt zu empfehlen, sicherte die Verwaltung zu, die aufgeworfenen Fragen zu klären und die monierten Konkretisierungen bis zur Kreistagssitzung beizubringen.

Es wird spannend sein, zu beobachten, wie die Frage nach der Beteiligung an der von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner im Mai 2015 ins Leben gerufenen, HIER verlinktenZukunftsstrategie BAYERN DIGITAL“ auf der kommenden Sitzung des Kreistags beantwortet wird.

Eventuell haben bis dahin einige der Kreisräte das 98 Seiten umfassende Papier auch gelesen. Im besten Fall trägt die Lektüre zur differenzierten Betrachtung vermeintlich zukunftsträchtiger Beteiligungen bei, oder aber nur zum zusammenklauben diverser Fundstellen, um mit kompetent klingenden Termini, den Durchblick digitaler Welten vorzutäuschen.

Vielleicht stolpert man darin aber auch über folgenden Satz, in dem die Verfasser aus dem Bayerischen Wirtschaftsministeriums einen vermeintlichen Leuchtturm aus der digitalen Firmenwelt beispielhaft hervorheben:

Das Beispiel WhatsApp zeigt, wie ein junges Unternehmen mit rund 50 Mitarbeitern Geschäftsmodelle der Telekom-Konzerne ins Wanken gebracht hat“.
Doch um dieses Beispiel richtig bewerten zu können, muss man nicht nur mitreden wollen, sondern sich wirklich mit der „Digitalen Revolution“ beschäftigen um mitreden zu können!

Nur dann kann man wissen, dass diese 2009 in Santa Clara, Kalifornien gegründete und 2014 durch Facebook übernommene Firma mit „WhatsApp“ bis heute kein Geld verdient.

Was bleibt ist eine zugegeben komfortable, weltweit beliebte Nachrichten-App für Smartphone Besitzer ohne profitables Geschäftsmodell.

Auch an „WhatsApp“ haben digitale Enthusiasten in ähnlichen Räumen wie in den für das Digitale Ingolstädter Gründerzentrum vorgesehenen „Coworking-“ oder „Maker Space“ Räumen gebastelt.

Doch eine Beteiligung an diesem Zentrum sollte ohne die bisher dem Landkreis nicht vorgelegten Wertschöpfungsaspekte doch besser Privatfirmen oder Risikokapitalgebern vorbehalten bleiben.

Nach der Sitzung legte Käser in einem Statement nach. „Die Konzentration der Angebote an einem zentralen Ort und die ständige Präsenzkultur ist für die digitale Szene ein Relikt der Industriegesellschaft und an sich schon thematisch widersprüchlich. Sie führen nicht selten ein multilokales Leben! Wenn wir digitale Arbeiter und Denker und deren kreative Wertschöpfung in unserer Region halten wollen, dann brauchen wir attraktive Treffpunkte mit entsprechender Ausstattung auch in den Mittelzentren der ganzen Region“.

Update 25.April 2016: Der Kreistag beschloss auf seiner heutigen Sitzung in Manching einstimmig den „Rekordhaushalt“ 2016 und gegen die Stimmen der „Grünen“ (4) die Beteiligung am „Digitalen Gründerzentrum“ DGZ in Ingolstadt. (Die SPD sah sich jetzt ausreichend informiert)

 

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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