Nordumfahrung -„Die Kosten hauen einen fast vom Hocker“ – Eine Chronologie

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Mit dieser Einschätzung war der im November 2007 amtierende Bürgermeister Geisenfelds, Josef Alter, im Stadtrat nicht alleine. Gerade hatte Ingenieur Wilhelm Wipfler den Stadträten die Planung der Umgehungsstraße Nord vorgestellt. 12 Millionen Euro, doppelt so viel wie bisher veranschlagt sollte die Stadt für die 4,1 km lange Trasse nun bezahlen. Und der dafür erforderliche Grunderwerb war dabei noch nicht eingerechnet. Damit hatte keiner der Stadträte gerechnet. Wegen der erforderlichen Straßenentwässerung, bedingt durch den relativ hohen Grundwasserpegel in der Trasse, muss zudem das Erdreich 70 bis 80 Zentimeter tief abgetragen werden, um es anschließend bis zu einer Höhe von 1,50 bis 2 Meter über dem bestehenden Geländeniveau aufzuschütten. Die geplante Nordumfahrung wird sich somit mannshoch und schon von weitem sicht- und hörbar durch die Natur winden. Trotzdem beschlossen die Stadträte, begleitet von Alters Appell nun „an allen Ecken und Enden“ zu sparen, ins Planfeststellungsverfahren zu gehen.

Hatte man das nicht ein Jahr zuvor bereits getan?

Und plante man das für das Frühjahr 2010 nicht erneut?

Wie oft geht man bei der Stadt Geisenfeld in ein und das selbe Verfahren? An welcher Stelle hat man sich bei der Stadt zwischen Nord- oder Westumgehung und der sogenannten „Ilmtalbasisstraße“ im Verlauf der zurückliegenden Jahre verfahren?

Eine Rückschau, ausgehend vom Jahr 2001, ergibt beim Vorhaben „Verkehrsentlastung Geisenfeld“ nur eines:

Flickschusterei mit schrittweiser Verabschiedung vom Hauptvorhaben.

Die Chronologie

Herbst 2001:

Mittels eines, bei Geisenfelder Stadträten besonders beliebten „Grundsatzbeschlusses“ schob man sich die „Nordspange“ ins städtische Haupthaar. Eine Nordumgehung soll um Geisenfeld gebaut werden.

Monate zuvor nimmt am 1.Januar 2001 der Freistaat Bayern die Staatsstraße 2032 in die Dringlichkeitsliste des Ausbauplans für Staatsstraßen auf. Das ist die Straße aus Richtung Pfaffenhofen, also die sogenannte Südumfahrung. Zu finden unter der Projekt Nr. IN505, Maßnahme: OU Geisenfeld (Ortsumgehung), Länge: 3,4 km, Kosten Ges : 7,4 Mio DM, Kosten Land: 7,4 Mio DM, Dringlichkeit :1 (Projekt der 1. Dringlichkeit sollen zwischen 2001 und 2010 realisiert werden)

Anmerkung: Die Umsetzung dieser Bauvorhaben erfolgt im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Ist kein Geld da, wird auch nicht gebaut!

Frühjahr 2003

Bei der Stadt wird man etwas konkreter. Diese Nordspange soll in „kommunaler Sonderbaulast“ errichtet werde. Nicht der Staat baut und zahlt, die Stadt baut und zahlt. Erwartet dabei aber einen staatlichen Zuschuss von ca. 60%. Gleichzeitig wurde unter Einbeziehung der „Südspange“ eine Verkehrsuntersuchung in Auftrag gegeben.

Jahr 2006

Der Bericht der mit der Untersuchung beauftragten „MODUS CONSULT ULM“ liegt vor. Darin wird unzweideutig auf eine Gesamtlösung verwiesen, da nur Süd- und Nordspange zusammen die von der Stadt Geisenfeld gewünschte Verkehrsentlastung bringe. Die im Rahmen der Untersuchung am 26. Oktober 2005 durchgeführten Messungen der „Verkehrsbeziehungen“ in der Region zwischen Ingolstadt-Pfaffenhofen-Kehlheim und dem Regierungsbezirk Schwaben erbrachten folgenden Schluss:

„Ohne den Bau des südlichen Abschnitts kann die Verkehrsbelastung in Geisenfeld in Abhängigkeit der einzelnen Varianten zwischen 700 bis 1.400 Kfz/24h reduziert werden. Bei Umsetzung einer gesamten westlichen Umgehungsstraße ist eine Reduzierung von 1.500 bis über 4.000 Kfz/24h zu erreichen.“

Unfreiwillig deutlich wurden die Prüfer in ihrem Untersuchungsbericht bei den Passagen „Raumordnung“ und „Straßen-Infrastruktur“. Hier verwiesen sie darauf, dass durch den von der Stadt Geisenfeld finanzierten „Bau der Umgehungsstraße nordwestlich der Stadt Geisenfeld die Funktion der Straße als leistungsfähige Verbindung zwischen dem westlichen Raum von der BAB A9 kommend und dem nördlichen und östlichen Raum der B16 sichergestellt“ sei.

Die „Nordumfahrung“ beginne westlich von Geisenfeldwinden mit der Anbindung an die B300 „mittels einem Kreisverkehr mit einem Durchmesser von 80,0 m. Im Zuge einer möglichen Verkehrszunahme (BAB9 – B16) kann es nach dem Staatlichen Bauamt Ingolstadt erforderlich werden, diese Verkehrsbeziehung über den Kreisverkehr mit 2 Brückenbauwerken zu führen“. Diese Anbindung sei kapazitätsbedingt als offizielle Umleitungsstrecke für eine Totalsperre auf der BAB A9 (U66) unbedingt erforderlich.

Der damals noch für die SPD im Stadtrat sitzende Christian Staudter bemerkte zu den Untersuchungsergebnissen: Durch den Bau der Nordspange „verringere sich die Verkehrsbelastung im Zentrum lediglich um 10 bis 15%. Die Südspange muss mit dem selben Nachdruck wie die Nordspange vorangetrieben werden„. (Donaukurier vom 28.11.2006: „Wichtiger Schritt zur Nordtrasse ) Und hob im November mit allen anderen Stadträten die Hand zur Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens. Für die Nordumfahrung. Damit bekäme man eine größere Rechtssicherheit, und täte sich, so die Bemerkung eines Stadtrats aus der FW-Fraktion, mit einer „Enteignung“ wesentlich leichter.

Jahr 2007

Nach Angaben von Bürgermeister Josef Alter habe man Ende 2006 das Planfeststellungsverfahren bei der Regierung von Oberbayern beantragt. Es wäre „ideal“, könne Nord- und Südumgehung zeitgleich erstellt werde. Die Planung für die Südumgehung sei fortgeschritten, das Staatliche Bauamt Ingolstadt habe der Stadt bereits mehre Trassenvarianten vorgestellt. Danach war Südtrassensendepause.

Zum Auftakt seines Landratswahlkampfes meldete sich der amtierende Landrat Rudi Engelhard im Oktober auf der Versammlung des CSU-Ortsverbandes zu Wort.Der Landkreis will die Stadt Geisenfeld bei ihren Bemühungen zur Schaffung einer „kompletten“ Westumgehung verstärkt unterstützen. Die Stadt Geisenfeld müsse „baldmöglichst ins Planfeststellungsverfahren einsteigen“ (!) „und über unsere Abgeordneten werden wir auch beim Innenministerium vorstellig werden, damit von der obersten Baubehörde endlich ein Planungsauftrag kommt“. Ein Planungsauftrag für die Südumgehung.

Kurz darauf fiel Geisenfelds Bürgermeister Josef Alter, zumindest verbal „fast vom Hocker“ als der Stadtrat im November mit der neuen Kostenschätzung für die „Nordumfahrung“ konfrontiert wurde. Der Stadtrat ging trotzdem -erneut- ins Genehmigungsverfahren.(!)

Ein bei der letzten Wahl gegen Josef Alter gescheiterter Bürgermeisterkandidat sah sich im „Aufwind“ und erklärte in einer gleichnamigen Postille seine erneute Kandidatur. Er habe als Bürgermeister, erklärte Christian Staudter im Dezember, u.A. “ folgende Prioritäten ins Auge gefasst: Bau der Umgehungsstraßen und bis dahin eine Reduzierung des innerstädtischen Schwerlastverkehrs“. Um einen Monat später konkreter zu werden.

Jahr 2008

„Geschockt wurden wir von den enormen Kosten der Umgehungsstraße Nord“ so Bürgermeisterkandidat Staudter.“ Dabei bekommen wir die gewünschte Verkehrsberuhigung unserer Innenstadt und der betroffenen Ortsteile erst durch die genauso dringliche Westumgehung (=Südumfahrung). Hier ziehen wir mit unserem Landrat und seinem Vorschlag einer „Ilmtalbasisstraße“ an einem Strang“. Landrat Rudi Engelhard hatte in einer Wahlkampfrede am 9. Januar im Bräustüberl Wolnzach von einer „Ilmtalbasisstraße“ gesprochen. „Ortsumgehung Geisenfeld, Königsfeld, Autobahnanschluss Ilmtal, Südumgehung Paffenhofen“. Fernziel oder Traum? „Das Markenzeichen unserer CSU-Politik“ so der Landrat, „rechtzeitig die Weichenstellungen für die Zukunft zu treffen“.

“Sobald feststeht, dass es auch mit der Südumgehung etwas wird” legte sich der tatsächlich gewählte Bürgermeister Christian Staudter am 6. Oktober gegenüber einem Kamerateam des BR ins Zeug, werde die Stadt Geisenfeld die 15 Millionen Euro für die Nordwestumgehung ausgeben. Das war zu einem Zeitpunkt, als die Geisenfelder Bürgerinitiative „MGL“ dem „gefühlten“ Anstieg des Geisenfelder Verkehrsaufkommens hinterher zählte.

Die Zählergebnisse erbrachten aber nur die bereits bekannten Zahlen aus der Untersuchung vom Oktober 2005. Im November bekräftigte Bürgermeister Staudter erneut seinen Standpunkt. Nur eine „komplette Westumgehung“, also die Süd- mit der Nordumfahrung bringe eine spürbare Verkehrsentlastung für Geisenfeld. Die logische Konsequenz sei, so der Bürgermeister in der Heimatzeitung vom 29.11.2008 „dass wir mit unserer über zehn Millionen Euro teuren Nordwestspange erst dann anfangen, wenn wirklich feststeht, dass auch die Südwestspange kommt“.

Jahr 2009/ 2010

Plötzlich wollte man bei der Stadt, und besonders bei Bürgermeister Staudter, von der unabdingbaren Verknüpfung „Nord nicht ohne Süd“ nichts mehr wissen. Im Verlauf des Jahres verstieg man sich in die Feststellung, baue man nur die Nordumfahrung, werde die Südtrasse automatisch nachwachsen. Wer das nicht sehen wolle „verarsche“ die Bürger. Einem offensichtlich für diese Art der Argumentation nicht empfänglichen Stadtrat legte man in einer Stadtratssitzung sogar den Rücktritt nahe.

Trotzdem müsste man bei den Verantwortlichen der Stadt Geisenfeld erkannt haben, dass die vom Freistaat zu erbauende Südspange nicht kommen werde. Die Einlassungen des Straßenbauamtes Ingolstadt und die angespannte Haushaltslage des Freistaates Bayern ließen keinen anderen Schluss zu. Zudem sei die erneute Aufnahme in den für das Jahr 2011 zu erstellenden „7. Ausbauplan für Staatsstraßen“ nicht automatisch vorgesehen. Kam die Realisierung der Südumgehung, trotz guter Kassenlage, 9 Jahre lang über eine „Raumempfindlichkeitsanalyse“ nicht hinaus, so wird die nunmehr zurückgehende Investitionsneigung beim Neubau von Staatsstraßen einen Bau nicht beschleunigen.

Würde man sich angemessen und ernsthaft mit den Chancen zum Bau einer Südumfahrung auseinandersetzen, statt den Bürgern mit fadenscheinigen Aussagen Illusionen auf eine wirklich nennenswerte Verkehrsentlastung zu machen, müsste die Stadt auch die “ Schriftliche Anfrage – an die Bayerische Staatsregierung -des Abgeordneten Markus Rinderspacher SPD vom 29.03.2009 kennen: Sanierung schadhafter Staatsstraßen in Oberbayern.

(Anfrage und Antwort hier runterladen)

Im Bereich Ingolstadt werden für den Doppelhaushalt 2009/10 nur 3 Baumaßnahmen aufgeführt. Die Südumfahrung für Geisenfeld ist nicht darunter. Betrachtet man zusätzlich den alarmierenden Zustand der Staatsstraßen in Bayern, wird man unschwer den zukünftigen Investitionsschwerpunkt der Mittel für staatlichen Straßenbau erkennen können.

Dazu der Bayerische Rundfunk am 28.10. 2009: „Nach Einschätzung der Obersten Baubehörde im Bayerischen Innenministerium ist mehr als ein Drittel der über 13.000 Kilometer Staatsstraßen in Bayern reparaturbedürftig. Die SPD im Landtag spricht von Zuständen wie früher in der DDR.“ Und konkreter : „Rund 35,6 Prozent, also etwa 4.800 Kilometer Staatsstraßen müssten repariert werden, sagte der zuständige Abteilungsleiter der Behörde, Karl Wiebel, im Kommunalausschuss des Landtags. In den nächsten zehn Jahren müssten 720 Millionen Euro zusätzlich in den Erhalt der Staatsstraßen investiert werden, um den Zustand von 1998 wieder zu erreichen, betonte Wiebel. Dies sei ein „beachtlicher Nachholbedarf“.

(Die Reparatur eines einzigen Straßenkilometers kostet 150.000 Euro)

Geisenfelds Bürgermeister Staudter erklärte trotzdem noch im Dezember unverdrossen: „Momentan werden die notwendigen Planunterlagen erstellt (für die Nordumgehung), so dass wir hoffentlich im Frühjahr 2010 ins Planfeststellungsverfahren (!) eintreten können. Viel Arbeit steht uns noch mit dem bereits begonnenen Grunderwerb für die Trasse und den benötigten ökologischen Ausgleichsflächen bevor“.

Bei den nun anstehenden Bürgerversammlungen werden wir von ihm hinsichtlich der „Komplettumgehungsstraße“ sicherlich viel „heiße Luft“ erwarten dürfen. Die Bürger sollten dabei ganz genau hinhören! Sobald seine Rede auf „Signale“ oder „gute Gespräche in München/Ingolstadt“ kommt, sollten sie anfangen mitzuzählen. Wie viele Wörter mit „inhaltslosen, unbestimmten oder nicht konkreten Aussagen“ wird er noch gebrauchen um uns den Bau der unwichtigsten Variante einer nennenswerten Verkehrsentlastung zu verkaufen?

Herr Bürgermeister, wir sehen uns!

Liebe Leserin, lieber Leser. Sollten sie den Artikel bis hierher geschafft haben, so haben sie ein bisschen Entspannung verdient. Entspannung auf einem Weg aus dem Jahr 1989. Road to hell von Chris Rea. Der nachfolgende Clip dauert fast ebenso lange wie der obige Artikel eventuell zum lesen erforderte: 4 Minuten.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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