Verbotene aber belebende Elemente im urbanen Raum
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Dingen einen anderen Drall geben, das Gewohnte umcodieren oder „eine kritische Dimension in das passive Rezeptionsverhalten“ einbringen (Umberto Eco). All das findet sich in „Street Art“, einer Spielart der „Kommunikationsguerilla“. Einige „selbstautorisiert angebrachte Zeichen“ (Wikipedia) werden in Fotobänden verewigt oder, wie in Hamburg und London, durch Plexiglas vor Zerstörung geschützt.
Verbotstafeln, schreiende „Kauf mich“ Aufforderungen oder auch nur quietschbunte „Hier bin ich“ Standortinfos: Bewusst oder unbewusst prasseln sekündlich optische Informationen auf uns ein.
Und plötzlich, inmitten dieser Reizüberflutung, ein Bruch im Erwartbaren:
Ein Panzer der Herzchen verschießt! Hingemalt an den Sockel eines Hauses. Ein unschwer als „Autonomer“ erkennbarer Randalierer schmeißt ….. Blumen, keine Steine! Auch er auf eine schmucklose Hauswand gemalt.
Merkt man’s? Beim Betrachten dieser Bilder wird das geschäftige urbane Getöse etwas leiser, die Denkmurmel etwas ruhiger laufen, und, sofern man nicht gerade sediert vom Zahnarzt kommt, sich dieses gewisse AHA-Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Für diese Momente sorgt unter anderem „Barbara„, eine anonyme deutsche Straßenkünstlerin, die sich „klebend“ unter Anderem der heimischen Verbotskultur annimmt. Und den Auswüchsen am rechten politischen Rand.
Sie „spiele gerne damit„, wie sie im „Welt“-Interview -„Bekleben verboten“ – Jetzt erst recht!– erklärt. „Wenn ich jemanden zum Lächeln bringe, habe ich genauso viel erreicht, wie wenn ich jemanden mit einer gesellschaftskritischen Aktion zum Nachdenken anrege„, bekennt Barbara in einem SZ-Artikel. Ihre kreativen Aktionen werden nun in einem Fotoband dokumentiert.
Anonym blieb bisher auch „Banksy„, ein britischer Graffiti-Sprayer, dessen Werke von Galeristen mit bis zu 300.000 Euro gehandelt werden.
Das Taubenbild im südenglischen Städtchen “Clacton-on-Sea“ (Artikelbild siehe oben) ließ der dortige Stadtrat jedoch wegen „Rassismus“ Beschwerden überpinseln.
Was den Stadtvätern den Spott der internationalen Öffentlichkeit einbrachte. Nicht, weil sie den Urheber des Wandgemäldes nicht kannten, nein, weil sie die sozialkritische Aussage des Bildes nicht erfassten. (Siehe auch: „Graffito Straßenkünstler verarscht englischen Geheimdienst„, Eine Telefonzelle und drei Spione, die mit Abhörtechnik hinter dieser Telefonzelle stehen)
Streetart fördert aber nicht nur geistige Abgründe zu Tage, sondern auch Abgründe in 3-D auf den Asphalt. Faszinierende optische Täuschungen durch großflächige Kreidezeichnungen. Oder nutzt den öffentlichen Raum als subtile politische Interventionsform.
In bester Kommunikationsguerilla Tradition würdigten drei anonyme Künstler in einer Nacht und Nebel-Aktion einen Whistleblower. Auf die leere Säule eines Kriegerdenkmals in New York stellten sie Anfang April 2015 die Büste von Edward Snowden. Mit seinen Informationen zum Überwachungsprogramm der NSA sei Snowden einer jener Menschen, die ihre Sicherheit im Kampf gegen moderne Formen der Tyrannei aufgeben haben. Das sei allemal ein Denkmal wert.
In Bayern würde man diese subversive Spielart von Street Art am ehesten als „hinterkünftig“ bezeichnen.
Wie man im hohen Norden subversive Beach Art bezeichnet, ist dem Autor nicht geläufig.
Ach ja, auf „Bürgersicht“ fand man schon immer Artikel über „Kommunikationsguerilla“.
Zum Beispiel über die Mannen (und Frauen) des Geisenfelder Bürgermeisters. Zuerst „krallte“ er sich nur (ziemlich erbarmungswürdig) an eine recht niedrige Kletterwand. Woraufhin uns der „Voralpenländische Verfassungsdienst” Bilder zuspielte, die seine geheimen Vorbereitungen -und die seiner politischen Gruppierung- für den Geisenfelder Kommunalwahlkampf zeigten. „Spektakuläre Wahlkampfaktion- Wie viele Kandidaten passen in einen Gulli„
Oder über den „ÖSI-Test“ in Wien. „Wer hat das ÖSI-Gen“, fragten die „Fachleute“ vom “Zertifizierten Laboratorium für Austrologie“ und vergaben auf Grundlage eines Speicheltests eine begehrte Ösi-Urkunde oder einen rotweißroten Button mit der Aufschrift “Ausländer – Danke dass ich bleiben darf“. Reaktion auf eine Parole der rechtsradikalen Partei „FPÖ“, die Rassereinheit mit der Parole “Mehr Mut für unser Wiener Blut” forderte.