„Wollen eine stabile und handlungsfähige Regierung bilden, die das Richtige tut“

Lesedauer 4 Minuten

Kein Scherz: Sie wollen „das Richtige tun“. Das „werden“ und „wollen“ im hier abrufbaren 28-seitigen Positionspapier der (angestrebten) GroKo.

Nichts zur Nato, Rentenreform, Bürgerversicherung oder den großen Linien auf dem Weg in die Zukunft. Kritiker sehen in dem Papier zwar einen Aufbruch nach Europa, aber nur ein „weiter so“ der GroKo und damit „gewiss keinen Aufbruch für Deutschland“. (Robin Alexander/WELT)

Merkwürdigerweise beurteilen Beobachter die Inhalte dieses Papiers als Einknicken der CDU gegenüber SPD und CSU. Angeblich finde sich darin vieles an sozialen Verbesserungen, die die Kanzlerin niemals wollte, (z.B. Stabilisierung der Rente, Ausbau der Mütterrente) genau das aber der CSU und hauptsächlich der Basis der SPD aber leichter machen soll, der Neuauflage der Großen Koalition zuzustimmen.

M.E drehen hier bestimmte Medien gemeinsam am großen Rad der Merkel Stabilisierung. Wer an der SPD-Basis wird die 28 Seiten lesen, geschweige denn das Gelesene hinter dem vielen „wollen“ und den „Evaluierungswolken“ auf Substanz abklopfen.

Suggeriert man in der veröffentlichten Meinungen aber einen SPD Erfolg bei den Sondierungsgesprächen -selbst die SPD-Führung spricht in einer „Positivliste“ von „60 Sondierungserfolgen“- könnte ein SPD-Sonderparteitag, sozusagen selbstreferenziell, die „draußen“ angeblich vorherrschende Ansicht positiv aufgreifen, das Erreichte der derzeit immer noch unwilligen Basis als Erfolg verkaufen und so die zusätzlich anstehende Mitgliederbefragung in die gewünschte Richtung bugsieren. Für Merkels Machterhalt. Ganz ohne Neuwahlen.

Was steht nun drin, im Einigungspapier, das die nächsten 4 Jahre die Richtschnur einer zukünftigen deutschen Regierung sein soll, weil sie „die großen Fragen unserer Zeit entschlossen lösen“ möchte. (Präambel in der „Finalen Fassung)

(Auszug)

Wir wollen:

  • einen neuen europapolitischen Aufbruch,
  • den sozialen Zusammenhalt in unserem Land stärken und die entstandenen Spaltungen überwinden,
  • unsere Demokratie beleben,
  • dass die Menschen bei uns die vielfältigsten Chancen nutzen und in Sicherheit leben können,
  • die Familien stärken und gleiche Bildungschancen für alle,
  • unser Land erneuern, in die Zukunft investieren und Innovationen fördern, damit wir unseren Wohlstand ausbauen und auch zukünftig mit der weltweiten Dynamik mithalten können,
  • den digitalen Wandel von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft für alle Menschen positiv gestalten,
  • einen größeren Beitrag leisten, um weltweit zu besseren Lebensbedingungen und Chancen beizutragen.

Konkret liest sich das in den 28 Seiten folgendermaßen:

Europa bürgernäher und transparenter machen und dadurch neues Vertrauen gewinnen

Die Soziale Marktwirtschaft, ….  braucht eine Renaissance, gerade in Zeiten der Digitalisierung.“ 

„Die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik muss im Sinne einer Friedensmacht Europa gestärkt werden. Sie muss dem Prinzip eines Vorrangs des Politischen vor dem Militärischen folgen und auf Friedenssicherung, Entspannung und zivile Krisenprävention ausgerichtet sein.

„Um diese Ziele zu erreichen, wollen wir die EU in ihrer Handlungsfähigkeit finanziell stärkenWir sind auch zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit.    

Die Sozialabgaben wollen wir im Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei unter 40 Prozent stabilisieren.“

„Um Deutschland für qualifizierte internationale Fachkräfte noch attraktiver zu machen, wollen wir ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschieden, mit dem wir den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland ordnen und steuern.   

„Wir werden den Investitionshochlauf auf einem Rekordniveau für die Verkehrsinvestitionen mindestens auf dem heutigen Niveau fortführen. Wir werden die Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) erhöhen und dynamisieren.

„… werden wir die gesetzliche Rente auf heutigem Niveau von 48 % bis zum Jahr 2025 gesetzlich absichern.“

„wollen wir klarstellen, dass die Bezieher von Grundsicherung im Alter in ihrem selbst genutzten Haus oder ihrer Wohnung im Regelfall weiterhin wohnen können.“

„wollen wir eine Altersvorsorgepflicht  für  alle  Selbständigen  einführen … Dabei sollen diese zwischen der gesetzlichen  Rentenversicherung  und  –  als  Opt-out-Lösung  –  anderen  geeigneten  insolvenzsicheren  Vorsorgearten  wählen  können.  Zudem  werden  wir  die  Mindestkrankenversichungsbeiträge für kleine Selbstständige reduzieren.“

„Wir wollen 8 000 neue Fachkraftstellen im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen schaffen.“

„Auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern soll künftig erst ab einem Einkommen in Höhe von 100.000 Euro im Jahr zurückgegriffen werden.“

„Wir werden eine Expertenkommission einsetzen, die Vorschläge erarbeiten soll, ob und  in  welcher  Form unsere bewährte  parlamentarisch-repräsentative  Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann.“

Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge. Wir werden eine Kommission Fluchtursachen im Deutschen Bundestag einrichten.“

 „Die Bundesregierung wird ab sofort keine Ausfuhren (Waffen) an Länder genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind.“

 

HIER die kompletten 28 Seiten zum ausführlichen nachlesen.

Update 07. Februar 2018

HIER die 173 Seiten des daraus am 07. Februar 2018 entstandenen Koalitionsvertrages. (Stand 12:45 Uhr)

Zum Vergleich: HIER der Koalitionsvertrag (185 Seiten) derselben Partner aus dem Jahr 2013

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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